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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

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und warum es ihn anschaut. Da fliehen die
Masken vorüber, die Empfindungen, eine
verzerrter wie die andere. Freude steh mir
Rede -- ruft der Mensch -- weshalb du mir
zulächelst! Die Larve lächelt und entfli[e]ht.
Schmerz laß dir fest ins Auge schauen, warum
erscheinst du mir! Auch er ist schon vorüber.
-- Zorn, warum blickst du mich an -- ich
frage es und du bist verschwunden.

Und die Larven drehen sich im tollen raschen
Tanze um mich her -- um mich der ich Mensch
heiße -- und ich taumle mitten im Kreise um-
her, schwindelnd von dem Anblicke und mich
vergeblich bemühend eine der Masken zu um-
armen und ihr die Larve vom wahren Antlize
wegzureißen; aber sie tanzen und tanzen nur
-- und ich -- was soll ich denn im Kreise?
Wer bin ich denn, wenn die Larven verschwin-
den sollten? Gebt mir einen Spiegel ihr Fast-
nachtsspieler, daß ich mich selbst einmal er-
blicke -- es wird mir überdrüssig nur immer

und warum es ihn anſchaut. Da fliehen die
Masken voruͤber, die Empfindungen, eine
verzerrter wie die andere. Freude ſteh mir
Rede — ruft der Menſch — weshalb du mir
zulaͤchelſt! Die Larve laͤchelt und entfli[e]ht.
Schmerz laß dir feſt ins Auge ſchauen, warum
erſcheinſt du mir! Auch er iſt ſchon voruͤber.
— Zorn, warum blickſt du mich an — ich
frage es und du biſt verſchwunden.

Und die Larven drehen ſich im tollen raſchen
Tanze um mich her — um mich der ich Menſch
heiße — und ich taumle mitten im Kreiſe um-
her, ſchwindelnd von dem Anblicke und mich
vergeblich bemuͤhend eine der Masken zu um-
armen und ihr die Larve vom wahren Antlize
wegzureißen; aber ſie tanzen und tanzen nur
— und ich — was ſoll ich denn im Kreiſe?
Wer bin ich denn, wenn die Larven verſchwin-
den ſollten? Gebt mir einen Spiegel ihr Faſt-
nachtsſpieler, daß ich mich ſelbſt einmal er-
blicke — es wird mir uͤberdruͤſſig nur immer

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[187/0189] und warum es ihn anſchaut. Da fliehen die Masken voruͤber, die Empfindungen, eine verzerrter wie die andere. Freude ſteh mir Rede — ruft der Menſch — weshalb du mir zulaͤchelſt! Die Larve laͤchelt und entflieht. Schmerz laß dir feſt ins Auge ſchauen, warum erſcheinſt du mir! Auch er iſt ſchon voruͤber. — Zorn, warum blickſt du mich an — ich frage es und du biſt verſchwunden. Und die Larven drehen ſich im tollen raſchen Tanze um mich her — um mich der ich Menſch heiße — und ich taumle mitten im Kreiſe um- her, ſchwindelnd von dem Anblicke und mich vergeblich bemuͤhend eine der Masken zu um- armen und ihr die Larve vom wahren Antlize wegzureißen; aber ſie tanzen und tanzen nur — und ich — was ſoll ich denn im Kreiſe? Wer bin ich denn, wenn die Larven verſchwin- den ſollten? Gebt mir einen Spiegel ihr Faſt- nachtsſpieler, daß ich mich ſelbſt einmal er- blicke — es wird mir uͤberdruͤſſig nur immer

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Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/189>, abgerufen am 05.05.2024.