Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

pkl_094.001
das Gebiet des Unklaren und Nebelhaften führen. pkl_094.002
Und selbst die größte Ungebundenheit der Darstellung pkl_094.003
muß bei genauerer Betrachtung immer pkl_094.004
eine strenglogische Gedankenkette nachweisen pkl_094.005
lassen.

pkl_094.006

§. 135. Erst seit Haller fand die eigentliche Ode pkl_094.007
Bearbeiter. Was Haller und Cramer in dieser pkl_094.008
Dichtungsart leisteten, wurde bei weitem überflügelt pkl_094.009
durch die Oden Klopstock's, die noch immer als pkl_094.010
Muster dastehen. Nächst Klopstock zeichneten sich aus: pkl_094.011
Ramler, Uz, Herder, Hölty, Fr. Stollberg, pkl_094.012
Voß, Schubart
und Hölderlin. Die Dichter der pkl_094.013
neuesten Zeit haben die Ode, wenigstens in antiken pkl_094.014
Silbenmaaßen, fast gar nicht cultivirt; selbst Platen's pkl_094.015
vorzügliche Leistungen fanden weder großen Anklang, pkl_094.016
noch Nachahmung.

pkl_094.017
III. Die Hymne.
pkl_094.018

§. 136. Das Wort Hymne (wörtlich so viel pkl_094.019
wie: ich webe, in übergetragener Bedeutung: ich pkl_094.020
feiere, ich lobsinge) bezeichnete im Griechischen einen pkl_094.021
Lobgesang, der bei feierlichen Opfern unter Musikbegleitung pkl_094.022
vorgetragen wurde. Bei uns ist die dem pkl_094.023
Worte untergelegte Bedeutung eine sehr schwankende. pkl_094.024
Man giebt nämlich dem der Hymne beiwohnenden Begriff pkl_094.025
des Feierns entweder eine allgemeinere oder pkl_094.026
eine speciellere Beziehung und nennt im erstern pkl_094.027
Falle Hymnen alle die Oden, die zum Preise der pkl_094.028
Gottheit, oder ausgezeichneter Menschen oder auch zur pkl_094.029
Verherrlichung erhabener (doch immer personificirt gedachter!) pkl_094.030
Gegenstände der geistigen oder körperlichen

pkl_094.001
das Gebiet des Unklaren und Nebelhaften führen. pkl_094.002
Und selbst die größte Ungebundenheit der Darstellung pkl_094.003
muß bei genauerer Betrachtung immer pkl_094.004
eine strenglogische Gedankenkette nachweisen pkl_094.005
lassen.

pkl_094.006

§. 135. Erst seit Haller fand die eigentliche Ode pkl_094.007
Bearbeiter. Was Haller und Cramer in dieser pkl_094.008
Dichtungsart leisteten, wurde bei weitem überflügelt pkl_094.009
durch die Oden Klopstock's, die noch immer als pkl_094.010
Muster dastehen. Nächst Klopstock zeichneten sich aus: pkl_094.011
Ramler, Uz, Herder, Hölty, Fr. Stollberg, pkl_094.012
Voß, Schubart
und Hölderlin. Die Dichter der pkl_094.013
neuesten Zeit haben die Ode, wenigstens in antiken pkl_094.014
Silbenmaaßen, fast gar nicht cultivirt; selbst Platen's pkl_094.015
vorzügliche Leistungen fanden weder großen Anklang, pkl_094.016
noch Nachahmung.

pkl_094.017
III. Die Hymne.
pkl_094.018

§. 136. Das Wort Hymne (wörtlich so viel pkl_094.019
wie: ich webe, in übergetragener Bedeutung: ich pkl_094.020
feiere, ich lobsinge) bezeichnete im Griechischen einen pkl_094.021
Lobgesang, der bei feierlichen Opfern unter Musikbegleitung pkl_094.022
vorgetragen wurde. Bei uns ist die dem pkl_094.023
Worte untergelegte Bedeutung eine sehr schwankende. pkl_094.024
Man giebt nämlich dem der Hymne beiwohnenden Begriff pkl_094.025
des Feierns entweder eine allgemeinere oder pkl_094.026
eine speciellere Beziehung und nennt im erstern pkl_094.027
Falle Hymnen alle die Oden, die zum Preise der pkl_094.028
Gottheit, oder ausgezeichneter Menschen oder auch zur pkl_094.029
Verherrlichung erhabener (doch immer personificirt gedachter!) pkl_094.030
Gegenstände der geistigen oder körperlichen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0120" n="94"/><lb n="pkl_094.001"/>
das Gebiet des <hi rendition="#g">Unklaren</hi> und <hi rendition="#g">Nebelhaften</hi> führen. <lb n="pkl_094.002"/>
Und selbst die größte <hi rendition="#g">Ungebundenheit</hi> der <hi rendition="#g">Darstellung</hi> <lb n="pkl_094.003"/>
muß bei <hi rendition="#g">genauerer</hi> Betrachtung immer <lb n="pkl_094.004"/>
eine <hi rendition="#g">strenglogische Gedankenkette</hi> nachweisen <lb n="pkl_094.005"/>
lassen.</p>
              <lb n="pkl_094.006"/>
              <p>  §. 135. Erst seit <hi rendition="#g">Haller</hi> fand die eigentliche Ode <lb n="pkl_094.007"/>
Bearbeiter. Was <hi rendition="#g">Haller</hi> und <hi rendition="#g">Cramer</hi> in dieser <lb n="pkl_094.008"/>
Dichtungsart leisteten, wurde bei weitem überflügelt <lb n="pkl_094.009"/>
durch die Oden <hi rendition="#g">Klopsto</hi>ck's, die noch immer als <lb n="pkl_094.010"/>
Muster dastehen. Nächst <hi rendition="#g">Klopstock</hi> zeichneten sich aus: <lb n="pkl_094.011"/> <hi rendition="#g">Ramler, Uz, Herder, Hölty, Fr. Stollberg, <lb n="pkl_094.012"/>
Voß, Schubart</hi> und <hi rendition="#g">Hölderlin.</hi> Die Dichter der <lb n="pkl_094.013"/>
neuesten Zeit haben die Ode, wenigstens in antiken <lb n="pkl_094.014"/>
Silbenmaaßen, fast gar nicht cultivirt; selbst <hi rendition="#g">Platen's</hi> <lb n="pkl_094.015"/>
vorzügliche Leistungen fanden weder großen Anklang, <lb n="pkl_094.016"/>
noch Nachahmung.</p>
              <lb n="pkl_094.017"/>
            </div>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">III</hi>. <hi rendition="#g">Die Hymne.</hi></hi> </head>
              <lb n="pkl_094.018"/>
              <p>  §. 136. Das Wort <hi rendition="#g">Hymne (wörtlich</hi> so viel <lb n="pkl_094.019"/>
wie: ich <hi rendition="#g">webe,</hi> in <hi rendition="#g">übergetragener</hi> Bedeutung: ich <lb n="pkl_094.020"/> <hi rendition="#g">feiere,</hi> ich <hi rendition="#g">lobsinge</hi>) bezeichnete im Griechischen einen <lb n="pkl_094.021"/> <hi rendition="#g">Lobgesang,</hi> der bei feierlichen Opfern unter Musikbegleitung <lb n="pkl_094.022"/>
vorgetragen wurde. Bei uns ist die dem <lb n="pkl_094.023"/>
Worte untergelegte Bedeutung eine sehr schwankende. <lb n="pkl_094.024"/>
Man giebt nämlich dem der Hymne beiwohnenden Begriff <lb n="pkl_094.025"/>
des <hi rendition="#g">Feierns</hi> entweder eine <hi rendition="#g">allgemeinere</hi> oder <lb n="pkl_094.026"/>
eine <hi rendition="#g">speciellere</hi> Beziehung und nennt im <hi rendition="#g">erstern</hi> <lb n="pkl_094.027"/>
Falle Hymnen alle <hi rendition="#g">die Oden,</hi> die zum Preise der <lb n="pkl_094.028"/>
Gottheit, oder ausgezeichneter Menschen oder auch zur <lb n="pkl_094.029"/>
Verherrlichung erhabener (doch immer personificirt gedachter!) <lb n="pkl_094.030"/>
Gegenstände der geistigen oder körperlichen
</p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0120] pkl_094.001 das Gebiet des Unklaren und Nebelhaften führen. pkl_094.002 Und selbst die größte Ungebundenheit der Darstellung pkl_094.003 muß bei genauerer Betrachtung immer pkl_094.004 eine strenglogische Gedankenkette nachweisen pkl_094.005 lassen. pkl_094.006 §. 135. Erst seit Haller fand die eigentliche Ode pkl_094.007 Bearbeiter. Was Haller und Cramer in dieser pkl_094.008 Dichtungsart leisteten, wurde bei weitem überflügelt pkl_094.009 durch die Oden Klopstock's, die noch immer als pkl_094.010 Muster dastehen. Nächst Klopstock zeichneten sich aus: pkl_094.011 Ramler, Uz, Herder, Hölty, Fr. Stollberg, pkl_094.012 Voß, Schubart und Hölderlin. Die Dichter der pkl_094.013 neuesten Zeit haben die Ode, wenigstens in antiken pkl_094.014 Silbenmaaßen, fast gar nicht cultivirt; selbst Platen's pkl_094.015 vorzügliche Leistungen fanden weder großen Anklang, pkl_094.016 noch Nachahmung. pkl_094.017 III. Die Hymne. pkl_094.018 §. 136. Das Wort Hymne (wörtlich so viel pkl_094.019 wie: ich webe, in übergetragener Bedeutung: ich pkl_094.020 feiere, ich lobsinge) bezeichnete im Griechischen einen pkl_094.021 Lobgesang, der bei feierlichen Opfern unter Musikbegleitung pkl_094.022 vorgetragen wurde. Bei uns ist die dem pkl_094.023 Worte untergelegte Bedeutung eine sehr schwankende. pkl_094.024 Man giebt nämlich dem der Hymne beiwohnenden Begriff pkl_094.025 des Feierns entweder eine allgemeinere oder pkl_094.026 eine speciellere Beziehung und nennt im erstern pkl_094.027 Falle Hymnen alle die Oden, die zum Preise der pkl_094.028 Gottheit, oder ausgezeichneter Menschen oder auch zur pkl_094.029 Verherrlichung erhabener (doch immer personificirt gedachter!) pkl_094.030 Gegenstände der geistigen oder körperlichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/120
Zitationshilfe: Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/120>, abgerufen am 07.05.2024.