pkl_123.001 Produkte der Kunst, welche eine abstrakte Vorstellung, pkl_123.002 eine Jdee versinnlichen, verkörpern sollen. Als Erzeugniß pkl_123.003 der Poesie insbesondere bezeichnet Allegorie pkl_123.004 ein Gedicht, das einen übersinnlichen pkl_123.005 Gegenstand unter einem ihm vollkommen pkl_123.006 entsprechenden Bilde, das entweder ein einfaches, pkl_123.007 oder ein, aus mehreren einzelnen Bildern zusammengesetztes pkl_123.008 sein kann, schildert, versinnlicht.
pkl_123.009
§. 181. Die Versinnlichung ist entweder eine unmittelbarepkl_123.010 oder eine mittelbare. Eine unmittelbarepkl_123.011 Versinnlichung findet statt, wenn der Dichter pkl_123.012 den übersinnlichen Gegenstand als ein sinnliches Wesen pkl_123.013 erscheinen läßt, wenn er ihn verkörpert, personificirt. pkl_123.014 (Personificirende Allegorie.) Mittelbarpkl_123.015 nennen wir die Versinnlichung, wenn Gegenstände pkl_123.016 der Wirklichkeit als Träger oder Sinnbilder der darzustellenden pkl_123.017 Jdee vorgeführt werden und zwar entweder pkl_123.018 dadurch, daß die menschliche Empfindungs-, Denk- pkl_123.019 und Thatkraft auf Naturgegenstände übergetragen wird pkl_123.020 (anthropomorphische Allegorie); oder dadurch, pkl_123.021 daß man an die Stelle des Hauptbildes ein Gegenbild pkl_123.022 setzt, welches das erstere versinnlicht (metaphorische pkl_123.023 Allegorie). [Annotation]
Textebene Poetikentext, Explikationsebene theoretisch; Explikation Metapher als Ersetzung; quantitative Unterscheidung prosaischer und poetischer Metaphern; Abgrenzung nn Allegorie als Oberkategorie der metaphorischen Allegorie (-Metapher, in diesem Fall) (Begriffsabgrenzung); (metaphorische) Allegorie wird als genuines Mittel der Poesie verstanden (siehe Kontext)
pkl_123.024
Die personificirende Allegorie hat -- mit wenigen pkl_123.025 Ausnahmen -- nur dann Werth, wenn die Verkörperung pkl_123.026 eine bereits allgemein angenommene, durch vielfachen pkl_123.027 Gebrauch anschaulich gewordene ist. Sobald die pkl_123.028 Personifikation nur ein neues Gebilde der dichterischen pkl_123.029 Phantasie ist, geräth die Allegorie in Gefahr, aus der pkl_123.030 Abstraktion in die Abstraktion zu führen, statt dieselbe pkl_123.031 sinnlich-faßlich zu machen.
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Textebene Poetikentext, Explikationsebene theoretisch; Explikation Metapher als Ersetzung; quantitative Unterscheidung prosaischer und poetischer Metaphern; Abgrenzung nn Allegorie als Oberkategorie der metaphorischen Allegorie (-Metapher, in diesem Fall) (Begriffsabgrenzung); (metaphorische) Allegorie wird als genuines Mittel der Poesie verstanden (siehe Kontext)
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Die personificirende Allegorie hat — mit wenigen pkl_123.025 Ausnahmen — nur dann Werth, wenn die Verkörperung pkl_123.026 eine bereits allgemein angenommene, durch vielfachen pkl_123.027 Gebrauch anschaulich gewordene ist. Sobald die pkl_123.028 Personifikation nur ein neues Gebilde der dichterischen pkl_123.029 Phantasie ist, geräth die Allegorie in Gefahr, aus der pkl_123.030 Abstraktion in die Abstraktion zu führen, statt dieselbe pkl_123.031 sinnlich-faßlich zu machen.
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Produkte der Kunst, welche eine abstrakte Vorstellung, pkl_123.002
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pkl_123.009
§. 181. Die Versinnlichung ist entweder eine unmittelbare pkl_123.010
oder eine mittelbare. Eine unmittelbare pkl_123.011
Versinnlichung findet statt, wenn der Dichter pkl_123.012
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pkl_123.024
Die personificirende Allegorie hat — mit wenigen pkl_123.025
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Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/149>, abgerufen am 16.02.2025.
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