Kleist, Heinrich von: Amphitryon. Dresden, 1807. Alkmene. Ihr Himmlischen, schützt mich vor Wahn! Jupiter. Ist's nicht sein Nam. Und war's nicht gestern meiner? Ist hier nicht Wunder Alles, was sich zeigt? Hielt ich nicht heut dies Diadem noch in Versiegeltem Behältniß eingeschlossen? Und da ich's öffne, dir den Schmuck zu reichen, Find' ich die leere Spur nicht in der Wolle? Seh' ich's nicht glänzend an der Brust dir schon? Alkmene. So soll's die Seele denken? Jupiter? Der Götter ew'ger, und der Menschen, Vater? Jupiter. Wer könnte dir die augenblickliche Goldwaage der Empfindung so betrügen? Wer so die Seele dir, die weibliche, Die so vielgliedrig fühlend um sich greift, So wie das Glockenspiel der Brust umgehn, Das von dem Athem lispelnd schon erklingt? Alkmene. Ihr Himmliſchen, ſchuͤtzt mich vor Wahn! Jupiter. Iſt’s nicht ſein Nam. Und war’s nicht geſtern meiner? Iſt hier nicht Wunder Alles, was ſich zeigt? Hielt ich nicht heut dies Diadem noch in Verſiegeltem Behaͤltniß eingeſchloſſen? Und da ich’s oͤffne, dir den Schmuck zu reichen, Find’ ich die leere Spur nicht in der Wolle? Seh’ ich’s nicht glaͤnzend an der Bruſt dir ſchon? Alkmene. So ſoll’s die Seele denken? Jupiter? Der Goͤtter ew’ger, und der Menſchen, Vater? Jupiter. Wer koͤnnte dir die augenblickliche Goldwaage der Empfindung ſo betruͤgen? Wer ſo die Seele dir, die weibliche, Die ſo vielgliedrig fuͤhlend um ſich greift, So wie das Glockenſpiel der Bruſt umgehn, Das von dem Athem lispelnd ſchon erklingt? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0121" n="105"/> <sp who="#ALK"> <speaker><hi rendition="#g">Alkmene</hi>.</speaker><lb/> <p>Ihr Himmliſchen, ſchuͤtzt mich vor Wahn!</p> </sp><lb/> <sp who="#JUP"> <speaker><hi rendition="#g">Jupiter</hi>.</speaker><lb/> <p>Iſt’s nicht ſein Nam. Und war’s nicht geſtern<lb/> meiner?<lb/> Iſt hier nicht Wunder Alles, was ſich zeigt?<lb/> Hielt ich nicht heut dies Diadem noch in<lb/> Verſiegeltem Behaͤltniß eingeſchloſſen?<lb/> Und da ich’s oͤffne, dir den Schmuck zu reichen,<lb/> Find’ ich die leere Spur nicht in der Wolle?<lb/> Seh’ ich’s nicht glaͤnzend an der Bruſt dir ſchon?</p> </sp><lb/> <sp who="#ALK"> <speaker><hi rendition="#g">Alkmene</hi>.</speaker><lb/> <p>So ſoll’s die Seele denken? Jupiter?<lb/> Der Goͤtter ew’ger, und der Menſchen, Vater?</p> </sp><lb/> <sp who="#JUP"> <speaker><hi rendition="#g">Jupiter</hi>.</speaker><lb/> <p>Wer koͤnnte dir die augenblickliche<lb/> Goldwaage der Empfindung ſo betruͤgen?<lb/> Wer ſo die Seele dir, die weibliche,<lb/> Die ſo vielgliedrig fuͤhlend um ſich greift,<lb/> So wie das Glockenſpiel der Bruſt umgehn,<lb/> Das von dem Athem lispelnd ſchon erklingt?</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [105/0121]
Alkmene.
Ihr Himmliſchen, ſchuͤtzt mich vor Wahn!
Jupiter.
Iſt’s nicht ſein Nam. Und war’s nicht geſtern
meiner?
Iſt hier nicht Wunder Alles, was ſich zeigt?
Hielt ich nicht heut dies Diadem noch in
Verſiegeltem Behaͤltniß eingeſchloſſen?
Und da ich’s oͤffne, dir den Schmuck zu reichen,
Find’ ich die leere Spur nicht in der Wolle?
Seh’ ich’s nicht glaͤnzend an der Bruſt dir ſchon?
Alkmene.
So ſoll’s die Seele denken? Jupiter?
Der Goͤtter ew’ger, und der Menſchen, Vater?
Jupiter.
Wer koͤnnte dir die augenblickliche
Goldwaage der Empfindung ſo betruͤgen?
Wer ſo die Seele dir, die weibliche,
Die ſo vielgliedrig fuͤhlend um ſich greift,
So wie das Glockenſpiel der Bruſt umgehn,
Das von dem Athem lispelnd ſchon erklingt?
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Zitationshilfe: | Kleist, Heinrich von: Amphitryon. Dresden, 1807, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_amphytrion_1807/121>, abgerufen am 16.07.2024. |