Kinkel, Gottfried: Margret. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 199–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.wird, deren Einwilligung oder ihren Todtenschein. In diesem Falle befand sich Margret. Beide Eltern waren todt; drei Großeltern ruhten auf dem Kirchhof des Dorfes, nur die Großmutter mütterlicher Seite war hoch betagt einer verheiratheten Tochter in ein kleines hessisches Dorf nachgezogen, dessen Namen Margret nicht einmal deutlich mehr wußte. Der Bürgermeister eröffnete dem Nikola, als er zur bürgerlichen Trauung sich meldete, daß er wenigstens ein Attest vom Vorstand jenes Dörfchens beibringen müsse, welches darthue, daß man dort den Namen der Gestorbenen nicht auffinden könne. Noch an demselben Tage ging der Brief dorthin ab; es verflossen zwei angstvolle Wochen, dann kam er uneröffnet zurück mit der Aufschrift auf der Adresse, daß ein Ort dieses Namens in beiden Hessen nicht aufzufinden sei. Augenblicklich machte Nikola sich auf die Reise, sparte Geld und Mühe nicht und fand endlich den Ort. Der alte halbblinde Pfarrer suchte in den nachlässig geschriebenen Sterbelisten wieder mehrere Tage lang, und Nikola half ihm. Endlich fanden sie in einem noch im vorigen Jahrhundert angelegten Register den Namen und den Todestag der alten Frau auf, Nikola erhielt das Attest und flog auf dem Dampfboot den Rhein hinunter zu seiner Geliebten. Noch war eben Zeit die gesetzlichen Ankündigungen und die Trauung vor dem Tage des Abmarsches vorzunehmen; da aber fand er Margret in Fieberphantasieen wieder; die raschen Schicksalsschläge, wird, deren Einwilligung oder ihren Todtenschein. In diesem Falle befand sich Margret. Beide Eltern waren todt; drei Großeltern ruhten auf dem Kirchhof des Dorfes, nur die Großmutter mütterlicher Seite war hoch betagt einer verheiratheten Tochter in ein kleines hessisches Dorf nachgezogen, dessen Namen Margret nicht einmal deutlich mehr wußte. Der Bürgermeister eröffnete dem Nikola, als er zur bürgerlichen Trauung sich meldete, daß er wenigstens ein Attest vom Vorstand jenes Dörfchens beibringen müsse, welches darthue, daß man dort den Namen der Gestorbenen nicht auffinden könne. Noch an demselben Tage ging der Brief dorthin ab; es verflossen zwei angstvolle Wochen, dann kam er uneröffnet zurück mit der Aufschrift auf der Adresse, daß ein Ort dieses Namens in beiden Hessen nicht aufzufinden sei. Augenblicklich machte Nikola sich auf die Reise, sparte Geld und Mühe nicht und fand endlich den Ort. Der alte halbblinde Pfarrer suchte in den nachlässig geschriebenen Sterbelisten wieder mehrere Tage lang, und Nikola half ihm. Endlich fanden sie in einem noch im vorigen Jahrhundert angelegten Register den Namen und den Todestag der alten Frau auf, Nikola erhielt das Attest und flog auf dem Dampfboot den Rhein hinunter zu seiner Geliebten. Noch war eben Zeit die gesetzlichen Ankündigungen und die Trauung vor dem Tage des Abmarsches vorzunehmen; da aber fand er Margret in Fieberphantasieen wieder; die raschen Schicksalsschläge, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0033"/> wird, deren Einwilligung oder ihren Todtenschein. In diesem Falle befand sich Margret.</p><lb/> <p>Beide Eltern waren todt; drei Großeltern ruhten auf dem Kirchhof des Dorfes, nur die Großmutter mütterlicher Seite war hoch betagt einer verheiratheten Tochter in ein kleines hessisches Dorf nachgezogen, dessen Namen Margret nicht einmal deutlich mehr wußte. Der Bürgermeister eröffnete dem Nikola, als er zur bürgerlichen Trauung sich meldete, daß er wenigstens ein Attest vom Vorstand jenes Dörfchens beibringen müsse, welches darthue, daß man dort den Namen der Gestorbenen nicht auffinden könne. Noch an demselben Tage ging der Brief dorthin ab; es verflossen zwei angstvolle Wochen, dann kam er uneröffnet zurück mit der Aufschrift auf der Adresse, daß ein Ort dieses Namens in beiden Hessen nicht aufzufinden sei. Augenblicklich machte Nikola sich auf die Reise, sparte Geld und Mühe nicht und fand endlich den Ort. Der alte halbblinde Pfarrer suchte in den nachlässig geschriebenen Sterbelisten wieder mehrere Tage lang, und Nikola half ihm. Endlich fanden sie in einem noch im vorigen Jahrhundert angelegten Register den Namen und den Todestag der alten Frau auf, Nikola erhielt das Attest und flog auf dem Dampfboot den Rhein hinunter zu seiner Geliebten. Noch war eben Zeit die gesetzlichen Ankündigungen und die Trauung vor dem Tage des Abmarsches vorzunehmen; da aber fand er Margret in Fieberphantasieen wieder; die raschen Schicksalsschläge,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0033]
wird, deren Einwilligung oder ihren Todtenschein. In diesem Falle befand sich Margret.
Beide Eltern waren todt; drei Großeltern ruhten auf dem Kirchhof des Dorfes, nur die Großmutter mütterlicher Seite war hoch betagt einer verheiratheten Tochter in ein kleines hessisches Dorf nachgezogen, dessen Namen Margret nicht einmal deutlich mehr wußte. Der Bürgermeister eröffnete dem Nikola, als er zur bürgerlichen Trauung sich meldete, daß er wenigstens ein Attest vom Vorstand jenes Dörfchens beibringen müsse, welches darthue, daß man dort den Namen der Gestorbenen nicht auffinden könne. Noch an demselben Tage ging der Brief dorthin ab; es verflossen zwei angstvolle Wochen, dann kam er uneröffnet zurück mit der Aufschrift auf der Adresse, daß ein Ort dieses Namens in beiden Hessen nicht aufzufinden sei. Augenblicklich machte Nikola sich auf die Reise, sparte Geld und Mühe nicht und fand endlich den Ort. Der alte halbblinde Pfarrer suchte in den nachlässig geschriebenen Sterbelisten wieder mehrere Tage lang, und Nikola half ihm. Endlich fanden sie in einem noch im vorigen Jahrhundert angelegten Register den Namen und den Todestag der alten Frau auf, Nikola erhielt das Attest und flog auf dem Dampfboot den Rhein hinunter zu seiner Geliebten. Noch war eben Zeit die gesetzlichen Ankündigungen und die Trauung vor dem Tage des Abmarsches vorzunehmen; da aber fand er Margret in Fieberphantasieen wieder; die raschen Schicksalsschläge,
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