Kleist, Heinrich von: Amphitryon. Dresden, 1807. Alkmene. Wie meiner reinen Seele! Meiner Unschuld! Du müßtest denn die Regung mir misdeuten, Daß ich ihn schöner niemals fand, als heut. Ich hätte für sein Bild ihn halten können, Für sein Gemählde, sieh, von Künstlershand, Dem Leben treu, in's Göttliche verzeichnet. Er stand, ich weiß nicht, vor mir, wie im Traum, Und ein unsägliches Gefühl ergriff Mich meines Glücks, wie ich es nie empfunden, Als er mir strahlend, wie in Glorie, gestern Der hohe Sieger von Pharissa nahte. Er war's, Amphitryon, der Göttersohn! Nur schien er selber Einer schon mir der Verherrlichten, ich hätt' ihn fragen mögen, Ob er mir aus den Sternen niederstiege. Charis. Einbildung, Fürstin, das Gesicht der Liebe. Alkmene. Ach, und der doppeldeut'ge Scherz, o Charis Der immer wiederkehrend zwischen ihm Alkmene. Wie meiner reinen Seele! Meiner Unſchuld! Du muͤßteſt denn die Regung mir misdeuten, Daß ich ihn ſchoͤner niemals fand, als heut. Ich haͤtte fuͤr ſein Bild ihn halten koͤnnen, Fuͤr ſein Gemaͤhlde, ſieh, von Kuͤnſtlershand, Dem Leben treu, in’s Goͤttliche verzeichnet. Er ſtand, ich weiß nicht, vor mir, wie im Traum, Und ein unſaͤgliches Gefuͤhl ergriff Mich meines Gluͤcks, wie ich es nie empfunden, Als er mir ſtrahlend, wie in Glorie, geſtern Der hohe Sieger von Phariſſa nahte. Er war’s, Amphitryon, der Goͤtterſohn! Nur ſchien er ſelber Einer ſchon mir der Verherrlichten, ich haͤtt’ ihn fragen moͤgen, Ob er mir aus den Sternen niederſtiege. Charis. Einbildung, Fuͤrſtin, das Geſicht der Liebe. Alkmene. Ach, und der doppeldeut’ge Scherz, o Charis Der immer wiederkehrend zwiſchen ihm <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0107" n="91"/> <sp who="#ALK"> <speaker><hi rendition="#g">Alkmene</hi>.</speaker><lb/> <p>Wie meiner reinen Seele! Meiner Unſchuld!<lb/> Du muͤßteſt denn die Regung mir misdeuten,<lb/> Daß ich ihn ſchoͤner niemals fand, als heut.<lb/> Ich haͤtte fuͤr ſein Bild ihn halten koͤnnen,<lb/> Fuͤr ſein Gemaͤhlde, ſieh, von Kuͤnſtlershand,<lb/> Dem Leben treu, in’s Goͤttliche verzeichnet.<lb/> Er ſtand, ich weiß nicht, vor mir, wie im Traum,<lb/> Und ein unſaͤgliches Gefuͤhl ergriff<lb/> Mich meines Gluͤcks, wie ich es nie empfunden,<lb/> Als er mir ſtrahlend, wie in Glorie, geſtern<lb/> Der hohe Sieger von Phariſſa nahte.<lb/> Er war’s, Amphitryon, der Goͤtterſohn!<lb/> Nur ſchien er ſelber Einer ſchon mir der<lb/> Verherrlichten, ich haͤtt’ ihn fragen moͤgen,<lb/> Ob er mir aus den Sternen niederſtiege.</p> </sp><lb/> <sp who="#CHA"> <speaker><hi rendition="#g">Charis</hi>.</speaker><lb/> <p>Einbildung, Fuͤrſtin, das Geſicht der Liebe.</p> </sp><lb/> <sp who="#ALK"> <speaker><hi rendition="#g">Alkmene</hi>.</speaker><lb/> <p>Ach, und der doppeldeut’ge Scherz, o Charis<lb/> Der immer wiederkehrend zwiſchen ihm<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [91/0107]
Alkmene.
Wie meiner reinen Seele! Meiner Unſchuld!
Du muͤßteſt denn die Regung mir misdeuten,
Daß ich ihn ſchoͤner niemals fand, als heut.
Ich haͤtte fuͤr ſein Bild ihn halten koͤnnen,
Fuͤr ſein Gemaͤhlde, ſieh, von Kuͤnſtlershand,
Dem Leben treu, in’s Goͤttliche verzeichnet.
Er ſtand, ich weiß nicht, vor mir, wie im Traum,
Und ein unſaͤgliches Gefuͤhl ergriff
Mich meines Gluͤcks, wie ich es nie empfunden,
Als er mir ſtrahlend, wie in Glorie, geſtern
Der hohe Sieger von Phariſſa nahte.
Er war’s, Amphitryon, der Goͤtterſohn!
Nur ſchien er ſelber Einer ſchon mir der
Verherrlichten, ich haͤtt’ ihn fragen moͤgen,
Ob er mir aus den Sternen niederſtiege.
Charis.
Einbildung, Fuͤrſtin, das Geſicht der Liebe.
Alkmene.
Ach, und der doppeldeut’ge Scherz, o Charis
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Zitationshilfe: | Kleist, Heinrich von: Amphitryon. Dresden, 1807, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_amphytrion_1807/107>, abgerufen am 16.07.2024. |