Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810.
Daß ich mit Liebe dir, unsäglich, ewig, Durch alle meine Sinne zugethan. Der Hirsch, der von der Mittagsglut gequält, Den Grund zerwühlt, mit spitzigem Geweih, Er sehnt sich so begierig nicht, Vom Felsen in den Waldstrom sich zu stürzen, Den reißenden, als ich, jetzt, da du mein bist, In alle deine jungen Reize mich. Käthchen (schamroth). Jesus! Was sprichst du? Ich versteh' dich nicht. Graf vom Strahl. Vergieb mir, wenn mein Wort dich oft gekränkt, Beleidigt; meine roh mishandelnde Gebährde dir zuweilen weh gethan. Denk' ich, wie lieblos einst mein Herz geeifert, Dich von mir wegzustoßen -- und seh' ich gleichwohl jetzo dich So voll von Huld und Güte vor mir stehn, Sieh, so kommt Wehmuth, Käthchen, über mich, Und meine Thränen halt' ich nicht zurück. (er weint). Käthchen (ängstlich). Himmel! Was fehlt dir? Was bewegt dich so? Was hast du mir gethan? Ich weiß von nichts. Graf vom Strahl. O Mädchen, wenn die Sonne wieder scheint,
Daß ich mit Liebe dir, unſäglich, ewig, Durch alle meine Sinne zugethan. Der Hirſch, der von der Mittagsglut gequält, Den Grund zerwühlt, mit ſpitzigem Geweih, Er ſehnt ſich ſo begierig nicht, Vom Felſen in den Waldſtrom ſich zu ſtürzen, Den reißenden, als ich, jetzt, da du mein biſt, In alle deine jungen Reize mich. Käthchen (ſchamroth). Jeſus! Was ſprichſt du? Ich verſteh' dich nicht. Graf vom Strahl. Vergieb mir, wenn mein Wort dich oft gekränkt, Beleidigt; meine roh mishandelnde Gebährde dir zuweilen weh gethan. Denk' ich, wie lieblos einſt mein Herz geeifert, Dich von mir wegzuſtoßen — und ſeh' ich gleichwohl jetzo dich So voll von Huld und Güte vor mir ſtehn, Sieh, ſo kommt Wehmuth, Käthchen, über mich, Und meine Thränen halt' ich nicht zurück. (er weint). Käthchen (ängſtlich). Himmel! Was fehlt dir? Was bewegt dich ſo? Was haſt du mir gethan? Ich weiß von nichts. Graf vom Strahl. O Mädchen, wenn die Sonne wieder ſcheint, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#STAR"> <p><pb facs="#f0197" n="191"/> Daß ich mit Liebe dir, unſäglich, ewig,<lb/> Durch alle meine Sinne zugethan.<lb/> Der Hirſch, der von der Mittagsglut gequält,<lb/> Den Grund zerwühlt, mit ſpitzigem Geweih,<lb/> Er ſehnt ſich ſo begierig nicht,<lb/> Vom Felſen in den Waldſtrom ſich zu ſtürzen,<lb/> Den reißenden, als ich, jetzt, da du mein biſt,<lb/> In alle deine jungen Reize mich.</p> </sp><lb/> <sp who="#KAET"> <speaker> <hi rendition="#g">Käthchen</hi> </speaker> <stage>(ſchamroth).</stage><lb/> <p>Jeſus! Was ſprichſt du? Ich verſteh' dich nicht.</p> </sp><lb/> <sp who="#STAR"> <speaker><hi rendition="#g">Graf vom Strahl</hi>.</speaker><lb/> <p>Vergieb mir, wenn mein Wort dich oft gekränkt,<lb/> Beleidigt; meine roh mishandelnde<lb/> Gebährde dir zuweilen weh gethan.<lb/> Denk' ich, wie lieblos einſt mein Herz geeifert,<lb/> Dich von mir wegzuſtoßen — und ſeh' ich gleichwohl<lb/> jetzo dich<lb/> So voll von Huld und Güte vor mir ſtehn,<lb/> Sieh, ſo kommt Wehmuth, Käthchen, über mich,<lb/> Und meine Thränen halt' ich nicht zurück.</p><lb/> <stage>(er weint).</stage> </sp><lb/> <sp who="#KAET"> <speaker> <hi rendition="#g">Käthchen</hi> </speaker> <stage>(ängſtlich).</stage><lb/> <p>Himmel! Was fehlt dir? Was bewegt dich ſo?<lb/> Was haſt du mir gethan? Ich weiß von nichts.</p> </sp><lb/> <sp who="#STAR"> <speaker><hi rendition="#g">Graf vom Strahl</hi>.</speaker><lb/> <p>O Mädchen, wenn die Sonne wieder ſcheint,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [191/0197]
Daß ich mit Liebe dir, unſäglich, ewig,
Durch alle meine Sinne zugethan.
Der Hirſch, der von der Mittagsglut gequält,
Den Grund zerwühlt, mit ſpitzigem Geweih,
Er ſehnt ſich ſo begierig nicht,
Vom Felſen in den Waldſtrom ſich zu ſtürzen,
Den reißenden, als ich, jetzt, da du mein biſt,
In alle deine jungen Reize mich.
Käthchen (ſchamroth).
Jeſus! Was ſprichſt du? Ich verſteh' dich nicht.
Graf vom Strahl.
Vergieb mir, wenn mein Wort dich oft gekränkt,
Beleidigt; meine roh mishandelnde
Gebährde dir zuweilen weh gethan.
Denk' ich, wie lieblos einſt mein Herz geeifert,
Dich von mir wegzuſtoßen — und ſeh' ich gleichwohl
jetzo dich
So voll von Huld und Güte vor mir ſtehn,
Sieh, ſo kommt Wehmuth, Käthchen, über mich,
Und meine Thränen halt' ich nicht zurück.
(er weint).
Käthchen (ängſtlich).
Himmel! Was fehlt dir? Was bewegt dich ſo?
Was haſt du mir gethan? Ich weiß von nichts.
Graf vom Strahl.
O Mädchen, wenn die Sonne wieder ſcheint,
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Zitationshilfe: | Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_kaethchen_1810/197>, abgerufen am 03.07.2024. |