Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite
oder wo sonst des Menschen Fuß selten erscheint, um-
herwandeln und mit den Irrlichtern Verkehr treiben.
Ich fand ihn nicht auf den Spitzen der Gebirge, den
Zauberstab in der Hand, das unsichtbare Reich der
Luft abmessen, oder in unterirdischen Höhlen, die
kein Strahl erhellt, Beschwörungsformeln aus dem
Staub heraufmurmeln. Ich sah den Satan und die
Schaaren, deren Verbrüderten ich ihn nannte, mit
Hörnern, Schwänzen und Klauen, wie sie zu Heil-
bronn, über dem Altar abgebildet sind, an seiner
Seite nicht. Wenn ihr mich gleichwohl reden lassen
wollt, so denke ich es durch eine schlichte Erzählung
dessen, was sich zugetragen, dahin zu bringen, daß
ihr aufbrecht, und ruft: unsrer sind dreizehn und der
vierzehnte ist der Teufel! zu den Thüren rennt und
den Wald, der diese Höhle umgiebt, auf dreihundert
Schritte im Umkreis, mit euren Taftmänteln und
Federhüthen besäet.
Graf Otto.
Nun, du alter, wilder Kläger! so rede!
Theobald.
Zuvörderst müßt ihr wissen, ihr Herren, daß mein
Käthchen Ostern, die nun verflossen, funfzehn Jahre
alt war; gesund an Leib und Seele, wie die ersten
Menschen, die gebohren worden sein mögen; ein
Kind recht nach der Lust Gottes, das heraufging aus
oder wo ſonſt des Menſchen Fuß ſelten erſcheint, um-
herwandeln und mit den Irrlichtern Verkehr treiben.
Ich fand ihn nicht auf den Spitzen der Gebirge, den
Zauberſtab in der Hand, das unſichtbare Reich der
Luft abmeſſen, oder in unterirdiſchen Höhlen, die
kein Strahl erhellt, Beſchwörungsformeln aus dem
Staub heraufmurmeln. Ich ſah den Satan und die
Schaaren, deren Verbrüderten ich ihn nannte, mit
Hörnern, Schwänzen und Klauen, wie ſie zu Heil-
bronn, über dem Altar abgebildet ſind, an ſeiner
Seite nicht. Wenn ihr mich gleichwohl reden laſſen
wollt, ſo denke ich es durch eine ſchlichte Erzählung
deſſen, was ſich zugetragen, dahin zu bringen, daß
ihr aufbrecht, und ruft: unſrer ſind dreizehn und der
vierzehnte iſt der Teufel! zu den Thüren rennt und
den Wald, der dieſe Höhle umgiebt, auf dreihundert
Schritte im Umkreis, mit euren Taftmänteln und
Federhüthen beſäet.
Graf Otto.
Nun, du alter, wilder Kläger! ſo rede!
Theobald.
Zuvörderſt müßt ihr wiſſen, ihr Herren, daß mein
Käthchen Oſtern, die nun verfloſſen, funfzehn Jahre
alt war; geſund an Leib und Seele, wie die erſten
Menſchen, die gebohren worden ſein mögen; ein
Kind recht nach der Luſt Gottes, das heraufging aus
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#THE">
            <p><pb facs="#f0014" n="8"/>
oder wo &#x017F;on&#x017F;t des Men&#x017F;chen Fuß &#x017F;elten er&#x017F;cheint, um-<lb/>
herwandeln und mit den Irrlichtern Verkehr treiben.<lb/>
Ich fand ihn nicht auf den Spitzen der Gebirge, den<lb/>
Zauber&#x017F;tab in der Hand, das un&#x017F;ichtbare Reich der<lb/>
Luft abme&#x017F;&#x017F;en, oder in unterirdi&#x017F;chen Höhlen, die<lb/>
kein Strahl erhellt, Be&#x017F;chwörungsformeln aus dem<lb/>
Staub heraufmurmeln. Ich &#x017F;ah den Satan und die<lb/>
Schaaren, deren Verbrüderten ich ihn nannte, mit<lb/>
Hörnern, Schwänzen und Klauen, wie &#x017F;ie zu Heil-<lb/>
bronn, über dem Altar abgebildet &#x017F;ind, an &#x017F;einer<lb/>
Seite nicht. Wenn ihr mich gleichwohl reden la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wollt, &#x017F;o denke ich es durch eine &#x017F;chlichte Erzählung<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en, was &#x017F;ich zugetragen, dahin zu bringen, daß<lb/>
ihr aufbrecht, und ruft: un&#x017F;rer &#x017F;ind dreizehn und der<lb/>
vierzehnte i&#x017F;t der Teufel! zu den Thüren rennt und<lb/>
den Wald, der die&#x017F;e Höhle umgiebt, auf dreihundert<lb/>
Schritte im Umkreis, mit euren Taftmänteln und<lb/>
Federhüthen be&#x017F;äet.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#OTTO">
            <speaker><hi rendition="#g">Graf Otto</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Nun, du alter, wilder Kläger! &#x017F;o rede!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#THE">
            <speaker><hi rendition="#g">Theobald</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Zuvörder&#x017F;t müßt ihr wi&#x017F;&#x017F;en, ihr Herren, daß mein<lb/>
Käthchen O&#x017F;tern, die nun verflo&#x017F;&#x017F;en, funfzehn Jahre<lb/>
alt war; ge&#x017F;und an Leib und Seele, wie die er&#x017F;ten<lb/>
Men&#x017F;chen, die gebohren worden &#x017F;ein mögen; ein<lb/>
Kind recht nach der Lu&#x017F;t Gottes, das heraufging aus<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0014] oder wo ſonſt des Menſchen Fuß ſelten erſcheint, um- herwandeln und mit den Irrlichtern Verkehr treiben. Ich fand ihn nicht auf den Spitzen der Gebirge, den Zauberſtab in der Hand, das unſichtbare Reich der Luft abmeſſen, oder in unterirdiſchen Höhlen, die kein Strahl erhellt, Beſchwörungsformeln aus dem Staub heraufmurmeln. Ich ſah den Satan und die Schaaren, deren Verbrüderten ich ihn nannte, mit Hörnern, Schwänzen und Klauen, wie ſie zu Heil- bronn, über dem Altar abgebildet ſind, an ſeiner Seite nicht. Wenn ihr mich gleichwohl reden laſſen wollt, ſo denke ich es durch eine ſchlichte Erzählung deſſen, was ſich zugetragen, dahin zu bringen, daß ihr aufbrecht, und ruft: unſrer ſind dreizehn und der vierzehnte iſt der Teufel! zu den Thüren rennt und den Wald, der dieſe Höhle umgiebt, auf dreihundert Schritte im Umkreis, mit euren Taftmänteln und Federhüthen beſäet. Graf Otto. Nun, du alter, wilder Kläger! ſo rede! Theobald. Zuvörderſt müßt ihr wiſſen, ihr Herren, daß mein Käthchen Oſtern, die nun verfloſſen, funfzehn Jahre alt war; geſund an Leib und Seele, wie die erſten Menſchen, die gebohren worden ſein mögen; ein Kind recht nach der Luſt Gottes, das heraufging aus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_kaethchen_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_kaethchen_1810/14
Zitationshilfe: Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_kaethchen_1810/14>, abgerufen am 18.12.2024.