Leib und Seele des Verstorbenen dem Teufel, dem der Pfaff sie zugesprochen, zu entreißen.
Der Bruder des Abgeschiedenen allein, ein Soldat, hielt im festen sichern Glauben an den Himmel und an seinen eigenen Muth, der es mit dem Teufel selbst aufzunehmen wagte, Wache an dem Sarge. Sein Blick war ruhig und erwartend, und er schaute abwechselnd in das starre Antlitz des Todten und in das Wet- terleuchten, das oft feindlich durch den matten Schein der Kerzen zuckte; sein Säbel lag ge- zogen auf der Leiche, und glich mit seinem wie ein Kreuz gestalteten Griffe einer geist- lichen und weltlichen Waffe zugleich.
Uebrigens herrschte Todtenstille rings um, und außer dem fernen Murren des Gewitters und dem Knistern der Kerzen vernahm man nichts.
So bliebs, bis in einzelnen ernsten Schlä- gen die Klocke Mitternacht ankündigte; -- da führte plözlich der Sturmwind hoch oben in
Leib und Seele des Verſtorbenen dem Teufel, dem der Pfaff ſie zugeſprochen, zu entreißen.
Der Bruder des Abgeſchiedenen allein, ein Soldat, hielt im feſten ſichern Glauben an den Himmel und an ſeinen eigenen Muth, der es mit dem Teufel ſelbſt aufzunehmen wagte, Wache an dem Sarge. Sein Blick war ruhig und erwartend, und er ſchaute abwechſelnd in das ſtarre Antlitz des Todten und in das Wet- terleuchten, das oft feindlich durch den matten Schein der Kerzen zuckte; ſein Saͤbel lag ge- zogen auf der Leiche, und glich mit ſeinem wie ein Kreuz geſtalteten Griffe einer geiſt- lichen und weltlichen Waffe zugleich.
Uebrigens herrſchte Todtenſtille rings um, und außer dem fernen Murren des Gewitters und dem Kniſtern der Kerzen vernahm man nichts.
So bliebs, bis in einzelnen ernſten Schlaͤ- gen die Klocke Mitternacht ankuͤndigte; — da fuͤhrte ploͤzlich der Sturmwind hoch oben in
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Leib und Seele des Verſtorbenen dem Teufel,
dem der Pfaff ſie zugeſprochen, zu entreißen.
Der Bruder des Abgeſchiedenen allein, ein
Soldat, hielt im feſten ſichern Glauben an
den Himmel und an ſeinen eigenen Muth, der
es mit dem Teufel ſelbſt aufzunehmen wagte,
Wache an dem Sarge. Sein Blick war ruhig
und erwartend, und er ſchaute abwechſelnd in
das ſtarre Antlitz des Todten und in das Wet-
terleuchten, das oft feindlich durch den matten
Schein der Kerzen zuckte; ſein Saͤbel lag ge-
zogen auf der Leiche, und glich mit ſeinem
wie ein Kreuz geſtalteten Griffe einer geiſt-
lichen und weltlichen Waffe zugleich.
Uebrigens herrſchte Todtenſtille rings um,
und außer dem fernen Murren des Gewitters
und dem Kniſtern der Kerzen vernahm man
nichts.
So bliebs, bis in einzelnen ernſten Schlaͤ-
gen die Klocke Mitternacht ankuͤndigte; — da
fuͤhrte ploͤzlich der Sturmwind hoch oben in
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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/20>, abgerufen am 23.11.2024.
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