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Kettler, Hedwig Johanna: Gleiche Bildung für Mann und Frau! Weimar, 1891 (= Bibliothek der Frauenfrage, Bd. 6).

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Gleiche Bildung für Mann und Frau! Er verweigert die Erfüllung der Ansprüche der Frau, die einen nur ihm bisher reservierten Beruf zu erfüllen trachtet, mit dem Hinweis auf ihren "natürlichen" Beruf, der nicht vernachlässigt werden dürfe, wenn nicht die ganze Nation Schaden nehmen solle. Gut, wir sind einverstanden, wir geben ihm ganz recht, daß unser Volk einer Unzahl von Gattinnen und Müttern absolut bedarf und vorderhand nur einer kleinen Zahl von gelehrten Frauen. "Und trotz dieses Zugeständnisses verlangt Jhr bessere Bildung für die Frau, als sie ihr heute zu Teil wird?" fragt der Mann. ""Trotzdem?"" antworten wir ihm, ""nein, nicht trotzdem, sondern im Gegenteil gerade deswegen."" "Ja, aber diese Gattinnen und Mütter, erfüllen sie nicht ihren hohen Beruf so vollkommen wie nur möglich?" " "So vollkommen wie nur möglich? Keineswegs! Jm besten Falle so vollkommen, wie Jhr es ihnen ermöglicht auf Grund der ihnen heute gewährten Bildung. Und diese Vollkommenheit ist von der überhaupt möglichen Vollkommenheit ganz be denklich verschieden."" Das zu beweisen, ist überflüssig; der Mann selbst giebt uns ja mehr Beweise, als wir nötig haben. Der Mann, der Abend für Abend den Kreis der Seinen flieht, um im Wirtshaus mit seinesgleichen "ein ver nünftiges Wort" reden zu können, wie man das nennt, weil er das, wie man ganz offenherzig sagt, "zu Hause mit seiner Frau natürlich nicht kann"; der Mann, der die Bubenstreiche eines ungeratenen Sohnes, die Nutzlosig keit einer Tag aus Tag ein faulenzenden Tochter verdammt: der Mann, der mit seiner Gattin ein Leben voll Harmonie, ein Leben gleicher Jnteressen zu führen hoffte und statt dessen die angenehme Entdeckung macht, daß sie über seine Jnteressen nur zu gähnen vermag, - diese Männer alle mit einander sprechen, ohne es zu wissen und zu wollen, selbst das Urteil über die von ihnen verfügte heutige Bildung der Frau. Gattinnen, die so schlechte Gattinnen sind, daß sie dem Manne nicht zu genügen vermögen; Mütter, die so schlechte Mütter sind, daß sie ihre Söhne und Töchter nicht zu einem ehrenhaften, nützlichen Lebenswandel zu erziehen vermögen - sind es solche Gattinnen, solche Mütter, die wir brauchen? Sind sie es, die ihren Beruf so trefflich erfüllen, wie das Wohl unserer Nation das erfordert? Nein, durchaus nicht. Und wer möchte behaupten, daß diese Gattinnen, diese Mütter ganz seltene Ausnahmen wären? Wer kann leugnen, daß diese Unfähigkeit vieler Frauen, gerade ihren natürlichen Beruf zu erfüllen, diese Fähigkeit vieler Frauen, dadurch ihre Familien unglücklich zu machen,
Gleiche Bildung für Mann und Frau! Er verweigert die Erfüllung der Ansprüche der Frau, die einen nur ihm bisher reservierten Beruf zu erfüllen trachtet, mit dem Hinweis auf ihren „natürlichen“ Beruf, der nicht vernachlässigt werden dürfe, wenn nicht die ganze Nation Schaden nehmen solle. Gut, wir sind einverstanden, wir geben ihm ganz recht, daß unser Volk einer Unzahl von Gattinnen und Müttern absolut bedarf und vorderhand nur einer kleinen Zahl von gelehrten Frauen. „Und trotz dieses Zugeständnisses verlangt Jhr bessere Bildung für die Frau, als sie ihr heute zu Teil wird?“ fragt der Mann. „„Trotzdem?““ antworten wir ihm, „„nein, nicht trotzdem, sondern im Gegenteil gerade deswegen.““ „Ja, aber diese Gattinnen und Mütter, erfüllen sie nicht ihren hohen Beruf so vollkommen wie nur möglich?“ „ „So vollkommen wie nur möglich? Keineswegs! Jm besten Falle so vollkommen, wie Jhr es ihnen ermöglicht auf Grund der ihnen heute gewährten Bildung. Und diese Vollkommenheit ist von der überhaupt möglichen Vollkommenheit ganz be­ denklich verschieden.““ Das zu beweisen, ist überflüssig; der Mann selbst giebt uns ja mehr Beweise, als wir nötig haben. Der Mann, der Abend für Abend den Kreis der Seinen flieht, um im Wirtshaus mit seinesgleichen „ein ver­ nünftiges Wort“ reden zu können, wie man das nennt, weil er das, wie man ganz offenherzig sagt, „zu Hause mit seiner Frau natürlich nicht kann“; der Mann, der die Bubenstreiche eines ungeratenen Sohnes, die Nutzlosig­ keit einer Tag aus Tag ein faulenzenden Tochter verdammt: der Mann, der mit seiner Gattin ein Leben voll Harmonie, ein Leben gleicher Jnteressen zu führen hoffte und statt dessen die angenehme Entdeckung macht, daß sie über seine Jnteressen nur zu gähnen vermag, – diese Männer alle mit­ einander sprechen, ohne es zu wissen und zu wollen, selbst das Urteil über die von ihnen verfügte heutige Bildung der Frau. Gattinnen, die so schlechte Gattinnen sind, daß sie dem Manne nicht zu genügen vermögen; Mütter, die so schlechte Mütter sind, daß sie ihre Söhne und Töchter nicht zu einem ehrenhaften, nützlichen Lebenswandel zu erziehen vermögen – sind es solche Gattinnen, solche Mütter, die wir brauchen? Sind sie es, die ihren Beruf so trefflich erfüllen, wie das Wohl unserer Nation das erfordert? Nein, durchaus nicht. Und wer möchte behaupten, daß diese Gattinnen, diese Mütter ganz seltene Ausnahmen wären? Wer kann leugnen, daß diese Unfähigkeit vieler Frauen, gerade ihren natürlichen Beruf zu erfüllen, diese Fähigkeit vieler Frauen, dadurch ihre Familien unglücklich zu machen,
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Gleiche Bildung für Mann und Frau! Er verweigert die Erfüllung der Ansprüche der Frau, die einen nur ihm bisher reservierten Beruf zu erfüllen trachtet, mit dem Hinweis auf ihren „natürlichen“ Beruf, der nicht vernachlässigt werden dürfe, wenn nicht die ganze Nation Schaden nehmen solle. Gut, wir sind einverstanden, wir geben ihm ganz recht, daß unser Volk einer Unzahl von Gattinnen und Müttern absolut bedarf und vorderhand nur einer kleinen Zahl von gelehrten Frauen. „Und trotz dieses Zugeständnisses verlangt Jhr bessere Bildung für die Frau, als sie ihr heute zu Teil wird?“ fragt der Mann. „„Trotzdem?““ antworten wir ihm, „„nein, nicht trotzdem, sondern im Gegenteil gerade deswegen.““ „Ja, aber diese Gattinnen und Mütter, erfüllen sie nicht ihren hohen Beruf so vollkommen wie nur möglich?“ „ „So vollkommen wie nur möglich? Keineswegs! Jm besten Falle so vollkommen, wie Jhr es ihnen ermöglicht auf Grund der ihnen heute gewährten Bildung. Und diese Vollkommenheit ist von der überhaupt möglichen Vollkommenheit ganz be­ denklich verschieden.““ Das zu beweisen, ist überflüssig; der Mann selbst giebt uns ja mehr Beweise, als wir nötig haben. Der Mann, der Abend für Abend den Kreis der Seinen flieht, um im Wirtshaus mit seinesgleichen „ein ver­ nünftiges Wort“ reden zu können, wie man das nennt, weil er das, wie man ganz offenherzig sagt, „zu Hause mit seiner Frau natürlich nicht kann“; der Mann, der die Bubenstreiche eines ungeratenen Sohnes, die Nutzlosig­ keit einer Tag aus Tag ein faulenzenden Tochter verdammt: der Mann, der mit seiner Gattin ein Leben voll Harmonie, ein Leben gleicher Jnteressen zu führen hoffte und statt dessen die angenehme Entdeckung macht, daß sie über seine Jnteressen nur zu gähnen vermag, – diese Männer alle mit­ einander sprechen, ohne es zu wissen und zu wollen, selbst das Urteil über die von ihnen verfügte heutige Bildung der Frau. Gattinnen, die so schlechte Gattinnen sind, daß sie dem Manne nicht zu genügen vermögen; Mütter, die so schlechte Mütter sind, daß sie ihre Söhne und Töchter nicht zu einem ehrenhaften, nützlichen Lebenswandel zu erziehen vermögen – sind es solche Gattinnen, solche Mütter, die wir brauchen? Sind sie es, die ihren Beruf so trefflich erfüllen, wie das Wohl unserer Nation das erfordert? Nein, durchaus nicht. Und wer möchte behaupten, daß diese Gattinnen, diese Mütter ganz seltene Ausnahmen wären? Wer kann leugnen, daß diese Unfähigkeit vieler Frauen, gerade ihren natürlichen Beruf zu erfüllen, diese Fähigkeit vieler Frauen, dadurch ihre Familien unglücklich zu machen,

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Zitationshilfe: Kettler, Hedwig Johanna: Gleiche Bildung für Mann und Frau! Weimar, 1891 (= Bibliothek der Frauenfrage, Bd. 6), S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kettler_bildung_1891/8>, abgerufen am 18.04.2024.