Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

um sich dort poetische Stifts- und Thabors-
hütten zu errichten, so trage ich vielmehr dau-
erhafte und auserlesene Baumaterialien zu ei-
nem allgemeinen Narrenhause zusammen, wo-
rinn ich Prosaisten und Dichter bei einander
einsperren möchte. Ein paarmale jagte man
mich aus Kirchen weil ich dort lachte, und
eben so oft aus Freudenhäusern, weil ich drin
beten wollte.

Eins ist nur möglich; entweder stehen die
Menschen verkehrt, oder ich. Wenn die Stim-
menmehrheit hier entscheiden soll, so bin ich
rein verloren.

Dem sei wie ihm wolle, und meine Phy-
siognomie falle häßlich oder schön aus, ich will
ein Stündchen treulich daran kopiren. Schmei-
cheln werde ich nicht, denn ich male in der
Nacht, wo ich die gleissenden Farben nicht an-
wenden kann und nur auf starke Schatten und
Drucker mich einschränken muß.


8

um ſich dort poetiſche Stifts- und Thabors-
huͤtten zu errichten, ſo trage ich vielmehr dau-
erhafte und auserleſene Baumaterialien zu ei-
nem allgemeinen Narrenhauſe zuſammen, wo-
rinn ich Proſaiſten und Dichter bei einander
einſperren moͤchte. Ein paarmale jagte man
mich aus Kirchen weil ich dort lachte, und
eben ſo oft aus Freudenhaͤuſern, weil ich drin
beten wollte.

Eins iſt nur moͤglich; entweder ſtehen die
Menſchen verkehrt, oder ich. Wenn die Stim-
menmehrheit hier entſcheiden ſoll, ſo bin ich
rein verloren.

Dem ſei wie ihm wolle, und meine Phy-
ſiognomie falle haͤßlich oder ſchoͤn aus, ich will
ein Stuͤndchen treulich daran kopiren. Schmei-
cheln werde ich nicht, denn ich male in der
Nacht, wo ich die gleiſſenden Farben nicht an-
wenden kann und nur auf ſtarke Schatten und
Drucker mich einſchraͤnken muß.


8
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0115" n="113"/>
um &#x017F;ich dort poeti&#x017F;che Stifts- und Thabors-<lb/>
hu&#x0364;tten zu errichten, &#x017F;o trage ich vielmehr dau-<lb/>
erhafte und auserle&#x017F;ene Baumaterialien zu ei-<lb/>
nem allgemeinen Narrenhau&#x017F;e zu&#x017F;ammen, wo-<lb/>
rinn ich Pro&#x017F;ai&#x017F;ten und Dichter bei einander<lb/>
ein&#x017F;perren mo&#x0364;chte. Ein paarmale jagte man<lb/>
mich aus Kirchen weil ich dort lachte, und<lb/>
eben &#x017F;o oft aus Freudenha&#x0364;u&#x017F;ern, weil ich drin<lb/>
beten wollte.</p><lb/>
        <p>Eins i&#x017F;t nur mo&#x0364;glich; entweder &#x017F;tehen die<lb/>
Men&#x017F;chen verkehrt, oder ich. Wenn die Stim-<lb/>
menmehrheit hier ent&#x017F;cheiden &#x017F;oll, &#x017F;o bin ich<lb/>
rein verloren.</p><lb/>
        <p>Dem &#x017F;ei wie ihm wolle, und meine Phy-<lb/>
&#x017F;iognomie falle ha&#x0364;ßlich oder &#x017F;cho&#x0364;n aus, ich will<lb/>
ein Stu&#x0364;ndchen treulich daran kopiren. Schmei-<lb/>
cheln werde ich nicht, denn ich male in der<lb/>
Nacht, wo ich die glei&#x017F;&#x017F;enden Farben nicht an-<lb/>
wenden kann und nur auf &#x017F;tarke Schatten und<lb/>
Drucker mich ein&#x017F;chra&#x0364;nken muß.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig" rendition="#right">8</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0115] um ſich dort poetiſche Stifts- und Thabors- huͤtten zu errichten, ſo trage ich vielmehr dau- erhafte und auserleſene Baumaterialien zu ei- nem allgemeinen Narrenhauſe zuſammen, wo- rinn ich Proſaiſten und Dichter bei einander einſperren moͤchte. Ein paarmale jagte man mich aus Kirchen weil ich dort lachte, und eben ſo oft aus Freudenhaͤuſern, weil ich drin beten wollte. Eins iſt nur moͤglich; entweder ſtehen die Menſchen verkehrt, oder ich. Wenn die Stim- menmehrheit hier entſcheiden ſoll, ſo bin ich rein verloren. Dem ſei wie ihm wolle, und meine Phy- ſiognomie falle haͤßlich oder ſchoͤn aus, ich will ein Stuͤndchen treulich daran kopiren. Schmei- cheln werde ich nicht, denn ich male in der Nacht, wo ich die gleiſſenden Farben nicht an- wenden kann und nur auf ſtarke Schatten und Drucker mich einſchraͤnken muß. 8

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/115
Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/115>, abgerufen am 08.05.2024.