Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.

Bild:
<< vorherige Seite
Das treue Roß.

Graf Turneck kam nach hartem Strauß
Bei Nacht wohl vor ein Gotteshaus.
Das Haus, das lag im Walde tief,
In seiner Gruft ein König schlief.
Hier auszuruhn gedenkt der Graf,
Er weiß nicht, daß ein Pfeil ihn traf.
Der Graf steigt ab vom weißen Roß;
"Gras', bis ich wieder komm', im Moos!"
Auf fährt das Thor mit dumpfem Schall,
Dann schweigt es in der weiten Hall'.
Der Graf tappt hin an kalter Wand
Bald einen alten Sarg er fand.
"Der müde Leib soll rasten hier;
Versteinert Holz! brichst nicht mit mir."
Der Graf sich legt, so lang er war,
Wol auf dieselbe Todtenbahr.
Das treue Roß.

Graf Turneck kam nach hartem Strauß
Bei Nacht wohl vor ein Gotteshaus.
Das Haus, das lag im Walde tief,
In ſeiner Gruft ein Koͤnig ſchlief.
Hier auszuruhn gedenkt der Graf,
Er weiß nicht, daß ein Pfeil ihn traf.
Der Graf ſteigt ab vom weißen Roß;
„Graſ', bis ich wieder komm', im Moos!“
Auf faͤhrt das Thor mit dumpfem Schall,
Dann ſchweigt es in der weiten Hall'.
Der Graf tappt hin an kalter Wand
Bald einen alten Sarg er fand.
„Der muͤde Leib ſoll raſten hier;
Verſteinert Holz! brichſt nicht mit mir.“
Der Graf ſich legt, ſo lang er war,
Wol auf dieſelbe Todtenbahr.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0085" n="73"/>
      <lg type="poem">
        <head><hi rendition="#g">Das treue Roß</hi>.</head><lb/>
        <l>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </l>
        <lg n="1">
          <l>Graf Turneck kam nach hartem Strauß</l><lb/>
          <l>Bei Nacht wohl vor ein Gotteshaus.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="2">
          <l>Das Haus, das lag im Walde tief,</l><lb/>
          <l>In &#x017F;einer Gruft ein Ko&#x0364;nig &#x017F;chlief.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="3">
          <l>Hier auszuruhn gedenkt der Graf,</l><lb/>
          <l>Er weiß nicht, daß ein Pfeil ihn traf.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="4">
          <l>Der Graf &#x017F;teigt ab vom weißen Roß;</l><lb/>
          <l>&#x201E;Gra&#x017F;', bis ich wieder komm', im Moos!&#x201C;</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="5">
          <l>Auf fa&#x0364;hrt das Thor mit dumpfem Schall,</l><lb/>
          <l>Dann &#x017F;chweigt es in der weiten Hall'.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="6">
          <l>Der Graf tappt hin an kalter Wand</l><lb/>
          <l>Bald einen alten Sarg er fand.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="7">
          <l>&#x201E;Der mu&#x0364;de Leib &#x017F;oll ra&#x017F;ten hier;</l><lb/>
          <l>Ver&#x017F;teinert Holz! brich&#x017F;t nicht mit mir.&#x201C;</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="8">
          <l>Der Graf &#x017F;ich legt, &#x017F;o lang er war,</l><lb/>
          <l>Wol auf die&#x017F;elbe Todtenbahr.</l>
        </lg><lb/>
        <l>
</l>
      </lg>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0085] Das treue Roß. Graf Turneck kam nach hartem Strauß Bei Nacht wohl vor ein Gotteshaus. Das Haus, das lag im Walde tief, In ſeiner Gruft ein Koͤnig ſchlief. Hier auszuruhn gedenkt der Graf, Er weiß nicht, daß ein Pfeil ihn traf. Der Graf ſteigt ab vom weißen Roß; „Graſ', bis ich wieder komm', im Moos!“ Auf faͤhrt das Thor mit dumpfem Schall, Dann ſchweigt es in der weiten Hall'. Der Graf tappt hin an kalter Wand Bald einen alten Sarg er fand. „Der muͤde Leib ſoll raſten hier; Verſteinert Holz! brichſt nicht mit mir.“ Der Graf ſich legt, ſo lang er war, Wol auf dieſelbe Todtenbahr.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826/85
Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826/85>, abgerufen am 28.04.2024.