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Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.

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während es sonst zu einer, höchstens schön klingenden, pkl_115.002
aber trocknen, kalten Moralpredigt oder nüchternen pkl_115.003
Auseinandersetzung herabsinkt.

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§. 169. Zu den Lehrgedichten zählen wir auch pkl_115.005
diejenigen Gedichte, die beschreibend oder schildernd pkl_115.006
einen äußern, sinnlich wahrnehmbaren Gegenstand pkl_115.007
so behandeln, daß sie nicht sowohl, wie die §. 130 pkl_115.008
angeführten Naturlieder als lyrischer Erguß, sondern pkl_115.009
vielmehr als ein, Belehrung bezweckendes pkl_115.010
poetisches Gemälde
erscheinen und deshalb wohl pkl_115.011
beschreibende Gedichte genannt werden. Von pkl_115.012
diesen müssen wir vor allem fordern, daß Gegenstand pkl_115.013
und Beschreibung geeignet seien, die Phantasie pkl_115.014
anzuregen; denn nur dadurch vermögen sie pkl_115.015
sich in der Region der Poesie zu erhalten, aus pkl_115.016
der sie andernfalls unfehlbar in das Reich der Prosa pkl_115.017
hinabsinken.

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Für die Lehrgedichte sind mancherlei Formen gebraucht pkl_115.019
worden; doch hat man sich vorzugsweise des pkl_115.020
Alexandriners oder längerer jambischer Verse bedient; pkl_115.021
strophische Abtheilung derselben ist jedoch dabei nicht pkl_115.022
beliebt worden.

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§. 170. Das Lehrgedicht, dem früher oft ganze pkl_115.024
Zeitalter ausschließlich huldigten, ist in neuerer Zeit pkl_115.025
verhältnißmäßig wenig angebaut worden. Jndem wir pkl_115.026
in Rücksicht der ältern Produkte dieser Gattung unsere pkl_115.027
Leser auf die Literaturgeschichte verweisen, führen wir pkl_115.028
nur die bedeutendsten derjenigen Dichter auf, die seit pkl_115.029
Haller sich im Lehrgedicht versucht haben. Dahin gehören: pkl_115.030
Haller, Uz, Gleim, Bodmer, Lichtwer,

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während es sonst zu einer, höchstens schön klingenden, pkl_115.002
aber trocknen, kalten Moralpredigt oder nüchternen pkl_115.003
Auseinandersetzung herabsinkt.

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diejenigen Gedichte, die beschreibend oder schildernd pkl_115.006
einen äußern, sinnlich wahrnehmbaren Gegenstand pkl_115.007
so behandeln, daß sie nicht sowohl, wie die §. 130 pkl_115.008
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poetisches Gemälde
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und Beschreibung geeignet seien, die Phantasie pkl_115.014
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sich in der Region der Poesie zu erhalten, aus pkl_115.016
der sie andernfalls unfehlbar in das Reich der Prosa pkl_115.017
hinabsinken.

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Für die Lehrgedichte sind mancherlei Formen gebraucht pkl_115.019
worden; doch hat man sich vorzugsweise des pkl_115.020
Alexandriners oder längerer jambischer Verse bedient; pkl_115.021
strophische Abtheilung derselben ist jedoch dabei nicht pkl_115.022
beliebt worden.

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§. 170. Das Lehrgedicht, dem früher oft ganze pkl_115.024
Zeitalter ausschließlich huldigten, ist in neuerer Zeit pkl_115.025
verhältnißmäßig wenig angebaut worden. Jndem wir pkl_115.026
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Leser auf die Literaturgeschichte verweisen, führen wir pkl_115.028
nur die bedeutendsten derjenigen Dichter auf, die seit pkl_115.029
Haller sich im Lehrgedicht versucht haben. Dahin gehören: pkl_115.030
Haller, Uz, Gleim, Bodmer, Lichtwer,

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Zitationshilfe: Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/141>, abgerufen am 07.05.2024.