kämpft mit dem Schlummer, der ihn so süß und lockend, in die Arme des Todes legen will, wie den leichtsinnigen Fischer die Nixe mit Gesang in die Wellen einladet. --
Soll ich den Tod betrügen um das Bett- lerleben? Beim Teufel ich weiß es ja nicht was besser ist -- Sein, oder Nichtsein! -- O die dort mit dem nachgeahmten Süden in ih- ren Schlafkammern, und dem gemahlten Früh- ling an den Wänden, wenn draußen der wirk- liche erstarret ist, werfen die Frage nicht auf, und sie bereiten sich selbst die Natur, wie ein leckeres Gericht auf ihren Tafeln, zu und ge- nießen sie gern nippend und in unterbrochenen Pausen, damit sie im Geschmack bleiben. Aber dieser Vogelfreie ruht der alten Mutter noch unmittelbar an der Brust, die eigensinnig und launisch, wie jede Alte, bald ihre Kinder erwärmt und bald sie erdrückt. -- Doch nein, du Mutter bist ewig treu und unveränderlich, und bietest den Kindern Früchte in dem grü-
kaͤmpft mit dem Schlummer, der ihn ſo ſuͤß und lockend, in die Arme des Todes legen will, wie den leichtſinnigen Fiſcher die Nixe mit Geſang in die Wellen einladet. —
Soll ich den Tod betruͤgen um das Bett- lerleben? Beim Teufel ich weiß es ja nicht was beſſer iſt — Sein, oder Nichtſein! — O die dort mit dem nachgeahmten Suͤden in ih- ren Schlafkammern, und dem gemahlten Fruͤh- ling an den Waͤnden, wenn draußen der wirk- liche erſtarret iſt, werfen die Frage nicht auf, und ſie bereiten ſich ſelbſt die Natur, wie ein leckeres Gericht auf ihren Tafeln, zu und ge- nießen ſie gern nippend und in unterbrochenen Pauſen, damit ſie im Geſchmack bleiben. Aber dieſer Vogelfreie ruht der alten Mutter noch unmittelbar an der Bruſt, die eigenſinnig und launiſch, wie jede Alte, bald ihre Kinder erwaͤrmt und bald ſie erdruͤckt. — Doch nein, du Mutter biſt ewig treu und unveraͤnderlich, und bieteſt den Kindern Fruͤchte in dem gruͤ-
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kaͤmpft mit dem Schlummer, der ihn ſo ſuͤß
und lockend, in die Arme des Todes legen
will, wie den leichtſinnigen Fiſcher die Nixe
mit Geſang in die Wellen einladet. —
Soll ich den Tod betruͤgen um das Bett-
lerleben? Beim Teufel ich weiß es ja nicht
was beſſer iſt — Sein, oder Nichtſein! — O
die dort mit dem nachgeahmten Suͤden in ih-
ren Schlafkammern, und dem gemahlten Fruͤh-
ling an den Waͤnden, wenn draußen der wirk-
liche erſtarret iſt, werfen die Frage nicht auf,
und ſie bereiten ſich ſelbſt die Natur, wie ein
leckeres Gericht auf ihren Tafeln, zu und ge-
nießen ſie gern nippend und in unterbrochenen
Pauſen, damit ſie im Geſchmack bleiben. Aber
dieſer Vogelfreie ruht der alten Mutter noch
unmittelbar an der Bruſt, die eigenſinnig und
launiſch, wie jede Alte, bald ihre Kinder
erwaͤrmt und bald ſie erdruͤckt. — Doch nein,
du Mutter biſt ewig treu und unveraͤnderlich,
und bieteſt den Kindern Fruͤchte in dem gruͤ-
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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/178>, abgerufen am 22.11.2024.
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