Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

von Keyserling, Eduard: Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte. Berlin, [1909].

Bild:
<< vorherige Seite

"Ja, ja, du und ich," wiederholte Mareile mit der verträumten Musik ihrer Stimme. Dann schwiegen sie. Große Hummeln sangen am Fenster vorüber. Die Sonnenstrahlen schienen rötlich und schräg in das Zimmer, und die großen, roten Kugeln der Zentifolien in der weißen Salatschüssel füllten welkend den Raum mit ihrem süßen Duft.

"Und Hans Berkow, kommt er noch zuweilen in deine Gedanken?" fragte Günther Mareile, als er eines Tages wieder auf dem Ruhebette lag und Mareile im Sessel vor der Schüssel voller Zentifolien saß. Er sah unter den halb geschlossenen Lidern zu ihr hinüber und wartete, wie diese Frage auf das ruhige Bild ihm gegenüber wirken würde.

"O, den - den sehe ich nicht mehr," erwiderte Mareile träge.

"Aber du sahst ihn doch früher - ganz groß - im Vordergrunde," meinte Günther.

"Groß!" wiederholte Mareile nachdenklich, "nein, der war immer schattenhaft, unwirklich."

"Und doch," warf Günther ein.

Mareile zuckte die Achseln. "Mein Gott, ja! Er machte euch anderen Opposition, das gefiel mir damals. Und dann, eure Erziehung - dort, - die macht den Körper dumm. Er weiß ja nicht, was er wollen soll ... und so." Mareile nahm eine Rose aus der Schüssel und spielte mit ihr wie mit einem roten Ball. "Hans Berkow", fuhr sie sinnend fort, "verstand gut alles, was an mir zu sehen war. Wunderschön fühlte man sich, wenn er einen ansah."

"Und dann?" drängte Günther.

„Ja, ja, du und ich,“ wiederholte Mareile mit der verträumten Musik ihrer Stimme. Dann schwiegen sie. Große Hummeln sangen am Fenster vorüber. Die Sonnenstrahlen schienen rötlich und schräg in das Zimmer, und die großen, roten Kugeln der Zentifolien in der weißen Salatschüssel füllten welkend den Raum mit ihrem süßen Duft.

„Und Hans Berkow, kommt er noch zuweilen in deine Gedanken?“ fragte Günther Mareile, als er eines Tages wieder auf dem Ruhebette lag und Mareile im Sessel vor der Schüssel voller Zentifolien saß. Er sah unter den halb geschlossenen Lidern zu ihr hinüber und wartete, wie diese Frage auf das ruhige Bild ihm gegenüber wirken würde.

„O, den – den sehe ich nicht mehr,“ erwiderte Mareile träge.

„Aber du sahst ihn doch früher – ganz groß – im Vordergrunde,“ meinte Günther.

„Groß!“ wiederholte Mareile nachdenklich, „nein, der war immer schattenhaft, unwirklich.“

„Und doch,“ warf Günther ein.

Mareile zuckte die Achseln. „Mein Gott, ja! Er machte euch anderen Opposition, das gefiel mir damals. Und dann, eure Erziehung – dort, – die macht den Körper dumm. Er weiß ja nicht, was er wollen soll … und so.“ Mareile nahm eine Rose aus der Schüssel und spielte mit ihr wie mit einem roten Ball. „Hans Berkow“, fuhr sie sinnend fort, „verstand gut alles, was an mir zu sehen war. Wunderschön fühlte man sich, wenn er einen ansah.“

„Und dann?“ drängte Günther.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0106" n="104"/>
        <p>&#x201E;Ja, ja, du und ich,&#x201C; wiederholte Mareile mit der verträumten Musik ihrer Stimme. Dann schwiegen sie. Große Hummeln sangen am Fenster vorüber. Die Sonnenstrahlen schienen rötlich und schräg in das Zimmer, und die großen, roten Kugeln der Zentifolien in der weißen Salatschüssel füllten welkend den Raum mit ihrem süßen Duft.</p>
        <p>&#x201E;Und Hans Berkow, kommt er noch zuweilen in deine Gedanken?&#x201C; fragte Günther Mareile, als er eines Tages wieder auf dem Ruhebette lag und Mareile im Sessel vor der Schüssel voller Zentifolien saß. Er sah unter den halb geschlossenen Lidern zu ihr hinüber und wartete, wie diese Frage auf das ruhige Bild ihm gegenüber wirken würde.</p>
        <p>&#x201E;O, den &#x2013; den sehe ich nicht mehr,&#x201C; erwiderte Mareile träge.</p>
        <p>&#x201E;Aber du sahst ihn doch früher &#x2013; ganz groß &#x2013; im Vordergrunde,&#x201C; meinte Günther.</p>
        <p>&#x201E;Groß!&#x201C; wiederholte Mareile nachdenklich, &#x201E;nein, der war immer schattenhaft, unwirklich.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Und doch,&#x201C; warf Günther ein.</p>
        <p>Mareile zuckte die Achseln. &#x201E;Mein Gott, ja! Er machte euch anderen Opposition, das gefiel mir damals. Und dann, eure Erziehung &#x2013; dort, &#x2013; die macht den Körper dumm. Er weiß ja nicht, was er wollen soll &#x2026; und so.&#x201C; Mareile nahm eine Rose aus der Schüssel und spielte mit ihr wie mit einem roten Ball. &#x201E;Hans Berkow&#x201C;, fuhr sie sinnend fort, &#x201E;verstand gut alles, was an mir zu sehen war. Wunderschön fühlte man sich, wenn er einen ansah.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Und dann?&#x201C; drängte Günther.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0106] „Ja, ja, du und ich,“ wiederholte Mareile mit der verträumten Musik ihrer Stimme. Dann schwiegen sie. Große Hummeln sangen am Fenster vorüber. Die Sonnenstrahlen schienen rötlich und schräg in das Zimmer, und die großen, roten Kugeln der Zentifolien in der weißen Salatschüssel füllten welkend den Raum mit ihrem süßen Duft. „Und Hans Berkow, kommt er noch zuweilen in deine Gedanken?“ fragte Günther Mareile, als er eines Tages wieder auf dem Ruhebette lag und Mareile im Sessel vor der Schüssel voller Zentifolien saß. Er sah unter den halb geschlossenen Lidern zu ihr hinüber und wartete, wie diese Frage auf das ruhige Bild ihm gegenüber wirken würde. „O, den – den sehe ich nicht mehr,“ erwiderte Mareile träge. „Aber du sahst ihn doch früher – ganz groß – im Vordergrunde,“ meinte Günther. „Groß!“ wiederholte Mareile nachdenklich, „nein, der war immer schattenhaft, unwirklich.“ „Und doch,“ warf Günther ein. Mareile zuckte die Achseln. „Mein Gott, ja! Er machte euch anderen Opposition, das gefiel mir damals. Und dann, eure Erziehung – dort, – die macht den Körper dumm. Er weiß ja nicht, was er wollen soll … und so.“ Mareile nahm eine Rose aus der Schüssel und spielte mit ihr wie mit einem roten Ball. „Hans Berkow“, fuhr sie sinnend fort, „verstand gut alles, was an mir zu sehen war. Wunderschön fühlte man sich, wenn er einen ansah.“ „Und dann?“ drängte Günther.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Eduard von Keyserlings „Beate und Mareile“ erschi… [mehr]

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903/106
Zitationshilfe: von Keyserling, Eduard: Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte. Berlin, [1909], S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903/106>, abgerufen am 28.04.2024.