Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

pkl_180.001
Rührenden oder Ernsten auszeichnende Abart der Komödie. pkl_180.002
Jetzt steht es zwischen der Tragödie und der Komödie pkl_180.003
so ziemlich in der Mitte. Jm Allgemeinen bezeichnet pkl_180.004
man nämlich mit dem Namen Schauspiel alle pkl_180.005
die Dramen, welche weder einen tragischen, pkl_180.006
noch einen durchaus komischen Charakter haben, pkl_180.007
bei denen vielmehr der Ernst als die pkl_180.008
wesentlichste Eigenthümlichkeit heraustritt.
pkl_180.009
Sodann nennt man insbesondere die dramatischen pkl_180.010
Dichtungen so, bei welchen die Verwickelung der pkl_180.011
Handlung eine glückliche Lösung gewinnt und pkl_180.012
zwar entweder dadurch, daß der Held, unbeschadet pkl_180.013
seiner poetischen Jnteressen, zeitig genug den zum pkl_180.014
Unglück führenden Weg verläßt,
oder dadurch, pkl_180.015
daß er über die, seinen Zwecken feindlichen pkl_180.016
Verhältnisse siegt.
Jm letztern Falle wird der pkl_180.017
Widerstand, den der Held findet, entweder nur ein zufälliger, pkl_180.018
oder der des offenbaren Unrechts sein. -- Die pkl_180.019
beabsichtigte glückliche Lösung der Verwickelung darf pkl_180.020
der Dichter nicht durch einen sogenannten deus ex pkl_180.021
machina
bewerkstelligen. Dies geschieht aber, wenn pkl_180.022
der Knoten von außen her, von fremder Hand oder pkl_180.023
auf eine, nicht im Verlauf der Handlung begründete pkl_180.024
Weise gelöst werden soll.

pkl_180.025

§. 241. Es liegt im Charakter des Schauspiels, pkl_180.026
daß es eine einfachere Verwickelung habe, als das Lustspiel. pkl_180.027
Jn Rücksicht der Form unterliegt es keinen besondern pkl_180.028
Bestimmungen; überhaupt aber leiden, wie pkl_180.029
natürlich, alle den dramatischen Dichtungen im Allgemeinen pkl_180.030
geltenden Vorschriften auch auf das Schauspiel pkl_180.031
ihre spezielle Anwendung.

pkl_180.001
Rührenden oder Ernsten auszeichnende Abart der Komödie. pkl_180.002
Jetzt steht es zwischen der Tragödie und der Komödie pkl_180.003
so ziemlich in der Mitte. Jm Allgemeinen bezeichnet pkl_180.004
man nämlich mit dem Namen Schauspiel alle pkl_180.005
die Dramen, welche weder einen tragischen, pkl_180.006
noch einen durchaus komischen Charakter haben, pkl_180.007
bei denen vielmehr der Ernst als die pkl_180.008
wesentlichste Eigenthümlichkeit heraustritt.
pkl_180.009
Sodann nennt man insbesondere die dramatischen pkl_180.010
Dichtungen so, bei welchen die Verwickelung der pkl_180.011
Handlung eine glückliche Lösung gewinnt und pkl_180.012
zwar entweder dadurch, daß der Held, unbeschadet pkl_180.013
seiner poetischen Jnteressen, zeitig genug den zum pkl_180.014
Unglück führenden Weg verläßt,
oder dadurch, pkl_180.015
daß er über die, seinen Zwecken feindlichen pkl_180.016
Verhältnisse siegt.
Jm letztern Falle wird der pkl_180.017
Widerstand, den der Held findet, entweder nur ein zufälliger, pkl_180.018
oder der des offenbaren Unrechts sein. — Die pkl_180.019
beabsichtigte glückliche Lösung der Verwickelung darf pkl_180.020
der Dichter nicht durch einen sogenannten deus ex pkl_180.021
machina
bewerkstelligen. Dies geschieht aber, wenn pkl_180.022
der Knoten von außen her, von fremder Hand oder pkl_180.023
auf eine, nicht im Verlauf der Handlung begründete pkl_180.024
Weise gelöst werden soll.

pkl_180.025

§. 241. Es liegt im Charakter des Schauspiels, pkl_180.026
daß es eine einfachere Verwickelung habe, als das Lustspiel. pkl_180.027
Jn Rücksicht der Form unterliegt es keinen besondern pkl_180.028
Bestimmungen; überhaupt aber leiden, wie pkl_180.029
natürlich, alle den dramatischen Dichtungen im Allgemeinen pkl_180.030
geltenden Vorschriften auch auf das Schauspiel pkl_180.031
ihre spezielle Anwendung.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0206" n="180"/><lb n="pkl_180.001"/>
Rührenden oder Ernsten auszeichnende Abart der Komödie. <lb n="pkl_180.002"/>
Jetzt steht es zwischen der Tragödie und der Komödie <lb n="pkl_180.003"/>
so ziemlich in der Mitte. <hi rendition="#g">Jm Allgemeinen bezeichnet</hi> <lb n="pkl_180.004"/>
man nämlich mit dem Namen <hi rendition="#g">Schauspiel alle <lb n="pkl_180.005"/>
die Dramen, welche weder einen tragischen, <lb n="pkl_180.006"/>
noch einen durchaus komischen Charakter haben, <lb n="pkl_180.007"/>
bei denen vielmehr der Ernst als die <lb n="pkl_180.008"/>
wesentlichste Eigenthümlichkeit heraustritt.</hi> <lb n="pkl_180.009"/>
Sodann nennt man insbesondere <hi rendition="#g">die</hi> dramatischen <lb n="pkl_180.010"/>
Dichtungen so, bei welchen die <hi rendition="#g">Verwickelung</hi> der <lb n="pkl_180.011"/>
Handlung eine <hi rendition="#g">glückliche Lösung gewinnt</hi> und <lb n="pkl_180.012"/>
zwar entweder dadurch, daß der <hi rendition="#g">Held,</hi> unbeschadet <lb n="pkl_180.013"/>
seiner poetischen Jnteressen, zeitig genug <hi rendition="#g">den zum <lb n="pkl_180.014"/>
Unglück führenden Weg verläßt,</hi> oder dadurch, <lb n="pkl_180.015"/>
daß <hi rendition="#g">er über die, seinen Zwecken feindlichen <lb n="pkl_180.016"/>
Verhältnisse siegt.</hi> Jm letztern Falle wird der <lb n="pkl_180.017"/>
Widerstand, den der Held findet, entweder nur ein zufälliger, <lb n="pkl_180.018"/>
oder der des offenbaren Unrechts sein. &#x2014; Die <lb n="pkl_180.019"/>
beabsichtigte glückliche Lösung der Verwickelung darf <lb n="pkl_180.020"/>
der Dichter nicht durch einen sogenannten <hi rendition="#aq">deus ex <lb n="pkl_180.021"/>
machina</hi> bewerkstelligen. Dies geschieht aber, wenn <lb n="pkl_180.022"/>
der Knoten von außen her, von fremder Hand oder <lb n="pkl_180.023"/>
auf eine, nicht im Verlauf der Handlung begründete <lb n="pkl_180.024"/>
Weise gelöst werden soll.</p>
              <lb n="pkl_180.025"/>
              <p>  §. 241. Es liegt im Charakter des Schauspiels, <lb n="pkl_180.026"/>
daß es eine einfachere Verwickelung habe, als das Lustspiel. <lb n="pkl_180.027"/>
Jn Rücksicht der <hi rendition="#g">Form</hi> unterliegt es keinen besondern <lb n="pkl_180.028"/>
Bestimmungen; überhaupt aber leiden, wie <lb n="pkl_180.029"/>
natürlich, alle den dramatischen Dichtungen im Allgemeinen <lb n="pkl_180.030"/>
geltenden Vorschriften auch auf das Schauspiel <lb n="pkl_180.031"/>
ihre spezielle Anwendung.</p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0206] pkl_180.001 Rührenden oder Ernsten auszeichnende Abart der Komödie. pkl_180.002 Jetzt steht es zwischen der Tragödie und der Komödie pkl_180.003 so ziemlich in der Mitte. Jm Allgemeinen bezeichnet pkl_180.004 man nämlich mit dem Namen Schauspiel alle pkl_180.005 die Dramen, welche weder einen tragischen, pkl_180.006 noch einen durchaus komischen Charakter haben, pkl_180.007 bei denen vielmehr der Ernst als die pkl_180.008 wesentlichste Eigenthümlichkeit heraustritt. pkl_180.009 Sodann nennt man insbesondere die dramatischen pkl_180.010 Dichtungen so, bei welchen die Verwickelung der pkl_180.011 Handlung eine glückliche Lösung gewinnt und pkl_180.012 zwar entweder dadurch, daß der Held, unbeschadet pkl_180.013 seiner poetischen Jnteressen, zeitig genug den zum pkl_180.014 Unglück führenden Weg verläßt, oder dadurch, pkl_180.015 daß er über die, seinen Zwecken feindlichen pkl_180.016 Verhältnisse siegt. Jm letztern Falle wird der pkl_180.017 Widerstand, den der Held findet, entweder nur ein zufälliger, pkl_180.018 oder der des offenbaren Unrechts sein. — Die pkl_180.019 beabsichtigte glückliche Lösung der Verwickelung darf pkl_180.020 der Dichter nicht durch einen sogenannten deus ex pkl_180.021 machina bewerkstelligen. Dies geschieht aber, wenn pkl_180.022 der Knoten von außen her, von fremder Hand oder pkl_180.023 auf eine, nicht im Verlauf der Handlung begründete pkl_180.024 Weise gelöst werden soll. pkl_180.025 §. 241. Es liegt im Charakter des Schauspiels, pkl_180.026 daß es eine einfachere Verwickelung habe, als das Lustspiel. pkl_180.027 Jn Rücksicht der Form unterliegt es keinen besondern pkl_180.028 Bestimmungen; überhaupt aber leiden, wie pkl_180.029 natürlich, alle den dramatischen Dichtungen im Allgemeinen pkl_180.030 geltenden Vorschriften auch auf das Schauspiel pkl_180.031 ihre spezielle Anwendung.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/206
Zitationshilfe: Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/206>, abgerufen am 18.12.2024.