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Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.

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geißeln, wenn sie dafür auf Veranlassung derselben pkl_112.002
"Größen" zwar nicht wieder mit Dichterwaffen gezüchtigt, pkl_112.003
aber mit Skorpionen gepeitscht werden. Diese pkl_112.004
Umstände haben denn die Folge gehabt, daß bei uns, pkl_112.005
statt des ehrlichen literarischen Kampfes, der gehässige pkl_112.006
literarische Meuchelmord dienende Herzen und Hände pkl_112.007
fand. Die verdeckten, verkappten, lichtscheuen Angriffe pkl_112.008
fanden Pflege: was konnten sie anders wirken, wenn pkl_112.009
sie überhaupt wirkten, als Haß, Bitterkeit und Rache? pkl_112.010
Wir brechen ab von diesem unleidigen Thema und pkl_112.011
schließen unsere Bemerkungen mit der Aufführung der pkl_112.012
wichtigsten unserer neuern sogenannten Satyriker. Es pkl_112.013
sind: Liscow, Rabener, Hagedorn, Lichtenberg, pkl_112.014
F. Stollberg, Wieland, Voß, Göthe, Falk, pkl_112.015
Jean Paul Fr. Richter,
A. W. Schlegel, Tieck, pkl_112.016
Hauff, Jmmermann, Börne, Gutzkow, Griesinger
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XII. Die poetische Epistel.
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§. 166. Die poetische Epistel basirt zwar pkl_112.020
ihren Jnhalt auf den individuellen Beziehungen, pkl_112.021
in welchen der Dichter zu der pkl_112.022
Person steht, an welche der Brief
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zunächst) gerichtet ist, doch stellt sie denselben so dar, pkl_112.024
daß die empfangende Person gewissermaaßen pkl_112.025
als Repräsentant der ganzen Menschheit erscheint.
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Sofern die poetische Epistel immer subjektive pkl_112.027
Aeußerung
des Dichters ist, wird sie vorzugsweise pkl_112.028
lyrischer Natur sein; aber sie kann auch -- pkl_112.029
wie jeder gewöhnliche Brief -- epischen oder didaktischen pkl_112.030
Charakter annehmen.

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geißeln, wenn sie dafür auf Veranlassung derselben pkl_112.002
„Größen“ zwar nicht wieder mit Dichterwaffen gezüchtigt, pkl_112.003
aber mit Skorpionen gepeitscht werden. Diese pkl_112.004
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A. W. Schlegel, Tieck, pkl_112.016
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XII. Die poetische Epistel.
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§. 166. Die poetische Epistel basirt zwar pkl_112.020
ihren Jnhalt auf den individuellen Beziehungen, pkl_112.021
in welchen der Dichter zu der pkl_112.022
Person steht, an welche der Brief
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zunächst) gerichtet ist, doch stellt sie denselben so dar, pkl_112.024
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Zitationshilfe: Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/138>, abgerufen am 07.05.2024.