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Kirchhoff, Auguste: Warum muß der Deutsche Verband für Frauenstimmrecht sich zum allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrecht bekennen? Bremen, 1912.

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durchgesetzt werden sollte. Wie ich aus authentischer Quelle erfahren
habe, soll das Vorgehen der betreffenden Ortsgruppen, das abermals den
Verband in die schwerste Beunruhigung versetzt hat, zurückzuführen sein
auf den Druck der Gegenorganisation und die Furcht vor einer Ver-
schärfung des Kampfes, der man durch einen erneuten Vorstoß gegen
den § 3 und die Anregung zur Bildung einer sogen. "Reformpartei"
innerhalb des Verbandes zu begegnen hoffte.

Ob man diese Beweggründe vom Standpunkt einer starken, mutigen
Überzeugungstreue aus hoch einzuschätzen hat, ist Ansichtssache jedes
einzelnen. Vor allem scheint mir die Frage des Nachdenkens wert, ob
der Friede mit den Gegnern nicht doch gar zu teuer erkauft
wird mit dem Kampf im eigenen Lager
, der durch den Spreng-
stoff, den er in unsere Reihen hineinträgt, sehr leicht zum Ver-
nichtungskampf
werden kann?! Ähnliche Erwägungen müssen auch
wohl einigen Ortsgruppen gekommen sein, die ihre der Ortsgruppe
Dortmund zuerst zugesagte Unterstützung im letzten Moment zurückzogen.

Die Deutsche Vereinigung hat naturgemäß ein Jnteresse daran
mit uns zusammenzugehen, da wir Sitz und Stimme im Weltbund haben,
was die Deutsche Vereinigung nach den geltenden Bestimmungen (siehe
Chapman Catt: "Der Weltbund für Frauenstimmrecht," Seite 7) fürs
erste wohl kaum erlangen wird. Unser Verband ist, wie ich bereits
ausführte, im Jnteresse des Friedens zum Kartell gern bereit. Aber,
daß wir den Vereinen, die sich von uns abgesplittert und so die erste
Spaltung in die Stimmrechtsbewegung hineingebracht haben, die außer-
dem ein Jnteresse daran haben, mit uns zusammenzugehen, nun auch
noch das Opfer unserer Überzeugung bringen sollen, scheint mir doch
recht wenig einleuchtend.

Die Generalversammlung erklärte sich, wie Jhnen bekannt, für in-
kompetent zu Satzungsänderungen. Wäre der § 3 auf dieser General-
versammlung gefallen, so wäre das Gegenteil einer Einigung erreicht
worden. Nicht nur die Mehrzahl der besten und hervorragendsten unter
unseren Führerinnen, auch ganze Ortsgruppen, ganze Landesvereine
wären ausgetreten, und der Verband hätte im Jnnern einen Riß erlitten,
wie er schlimmer nicht gedacht werden kann.

Jch richte nun an Sie alle die Frage, ob das Ziel: auch die
konservativen und nationalliberalen Frauen in unsern Ver-
band hineinzuziehen, dieser Opfer wert ist
? Jst man überhaupt
so sicher, daß sie kommen werden? Sind sie gekommen, ehe der § 3, der
angebliche Stein des Anstoßes, offiziell auf dem Programm stand?
Denn wohlgemerkt, nur "offiziell" soll er nach dem hessischen Antrag

durchgesetzt werden sollte. Wie ich aus authentischer Quelle erfahren
habe, soll das Vorgehen der betreffenden Ortsgruppen, das abermals den
Verband in die schwerste Beunruhigung versetzt hat, zurückzuführen sein
auf den Druck der Gegenorganisation und die Furcht vor einer Ver-
schärfung des Kampfes, der man durch einen erneuten Vorstoß gegen
den § 3 und die Anregung zur Bildung einer sogen. „Reformpartei“
innerhalb des Verbandes zu begegnen hoffte.

Ob man diese Beweggründe vom Standpunkt einer starken, mutigen
Überzeugungstreue aus hoch einzuschätzen hat, ist Ansichtssache jedes
einzelnen. Vor allem scheint mir die Frage des Nachdenkens wert, ob
der Friede mit den Gegnern nicht doch gar zu teuer erkauft
wird mit dem Kampf im eigenen Lager
, der durch den Spreng-
stoff, den er in unsere Reihen hineinträgt, sehr leicht zum Ver-
nichtungskampf
werden kann?! Ähnliche Erwägungen müssen auch
wohl einigen Ortsgruppen gekommen sein, die ihre der Ortsgruppe
Dortmund zuerst zugesagte Unterstützung im letzten Moment zurückzogen.

Die Deutsche Vereinigung hat naturgemäß ein Jnteresse daran
mit uns zusammenzugehen, da wir Sitz und Stimme im Weltbund haben,
was die Deutsche Vereinigung nach den geltenden Bestimmungen (siehe
Chapman Catt: „Der Weltbund für Frauenstimmrecht,“ Seite 7) fürs
erste wohl kaum erlangen wird. Unser Verband ist, wie ich bereits
ausführte, im Jnteresse des Friedens zum Kartell gern bereit. Aber,
daß wir den Vereinen, die sich von uns abgesplittert und so die erste
Spaltung in die Stimmrechtsbewegung hineingebracht haben, die außer-
dem ein Jnteresse daran haben, mit uns zusammenzugehen, nun auch
noch das Opfer unserer Überzeugung bringen sollen, scheint mir doch
recht wenig einleuchtend.

Die Generalversammlung erklärte sich, wie Jhnen bekannt, für in-
kompetent zu Satzungsänderungen. Wäre der § 3 auf dieser General-
versammlung gefallen, so wäre das Gegenteil einer Einigung erreicht
worden. Nicht nur die Mehrzahl der besten und hervorragendsten unter
unseren Führerinnen, auch ganze Ortsgruppen, ganze Landesvereine
wären ausgetreten, und der Verband hätte im Jnnern einen Riß erlitten,
wie er schlimmer nicht gedacht werden kann.

Jch richte nun an Sie alle die Frage, ob das Ziel: auch die
konservativen und nationalliberalen Frauen in unsern Ver-
band hineinzuziehen, dieser Opfer wert ist
? Jst man überhaupt
so sicher, daß sie kommen werden? Sind sie gekommen, ehe der § 3, der
angebliche Stein des Anstoßes, offiziell auf dem Programm stand?
Denn wohlgemerkt, nur „offiziell“ soll er nach dem hessischen Antrag

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[10/0010] durchgesetzt werden sollte. Wie ich aus authentischer Quelle erfahren habe, soll das Vorgehen der betreffenden Ortsgruppen, das abermals den Verband in die schwerste Beunruhigung versetzt hat, zurückzuführen sein auf den Druck der Gegenorganisation und die Furcht vor einer Ver- schärfung des Kampfes, der man durch einen erneuten Vorstoß gegen den § 3 und die Anregung zur Bildung einer sogen. „Reformpartei“ innerhalb des Verbandes zu begegnen hoffte. Ob man diese Beweggründe vom Standpunkt einer starken, mutigen Überzeugungstreue aus hoch einzuschätzen hat, ist Ansichtssache jedes einzelnen. Vor allem scheint mir die Frage des Nachdenkens wert, ob der Friede mit den Gegnern nicht doch gar zu teuer erkauft wird mit dem Kampf im eigenen Lager, der durch den Spreng- stoff, den er in unsere Reihen hineinträgt, sehr leicht zum Ver- nichtungskampf werden kann?! Ähnliche Erwägungen müssen auch wohl einigen Ortsgruppen gekommen sein, die ihre der Ortsgruppe Dortmund zuerst zugesagte Unterstützung im letzten Moment zurückzogen. Die Deutsche Vereinigung hat naturgemäß ein Jnteresse daran mit uns zusammenzugehen, da wir Sitz und Stimme im Weltbund haben, was die Deutsche Vereinigung nach den geltenden Bestimmungen (siehe Chapman Catt: „Der Weltbund für Frauenstimmrecht,“ Seite 7) fürs erste wohl kaum erlangen wird. Unser Verband ist, wie ich bereits ausführte, im Jnteresse des Friedens zum Kartell gern bereit. Aber, daß wir den Vereinen, die sich von uns abgesplittert und so die erste Spaltung in die Stimmrechtsbewegung hineingebracht haben, die außer- dem ein Jnteresse daran haben, mit uns zusammenzugehen, nun auch noch das Opfer unserer Überzeugung bringen sollen, scheint mir doch recht wenig einleuchtend. Die Generalversammlung erklärte sich, wie Jhnen bekannt, für in- kompetent zu Satzungsänderungen. Wäre der § 3 auf dieser General- versammlung gefallen, so wäre das Gegenteil einer Einigung erreicht worden. Nicht nur die Mehrzahl der besten und hervorragendsten unter unseren Führerinnen, auch ganze Ortsgruppen, ganze Landesvereine wären ausgetreten, und der Verband hätte im Jnnern einen Riß erlitten, wie er schlimmer nicht gedacht werden kann. Jch richte nun an Sie alle die Frage, ob das Ziel: auch die konservativen und nationalliberalen Frauen in unsern Ver- band hineinzuziehen, dieser Opfer wert ist? Jst man überhaupt so sicher, daß sie kommen werden? Sind sie gekommen, ehe der § 3, der angebliche Stein des Anstoßes, offiziell auf dem Programm stand? Denn wohlgemerkt, nur „offiziell“ soll er nach dem hessischen Antrag

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Anna Pfundt: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2014-07-16T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2014-07-16T11:00:00Z)

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Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Kirchhoff, Auguste: Warum muß der Deutsche Verband für Frauenstimmrecht sich zum allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrecht bekennen? Bremen, 1912, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kirchhoff_frauenstimmrecht_1912/10>, abgerufen am 24.11.2024.