Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810. Theobald. Seit jenem Tage folgt sie ihm nun, gleich einer Metze, in blinder Ergebung, von Ort zu Ort; ge- führt am Strahl seines Angesichts, fünfdräthig, wie einen Tau, um ihre Seele gelegt; auf nackten, jedem Kiesel ausgesetzten, Füßen, das kurze Röckchen, das ihre Hüfte deckt, im Winde flatternd, nichts als den Strohhut auf, sie gegen der Sonne Stich, oder den Grimm empörter Witterung zu schützen. Wohin sein Fuß, im Lauf seiner Abentheuer, sich wendet: durch den Dampf der Klüfte, durch die Wüste, die der Mittag versengt, durch die Nacht verwachsener Wäl- der: wie ein Hund, der von seines Herren Schweiß gekostet, schreitet sie hinter ihm her; und die gewohnt war, auf weichen Kissen zu ruhen, und das Knöt- lein spürte, in des Bettuchs Faden, das ihre Hand unachtsam darin eingesponnen hatte: die liegt jetzt, einer Magd gleich, in seinen Ställen, und sinkt, wenn die Nacht kömmt, ermüdet auf die Streu nie- der, die seinen stolzen Rossen untergeworfen wird. Graf Otto. Graf Wetter vom Strahl! Ist dies gegründet? Der Graf vom Strahl. Wahr ists, ihr Herren; sie geht auf der Spur, die hinter mir zurückbleibt. Wenn ich mich umsehe, erblick' ich zwei Dinge: meinen Schatten und sie. Graf
Theobald. Seit jenem Tage folgt ſie ihm nun, gleich einer Metze, in blinder Ergebung, von Ort zu Ort; ge- führt am Strahl ſeines Angeſichts, fünfdräthig, wie einen Tau, um ihre Seele gelegt; auf nackten, jedem Kieſel ausgeſetzten, Füßen, das kurze Röckchen, das ihre Hüfte deckt, im Winde flatternd, nichts als den Strohhut auf, ſie gegen der Sonne Stich, oder den Grimm empörter Witterung zu ſchützen. Wohin ſein Fuß, im Lauf ſeiner Abentheuer, ſich wendet: durch den Dampf der Klüfte, durch die Wüſte, die der Mittag verſengt, durch die Nacht verwachſener Wäl- der: wie ein Hund, der von ſeines Herren Schweiß gekoſtet, ſchreitet ſie hinter ihm her; und die gewohnt war, auf weichen Kiſſen zu ruhen, und das Knöt- lein ſpürte, in des Bettuchs Faden, das ihre Hand unachtſam darin eingeſponnen hatte: die liegt jetzt, einer Magd gleich, in ſeinen Ställen, und ſinkt, wenn die Nacht kömmt, ermüdet auf die Streu nie- der, die ſeinen ſtolzen Roſſen untergeworfen wird. Graf Otto. Graf Wetter vom Strahl! Iſt dies gegründet? Der Graf vom Strahl. Wahr iſts, ihr Herren; ſie geht auf der Spur, die hinter mir zurückbleibt. Wenn ich mich umſehe, erblick' ich zwei Dinge: meinen Schatten und ſie. Graf
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0022" n="16"/> <sp who="#THE"> <speaker><hi rendition="#g">Theobald</hi>.</speaker><lb/> <p>Seit jenem Tage folgt ſie ihm nun, gleich einer<lb/> Metze, in blinder Ergebung, von Ort zu Ort; ge-<lb/> führt am Strahl ſeines Angeſichts, fünfdräthig, wie<lb/> einen Tau, um ihre Seele gelegt; auf nackten, jedem<lb/> Kieſel ausgeſetzten, Füßen, das kurze Röckchen, das<lb/> ihre Hüfte deckt, im Winde flatternd, nichts als den<lb/> Strohhut auf, ſie gegen der Sonne Stich, oder den<lb/> Grimm empörter Witterung zu ſchützen. Wohin ſein<lb/> Fuß, im Lauf ſeiner Abentheuer, ſich wendet: durch<lb/> den Dampf der Klüfte, durch die Wüſte, die der<lb/> Mittag verſengt, durch die Nacht verwachſener Wäl-<lb/> der: wie ein Hund, der von ſeines Herren Schweiß<lb/> gekoſtet, ſchreitet ſie hinter ihm her; und die gewohnt<lb/> war, auf weichen Kiſſen zu ruhen, und das Knöt-<lb/> lein ſpürte, in des Bettuchs Faden, das ihre Hand<lb/> unachtſam darin eingeſponnen hatte: die liegt jetzt,<lb/> einer Magd gleich, in ſeinen Ställen, und ſinkt,<lb/> wenn die Nacht kömmt, ermüdet auf die Streu nie-<lb/> der, die ſeinen ſtolzen Roſſen untergeworfen wird.</p> </sp><lb/> <sp who="#OTTO"> <speaker><hi rendition="#g">Graf Otto</hi>.</speaker><lb/> <p>Graf Wetter vom Strahl! Iſt dies gegründet?</p> </sp><lb/> <sp who="#STRA"> <speaker><hi rendition="#g">Der Graf vom Strahl</hi>.</speaker><lb/> <p>Wahr iſts, ihr Herren; ſie geht auf der Spur,<lb/> die hinter mir zurückbleibt. Wenn ich mich umſehe,<lb/> erblick' ich zwei Dinge: meinen Schatten und ſie.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#g">Graf</hi> </fw> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [16/0022]
Theobald.
Seit jenem Tage folgt ſie ihm nun, gleich einer
Metze, in blinder Ergebung, von Ort zu Ort; ge-
führt am Strahl ſeines Angeſichts, fünfdräthig, wie
einen Tau, um ihre Seele gelegt; auf nackten, jedem
Kieſel ausgeſetzten, Füßen, das kurze Röckchen, das
ihre Hüfte deckt, im Winde flatternd, nichts als den
Strohhut auf, ſie gegen der Sonne Stich, oder den
Grimm empörter Witterung zu ſchützen. Wohin ſein
Fuß, im Lauf ſeiner Abentheuer, ſich wendet: durch
den Dampf der Klüfte, durch die Wüſte, die der
Mittag verſengt, durch die Nacht verwachſener Wäl-
der: wie ein Hund, der von ſeines Herren Schweiß
gekoſtet, ſchreitet ſie hinter ihm her; und die gewohnt
war, auf weichen Kiſſen zu ruhen, und das Knöt-
lein ſpürte, in des Bettuchs Faden, das ihre Hand
unachtſam darin eingeſponnen hatte: die liegt jetzt,
einer Magd gleich, in ſeinen Ställen, und ſinkt,
wenn die Nacht kömmt, ermüdet auf die Streu nie-
der, die ſeinen ſtolzen Roſſen untergeworfen wird.
Graf Otto.
Graf Wetter vom Strahl! Iſt dies gegründet?
Der Graf vom Strahl.
Wahr iſts, ihr Herren; ſie geht auf der Spur,
die hinter mir zurückbleibt. Wenn ich mich umſehe,
erblick' ich zwei Dinge: meinen Schatten und ſie.
Graf
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |