Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.Gegenüber in der Vorstadt bricht ein Dieb in Alles ist kalt und starr und rauh, und von Gegenuͤber in der Vorſtadt bricht ein Dieb in Alles iſt kalt und ſtarr und rauh, und von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0177" n="175"/> Gegenuͤber in der Vorſtadt bricht ein Dieb in<lb/> einen Pallaſt; aber es iſt mein Revier nicht,<lb/> und ich bin zum Stummſein verdammt; ſo<lb/> mag er einbrechen! — Ganz in der Ferne iſt<lb/> leiſe kaum vernehmbare Muſik, wie wenn<lb/> Muͤcken ſummen, oder <hi rendition="#g">Koch</hi> zur Nacht auf<lb/> der Mundharmonika phantaſirt; und oben am<lb/> Horizont auf dem Eisſpiegel der Wieſe drehen<lb/> ſich leicht und luftig Schlittſchuhlaͤufer, und<lb/> tanzen den Baſeler Todtentanz zu der Trauer-<lb/> muſik. —</p><lb/> <p>Alles iſt kalt und ſtarr und rauh, und von<lb/> dem Naturtorſo ſind die Glieder abgefallen,<lb/> und er ſtreckt nur noch ſeine verſteinerten<lb/> Stuͤmpfe ohne die Kraͤnze von Bluͤthen und<lb/> Blaͤttern gegen den Himmel. Die Nacht iſt<lb/> ſtill und faſt ſchrecklich und der kalte Tod ſteht<lb/> in ihr, wie ein unſichtbarer Geiſt, der das<lb/> uͤberwundene Leben feſthaͤlt. Dann und wann<lb/> ſtuͤrzt ein erfrorner Rabe von dem Kirchen-<lb/> dache, und ein Bettler ohne Dach und Fach<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [175/0177]
Gegenuͤber in der Vorſtadt bricht ein Dieb in
einen Pallaſt; aber es iſt mein Revier nicht,
und ich bin zum Stummſein verdammt; ſo
mag er einbrechen! — Ganz in der Ferne iſt
leiſe kaum vernehmbare Muſik, wie wenn
Muͤcken ſummen, oder Koch zur Nacht auf
der Mundharmonika phantaſirt; und oben am
Horizont auf dem Eisſpiegel der Wieſe drehen
ſich leicht und luftig Schlittſchuhlaͤufer, und
tanzen den Baſeler Todtentanz zu der Trauer-
muſik. —
Alles iſt kalt und ſtarr und rauh, und von
dem Naturtorſo ſind die Glieder abgefallen,
und er ſtreckt nur noch ſeine verſteinerten
Stuͤmpfe ohne die Kraͤnze von Bluͤthen und
Blaͤttern gegen den Himmel. Die Nacht iſt
ſtill und faſt ſchrecklich und der kalte Tod ſteht
in ihr, wie ein unſichtbarer Geiſt, der das
uͤberwundene Leben feſthaͤlt. Dann und wann
ſtuͤrzt ein erfrorner Rabe von dem Kirchen-
dache, und ein Bettler ohne Dach und Fach
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Zitationshilfe: | Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/177>, abgerufen am 27.07.2024. |