pkl_110.001 und aus seinen Einzelheiten hervorleuchten, daß es dem pkl_110.002 Verfasser lediglich um die Sache, um die Bekämpfung pkl_110.003 oder Strafung der von ihm gerügten Uebel oder Fehler zu pkl_110.004 thun sei; diese jedoch muß er natürlich da angreifen, wo pkl_110.005 sie sich finden, also auch in der betreffenden Person, wenn pkl_110.006 er nicht durch Hiebe in's Blaue hinein sich selbst lächerlich pkl_110.007 machen will. Wo das Gedicht sich aber nur gegen pkl_110.008 die Person richtet, wo es nur auf deren Herabsetzung, pkl_110.009 Entwürdigung ankommt, wo man zu diesem Zweck pkl_110.010 wohl gar der Person unverschuldete Gebrechen vorwirft pkl_110.011 oder ihr Fehler und Vergehungen andichtet -- pkl_110.012 da ist es nicht Satyre, sondern Pasquill und muß pkl_110.013 den poetischen Genuß vergällen. Vermeidet der Dichter pkl_110.014 diese Klippe, so ist jedenfalls der persönlich gemeinten pkl_110.015 Satyre der Vorzug zu geben, da die allgemein gehaltene pkl_110.016 nur zu leicht in eine Windmühlenschlacht a la pkl_110.017 Don Quixote ausläuft -- "der Satyriker ficht mit pkl_110.018 Luftgebilden, wenn er Thorheiten schlagen will und pkl_110.019 seine Hiebe nicht auf die leibhaften Thoren fallen läßt."
pkl_110.020
§. 163. Zur wirksamen Darstellung des Gegenstandes pkl_110.021 ist ferner nöthig, daß der Dichter sich vor entstellenden pkl_110.022 Uebertreibungen hüte, denn sonst wird pkl_110.023 die Satyre zur Carricatur und erregt Ekel und pkl_110.024 Widerwillen. Man muß dem Dichter aus jeder Zeile pkl_110.025 Eifer für Wahrheit und Recht abfühlen: sein Spott pkl_110.026 darf nie in Verleumdung, sein Hohn nie in Schadenfreude pkl_110.027 übergehen. -- Endlich muß der Satyriker vorsichtig pkl_110.028 bei Verwendung des Witzes sein. Derselbe pkl_110.029 muß als natürlich, ungesucht erscheinen; man darf nicht pkl_110.030 jeder Zeile anmerken, daß sie witzig sein soll. Ueberhaupt pkl_110.031 hat sich gerade der Satyriker auch sehr vor gewissen
pkl_110.001 und aus seinen Einzelheiten hervorleuchten, daß es dem pkl_110.002 Verfasser lediglich um die Sache, um die Bekämpfung pkl_110.003 oder Strafung der von ihm gerügten Uebel oder Fehler zu pkl_110.004 thun sei; diese jedoch muß er natürlich da angreifen, wo pkl_110.005 sie sich finden, also auch in der betreffenden Person, wenn pkl_110.006 er nicht durch Hiebe in's Blaue hinein sich selbst lächerlich pkl_110.007 machen will. Wo das Gedicht sich aber nur gegen pkl_110.008 die Person richtet, wo es nur auf deren Herabsetzung, pkl_110.009 Entwürdigung ankommt, wo man zu diesem Zweck pkl_110.010 wohl gar der Person unverschuldete Gebrechen vorwirft pkl_110.011 oder ihr Fehler und Vergehungen andichtet — pkl_110.012 da ist es nicht Satyre, sondern Pasquill und muß pkl_110.013 den poetischen Genuß vergällen. Vermeidet der Dichter pkl_110.014 diese Klippe, so ist jedenfalls der persönlich gemeinten pkl_110.015 Satyre der Vorzug zu geben, da die allgemein gehaltene pkl_110.016 nur zu leicht in eine Windmühlenschlacht à la pkl_110.017 Don Quixote ausläuft — „der Satyriker ficht mit pkl_110.018 Luftgebilden, wenn er Thorheiten schlagen will und pkl_110.019 seine Hiebe nicht auf die leibhaften Thoren fallen läßt.“
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§. 163. Zur wirksamen Darstellung des Gegenstandes pkl_110.021 ist ferner nöthig, daß der Dichter sich vor entstellenden pkl_110.022 Uebertreibungen hüte, denn sonst wird pkl_110.023 die Satyre zur Carricatur und erregt Ekel und pkl_110.024 Widerwillen. Man muß dem Dichter aus jeder Zeile pkl_110.025 Eifer für Wahrheit und Recht abfühlen: sein Spott pkl_110.026 darf nie in Verleumdung, sein Hohn nie in Schadenfreude pkl_110.027 übergehen. — Endlich muß der Satyriker vorsichtig pkl_110.028 bei Verwendung des Witzes sein. Derselbe pkl_110.029 muß als natürlich, ungesucht erscheinen; man darf nicht pkl_110.030 jeder Zeile anmerken, daß sie witzig sein soll. Ueberhaupt pkl_110.031 hat sich gerade der Satyriker auch sehr vor gewissen
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und aus seinen Einzelheiten hervorleuchten, daß es dem pkl_110.002
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oder Strafung der von ihm gerügten Uebel oder Fehler zu pkl_110.004
thun sei; diese jedoch muß er natürlich da angreifen, wo pkl_110.005
sie sich finden, also auch in der betreffenden Person, wenn pkl_110.006
er nicht durch Hiebe in's Blaue hinein sich selbst lächerlich pkl_110.007
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die Person richtet, wo es nur auf deren Herabsetzung, pkl_110.009
Entwürdigung ankommt, wo man zu diesem Zweck pkl_110.010
wohl gar der Person unverschuldete Gebrechen vorwirft pkl_110.011
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da ist es nicht Satyre, sondern Pasquill und muß pkl_110.013
den poetischen Genuß vergällen. Vermeidet der Dichter pkl_110.014
diese Klippe, so ist jedenfalls der persönlich gemeinten pkl_110.015
Satyre der Vorzug zu geben, da die allgemein gehaltene pkl_110.016
nur zu leicht in eine Windmühlenschlacht à la pkl_110.017
Don Quixote ausläuft — „der Satyriker ficht mit pkl_110.018
Luftgebilden, wenn er Thorheiten schlagen will und pkl_110.019
seine Hiebe nicht auf die leibhaften Thoren fallen läßt.“
pkl_110.020
§. 163. Zur wirksamen Darstellung des Gegenstandes pkl_110.021
ist ferner nöthig, daß der Dichter sich vor entstellenden pkl_110.022
Uebertreibungen hüte, denn sonst wird pkl_110.023
die Satyre zur Carricatur und erregt Ekel und pkl_110.024
Widerwillen. Man muß dem Dichter aus jeder Zeile pkl_110.025
Eifer für Wahrheit und Recht abfühlen: sein Spott pkl_110.026
darf nie in Verleumdung, sein Hohn nie in Schadenfreude pkl_110.027
übergehen. — Endlich muß der Satyriker vorsichtig pkl_110.028
bei Verwendung des Witzes sein. Derselbe pkl_110.029
muß als natürlich, ungesucht erscheinen; man darf nicht pkl_110.030
jeder Zeile anmerken, daß sie witzig sein soll. Ueberhaupt pkl_110.031
hat sich gerade der Satyriker auch sehr vor gewissen
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Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/136>, abgerufen am 16.02.2025.
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