Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kirchhoff, Auguste: Zur Entwicklung der Frauenstimmrechts-Bewegung. Bremen, [1916].

Bild:
<< vorherige Seite

örtern und mit ihrer ganzen Wärme und Beredsamkeit sich für
die politische Befreiung der Frauen einzusetzen.

1871 fanden in Leipzig und Chemnitz zuerst Frauen-
versammlungen der Sozialdemokratie statt, deren Ergebnis die
Gründung der ersten politischen Frauenorganisation war.

1876 behandelte Bebel in einer Volksversammlung in Leip-
zig das Thema: "Die Stellung der Frau im heutigen Staat und
zum Sozialismus", und forderte die zahlreich erschienenen
Frauen zur agitatorischen Mitarbeit bei den bevorstehenden
Reichstagswahlen auf, natürlich zu gunsten der Sozialdemo-
kratie, die als einzigste Partei für vollkommene soziale und
politische Gleichberechtigung der Frauen eintrat.

1894 wurde die Frage des Frauenstimmrechts zum ersten
Mal in einer öffentlichen Versammlung von bürgerlichen
Frauen vertreten. Einberuferin dieser Volksversammlung
war Frau Minna Cauer; die Referentin Lily von Gysziki, nach-
malig Lily Braun sprach über "Die Bürgerpflicht der Frau".

1895 zwang Bebel durch seinen Antrag auf Einführung des
Reichstagswahlrechtes für die Frauen den deutschen Reichstag
zur Stellungnahme und eingehenden Beschäftigung mit dem
Frauenwahlrecht.

Seit 1895 erörterte Frau Cauer in ihrer neugegründeten
Zeitschrift "Die Frauenbewegung" die sich mit Fragen der Ge-
setzgebung und Sozialpolitik beschäftigte, die Stimmrechtsfrage
nach allen Seiten. Als Forderung formuliert, erschien sie im
Programm des 1899 gegründeten Verbandes fortschrittlicher
Frauenvereine.

Jm Bund deutscher Frauenvereine stieß die Frauenstimm-
rechtsforderung auf sehr wenig Gegenliebe; man befürchtete
zugestandenermaßen von ihrer Propagierung eine Beeinträch-
tigung der anderen Bundesinteressen.

Nachdem der Boden so allmählich vorbereitet war, wurde
am 1. Januar 1902 von Dr. Anita Augspurg, Lida Gustava
Heymann und Frau Minna Cauer der "Deutsche Verein für
Frauenstimmrecht" gegründet und zwar mit dem Sitz in Ham-

örtern und mit ihrer ganzen Wärme und Beredsamkeit sich für
die politische Befreiung der Frauen einzusetzen.

1871 fanden in Leipzig und Chemnitz zuerst Frauen-
versammlungen der Sozialdemokratie statt, deren Ergebnis die
Gründung der ersten politischen Frauenorganisation war.

1876 behandelte Bebel in einer Volksversammlung in Leip-
zig das Thema: „Die Stellung der Frau im heutigen Staat und
zum Sozialismus“, und forderte die zahlreich erschienenen
Frauen zur agitatorischen Mitarbeit bei den bevorstehenden
Reichstagswahlen auf, natürlich zu gunsten der Sozialdemo-
kratie, die als einzigste Partei für vollkommene soziale und
politische Gleichberechtigung der Frauen eintrat.

1894 wurde die Frage des Frauenstimmrechts zum ersten
Mal in einer öffentlichen Versammlung von bürgerlichen
Frauen vertreten. Einberuferin dieser Volksversammlung
war Frau Minna Cauer; die Referentin Lily von Gysziki, nach-
malig Lily Braun sprach über „Die Bürgerpflicht der Frau“.

1895 zwang Bebel durch seinen Antrag auf Einführung des
Reichstagswahlrechtes für die Frauen den deutschen Reichstag
zur Stellungnahme und eingehenden Beschäftigung mit dem
Frauenwahlrecht.

Seit 1895 erörterte Frau Cauer in ihrer neugegründeten
Zeitschrift „Die Frauenbewegung“ die sich mit Fragen der Ge-
setzgebung und Sozialpolitik beschäftigte, die Stimmrechtsfrage
nach allen Seiten. Als Forderung formuliert, erschien sie im
Programm des 1899 gegründeten Verbandes fortschrittlicher
Frauenvereine.

Jm Bund deutscher Frauenvereine stieß die Frauenstimm-
rechtsforderung auf sehr wenig Gegenliebe; man befürchtete
zugestandenermaßen von ihrer Propagierung eine Beeinträch-
tigung der anderen Bundesinteressen.

Nachdem der Boden so allmählich vorbereitet war, wurde
am 1. Januar 1902 von Dr. Anita Augspurg, Lida Gustava
Heymann und Frau Minna Cauer der „Deutsche Verein für
Frauenstimmrecht“ gegründet und zwar mit dem Sitz in Ham-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0004" n="4"/>
örtern und mit ihrer ganzen Wärme und Beredsamkeit sich für<lb/>
die politische Befreiung der Frauen einzusetzen.</p><lb/>
      <p>1871 fanden in Leipzig und Chemnitz zuerst Frauen-<lb/>
versammlungen der Sozialdemokratie statt, deren Ergebnis die<lb/>
Gründung der ersten <choice><sic>politschen</sic><corr>politischen</corr></choice> Frauenorganisation war.</p><lb/>
      <p>1876 behandelte Bebel in einer Volksversammlung in Leip-<lb/>
zig das Thema: &#x201E;Die Stellung der Frau im heutigen Staat und<lb/>
zum Sozialismus&#x201C;, und forderte die zahlreich erschienenen<lb/>
Frauen zur agitatorischen Mitarbeit bei den bevorstehenden<lb/>
Reichstagswahlen auf, natürlich zu gunsten der Sozialdemo-<lb/>
kratie, die als einzigste Partei für vollkommene soziale und<lb/>
politische Gleichberechtigung der Frauen eintrat.</p><lb/>
      <p>1894 wurde die Frage des Frauenstimmrechts zum ersten<lb/>
Mal in einer öffentlichen Versammlung von bürgerlichen<lb/>
Frauen vertreten. Einberuferin dieser Volksversammlung<lb/>
war Frau Minna Cauer; die Referentin Lily von Gysziki, nach-<lb/>
malig Lily Braun sprach über &#x201E;Die Bürgerpflicht der Frau&#x201C;.</p><lb/>
      <p>1895 zwang Bebel durch seinen Antrag auf Einführung des<lb/>
Reichstagswahlrechtes für die Frauen den deutschen Reichstag<lb/>
zur Stellungnahme und eingehenden Beschäftigung mit dem<lb/>
Frauenwahlrecht.</p><lb/>
      <p>Seit 1895 erörterte Frau Cauer in ihrer neugegründeten<lb/>
Zeitschrift &#x201E;Die Frauenbewegung&#x201C; die sich mit Fragen der Ge-<lb/>
setzgebung und Sozialpolitik beschäftigte, die Stimmrechtsfrage<lb/>
nach allen Seiten. Als Forderung formuliert, erschien sie im<lb/>
Programm des 1899 gegründeten Verbandes fortschrittlicher<lb/>
Frauenvereine.</p><lb/>
      <p>Jm Bund deutscher Frauenvereine stieß die Frauenstimm-<lb/>
rechtsforderung auf sehr wenig Gegenliebe; man befürchtete<lb/>
zugestandenermaßen von ihrer Propagierung eine Beeinträch-<lb/>
tigung der anderen Bundesinteressen.</p><lb/>
      <p>Nachdem der Boden so allmählich vorbereitet war, wurde<lb/>
am 1. Januar 1902 von <hi rendition="#aq">Dr</hi>. Anita Augspurg, Lida Gustava<lb/>
Heymann und Frau Minna Cauer der &#x201E;Deutsche Verein für<lb/>
Frauenstimmrecht&#x201C; gegründet und zwar mit dem Sitz in Ham-<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[4/0004] örtern und mit ihrer ganzen Wärme und Beredsamkeit sich für die politische Befreiung der Frauen einzusetzen. 1871 fanden in Leipzig und Chemnitz zuerst Frauen- versammlungen der Sozialdemokratie statt, deren Ergebnis die Gründung der ersten politischen Frauenorganisation war. 1876 behandelte Bebel in einer Volksversammlung in Leip- zig das Thema: „Die Stellung der Frau im heutigen Staat und zum Sozialismus“, und forderte die zahlreich erschienenen Frauen zur agitatorischen Mitarbeit bei den bevorstehenden Reichstagswahlen auf, natürlich zu gunsten der Sozialdemo- kratie, die als einzigste Partei für vollkommene soziale und politische Gleichberechtigung der Frauen eintrat. 1894 wurde die Frage des Frauenstimmrechts zum ersten Mal in einer öffentlichen Versammlung von bürgerlichen Frauen vertreten. Einberuferin dieser Volksversammlung war Frau Minna Cauer; die Referentin Lily von Gysziki, nach- malig Lily Braun sprach über „Die Bürgerpflicht der Frau“. 1895 zwang Bebel durch seinen Antrag auf Einführung des Reichstagswahlrechtes für die Frauen den deutschen Reichstag zur Stellungnahme und eingehenden Beschäftigung mit dem Frauenwahlrecht. Seit 1895 erörterte Frau Cauer in ihrer neugegründeten Zeitschrift „Die Frauenbewegung“ die sich mit Fragen der Ge- setzgebung und Sozialpolitik beschäftigte, die Stimmrechtsfrage nach allen Seiten. Als Forderung formuliert, erschien sie im Programm des 1899 gegründeten Verbandes fortschrittlicher Frauenvereine. Jm Bund deutscher Frauenvereine stieß die Frauenstimm- rechtsforderung auf sehr wenig Gegenliebe; man befürchtete zugestandenermaßen von ihrer Propagierung eine Beeinträch- tigung der anderen Bundesinteressen. Nachdem der Boden so allmählich vorbereitet war, wurde am 1. Januar 1902 von Dr. Anita Augspurg, Lida Gustava Heymann und Frau Minna Cauer der „Deutsche Verein für Frauenstimmrecht“ gegründet und zwar mit dem Sitz in Ham-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen : Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-25T17:57:43Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-25T17:57:43Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kirchhoff_entwicklung_1916
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kirchhoff_entwicklung_1916/4
Zitationshilfe: Kirchhoff, Auguste: Zur Entwicklung der Frauenstimmrechts-Bewegung. Bremen, [1916], S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kirchhoff_entwicklung_1916/4>, abgerufen am 23.11.2024.