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Kirchhoff, Auguste: Warum muß der Deutsche Verband für Frauenstimmrecht sich zum allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrecht bekennen? Bremen, 1912.

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großes Unglück sehen; sie werden politisch erzogen und interessiert, das
ist kein Fehler. Man sollte von unsrer Seite alles versuchen, diese
Gegenverbände sich dadurch zu Freunden zu machen, daß man das von
Fräulein Lischnewska angeregte Kartellverhältnis möglichst schnell in die
Wege leitet. Wo sich die Kreise berühren, und das wird ja öfters der
Fall sein, könnte man dann Hand in Hand gehen, ohne daß einer seine
Überzeugung preisgeben müßte.

Lehnt die Gegenorganisation dies Entgegenkommen ab, dann aller-
dings müßten wir meiner Überzeugung nach den Kampf aufnehmen.
Ein gerechter Kampf hat noch niemandem geschadet, er macht mutig
und stark, er gibt Frische, Freude und inneren Halt, das wissen wir
doch alle, die wir im heißen Kampf für unsere Überzeugung gestanden
haben. Das können wir denen nicht eindringlich genug sagen,
die an Stelle eines ehrlichen Kampfes eine schwächliche
Kapitulation befürworten
.

Man hat nun letzthin in Berlin und auch früher in Hamburg
schon versucht, uns, die wir an unsern Satzungen festhalten, den Rückzug
so leicht wie möglich zu machen. Man gab sich alle Mühe, die rück-
schrittliche Sache mit einem fortschrittlichen Mäntelchen zu drapieren, und
erklärte die von Hessen gewünschte Fassung für "viel weitergehend", als
die Forderung des allgemeinen, gleichen Wahlrechts. Sollten konservative
und nationalliberale Frauen trotz ihrer Weltanschauung für eine noch
viel weitergehende Forderung zu haben sein?!

Unbedingt muß zugegeben werden, daß "volle Staatsbürgerrechte
für alle Frauen" nur auf dem Wege des allgemeinen Wahlrechts
erobert werden können. Träten wir heute zuerst mit einem Programm
an die Öffentlichkeit, so könnten wir unsere Forderung vielleicht so fassen,
da sie eigentlich unmißverständlich sein sollte. Aber heute würde diese
Fassung einen Rückzug, eine Verschleierung und damit eine
Unehrlichkeit bedeuten
.

Das kann ich Jhnen am besten beweisen, indem ich Jhnen die
Worte wiederhole, mit denen man sie uns annehmbar machen wollte.

"Die Fassung ist deshalb so glücklich", so sagte man, "weil auf sie
alle Frauen sich einigen können. Man kann das allgemeine,
gleiche Wahlrecht darunter verstehn, aber man braucht es nicht
darunter zu verstehn!"

Und damit, meine ich, sollte diese Fassung eigentlich für alle ehrlichen
Menschen erledigt sein.

An dieser Stelle muß ich auch noch der neun Thesen gedenken,
die die Ortsgruppe Sachsen und die Landesvereine Hessen und Mecklen-

großes Unglück sehen; sie werden politisch erzogen und interessiert, das
ist kein Fehler. Man sollte von unsrer Seite alles versuchen, diese
Gegenverbände sich dadurch zu Freunden zu machen, daß man das von
Fräulein Lischnewska angeregte Kartellverhältnis möglichst schnell in die
Wege leitet. Wo sich die Kreise berühren, und das wird ja öfters der
Fall sein, könnte man dann Hand in Hand gehen, ohne daß einer seine
Überzeugung preisgeben müßte.

Lehnt die Gegenorganisation dies Entgegenkommen ab, dann aller-
dings müßten wir meiner Überzeugung nach den Kampf aufnehmen.
Ein gerechter Kampf hat noch niemandem geschadet, er macht mutig
und stark, er gibt Frische, Freude und inneren Halt, das wissen wir
doch alle, die wir im heißen Kampf für unsere Überzeugung gestanden
haben. Das können wir denen nicht eindringlich genug sagen,
die an Stelle eines ehrlichen Kampfes eine schwächliche
Kapitulation befürworten
.

Man hat nun letzthin in Berlin und auch früher in Hamburg
schon versucht, uns, die wir an unsern Satzungen festhalten, den Rückzug
so leicht wie möglich zu machen. Man gab sich alle Mühe, die rück-
schrittliche Sache mit einem fortschrittlichen Mäntelchen zu drapieren, und
erklärte die von Hessen gewünschte Fassung für „viel weitergehend“, als
die Forderung des allgemeinen, gleichen Wahlrechts. Sollten konservative
und nationalliberale Frauen trotz ihrer Weltanschauung für eine noch
viel weitergehende Forderung zu haben sein?!

Unbedingt muß zugegeben werden, daß „volle Staatsbürgerrechte
für alle Frauen“ nur auf dem Wege des allgemeinen Wahlrechts
erobert werden können. Träten wir heute zuerst mit einem Programm
an die Öffentlichkeit, so könnten wir unsere Forderung vielleicht so fassen,
da sie eigentlich unmißverständlich sein sollte. Aber heute würde diese
Fassung einen Rückzug, eine Verschleierung und damit eine
Unehrlichkeit bedeuten
.

Das kann ich Jhnen am besten beweisen, indem ich Jhnen die
Worte wiederhole, mit denen man sie uns annehmbar machen wollte.

„Die Fassung ist deshalb so glücklich“, so sagte man, „weil auf sie
alle Frauen sich einigen können. Man kann das allgemeine,
gleiche Wahlrecht darunter verstehn, aber man braucht es nicht
darunter zu verstehn!“

Und damit, meine ich, sollte diese Fassung eigentlich für alle ehrlichen
Menschen erledigt sein.

An dieser Stelle muß ich auch noch der neun Thesen gedenken,
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[31/0031] großes Unglück sehen; sie werden politisch erzogen und interessiert, das ist kein Fehler. Man sollte von unsrer Seite alles versuchen, diese Gegenverbände sich dadurch zu Freunden zu machen, daß man das von Fräulein Lischnewska angeregte Kartellverhältnis möglichst schnell in die Wege leitet. Wo sich die Kreise berühren, und das wird ja öfters der Fall sein, könnte man dann Hand in Hand gehen, ohne daß einer seine Überzeugung preisgeben müßte. Lehnt die Gegenorganisation dies Entgegenkommen ab, dann aller- dings müßten wir meiner Überzeugung nach den Kampf aufnehmen. Ein gerechter Kampf hat noch niemandem geschadet, er macht mutig und stark, er gibt Frische, Freude und inneren Halt, das wissen wir doch alle, die wir im heißen Kampf für unsere Überzeugung gestanden haben. Das können wir denen nicht eindringlich genug sagen, die an Stelle eines ehrlichen Kampfes eine schwächliche Kapitulation befürworten. Man hat nun letzthin in Berlin und auch früher in Hamburg schon versucht, uns, die wir an unsern Satzungen festhalten, den Rückzug so leicht wie möglich zu machen. Man gab sich alle Mühe, die rück- schrittliche Sache mit einem fortschrittlichen Mäntelchen zu drapieren, und erklärte die von Hessen gewünschte Fassung für „viel weitergehend“, als die Forderung des allgemeinen, gleichen Wahlrechts. Sollten konservative und nationalliberale Frauen trotz ihrer Weltanschauung für eine noch viel weitergehende Forderung zu haben sein?! Unbedingt muß zugegeben werden, daß „volle Staatsbürgerrechte für alle Frauen“ nur auf dem Wege des allgemeinen Wahlrechts erobert werden können. Träten wir heute zuerst mit einem Programm an die Öffentlichkeit, so könnten wir unsere Forderung vielleicht so fassen, da sie eigentlich unmißverständlich sein sollte. Aber heute würde diese Fassung einen Rückzug, eine Verschleierung und damit eine Unehrlichkeit bedeuten. Das kann ich Jhnen am besten beweisen, indem ich Jhnen die Worte wiederhole, mit denen man sie uns annehmbar machen wollte. „Die Fassung ist deshalb so glücklich“, so sagte man, „weil auf sie alle Frauen sich einigen können. Man kann das allgemeine, gleiche Wahlrecht darunter verstehn, aber man braucht es nicht darunter zu verstehn!“ Und damit, meine ich, sollte diese Fassung eigentlich für alle ehrlichen Menschen erledigt sein. An dieser Stelle muß ich auch noch der neun Thesen gedenken, die die Ortsgruppe Sachsen und die Landesvereine Hessen und Mecklen-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Anna Pfundt: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2014-07-16T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2014-07-16T11:00:00Z)

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Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Kirchhoff, Auguste: Warum muß der Deutsche Verband für Frauenstimmrecht sich zum allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrecht bekennen? Bremen, 1912, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kirchhoff_frauenstimmrecht_1912/31>, abgerufen am 29.03.2024.