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Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.

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Lager, Elsbeth schlief ruhig, stund er auf einmal vor mir,
mit langem, bleichen Angesicht, zerstört, die Haare wild
unter einander geworfen. Der Mond schien durch das kleine
Fenster. Lieber Mann! sprach ich; er aber gab keiner Rede
Antwort, als wär' es sein bleicher Schatten. Mit hohler
Stimme, lang und langsam sprach er endlich: "Sterbe, gu-
tes Weib!" und mit diesen Worten drückte er mir einen
Kuß auf die Lippen, kalt, daß ich ihn noch fühle.

Die Glocke schlug Mitternacht, und ich sah ihn nicht
mehr.

Diesen Morgen fand ich, daß er fern dort an jener
Ecke zwey Gräber gegraben.
Der Gärtner.
Wer starb?
Die Frau.
Niemand!
Der Gärtner.
Seltsam! doch ist er blos von Sinnen.
Elsbeth.
Ich lag im Traum in einem Bett voll Blumen,
Doch keine Sonne schien, ich war der Sonnenstrahl.
Die Frau.
Ich wandelte mit dir durch ein gar finster Thal,
Da stunden statt der Sterne ob uns Blumen.
Elsbeth.
Blumen! o Blumen! die heilen jeden Schmerz!
Der Gärtner.
Drum drückt man so ein Kind gern an das wunde Herz.
Lager, Elsbeth ſchlief ruhig, ſtund er auf einmal vor mir,
mit langem, bleichen Angeſicht, zerſtoͤrt, die Haare wild
unter einander geworfen. Der Mond ſchien durch das kleine
Fenſter. Lieber Mann! ſprach ich; er aber gab keiner Rede
Antwort, als waͤr' es ſein bleicher Schatten. Mit hohler
Stimme, lang und langſam ſprach er endlich: „Sterbe, gu-
tes Weib!“ und mit dieſen Worten druͤckte er mir einen
Kuß auf die Lippen, kalt, daß ich ihn noch fuͤhle.

Die Glocke ſchlug Mitternacht, und ich ſah ihn nicht
mehr.

Dieſen Morgen fand ich, daß er fern dort an jener
Ecke zwey Graͤber gegraben.
Der Gaͤrtner.
Wer ſtarb?
Die Frau.
Niemand!
Der Gaͤrtner.
Seltſam! doch iſt er blos von Sinnen.
Elsbeth.
Ich lag im Traum in einem Bett voll Blumen,
Doch keine Sonne ſchien, ich war der Sonnenſtrahl.
Die Frau.
Ich wandelte mit dir durch ein gar finſter Thal,
Da ſtunden ſtatt der Sterne ob uns Blumen.
Elsbeth.
Blumen! o Blumen! die heilen jeden Schmerz!
Der Gaͤrtner.
Drum druͤckt man ſo ein Kind gern an das wunde Herz.
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[219/0231] Lager, Elsbeth ſchlief ruhig, ſtund er auf einmal vor mir, mit langem, bleichen Angeſicht, zerſtoͤrt, die Haare wild unter einander geworfen. Der Mond ſchien durch das kleine Fenſter. Lieber Mann! ſprach ich; er aber gab keiner Rede Antwort, als waͤr' es ſein bleicher Schatten. Mit hohler Stimme, lang und langſam ſprach er endlich: „Sterbe, gu- tes Weib!“ und mit dieſen Worten druͤckte er mir einen Kuß auf die Lippen, kalt, daß ich ihn noch fuͤhle. Die Glocke ſchlug Mitternacht, und ich ſah ihn nicht mehr. Dieſen Morgen fand ich, daß er fern dort an jener Ecke zwey Graͤber gegraben. Der Gaͤrtner. Wer ſtarb? Die Frau. Niemand! Der Gaͤrtner. Seltſam! doch iſt er blos von Sinnen. Elsbeth. Ich lag im Traum in einem Bett voll Blumen, Doch keine Sonne ſchien, ich war der Sonnenſtrahl. Die Frau. Ich wandelte mit dir durch ein gar finſter Thal, Da ſtunden ſtatt der Sterne ob uns Blumen. Elsbeth. Blumen! o Blumen! die heilen jeden Schmerz! Der Gaͤrtner. Drum druͤckt man ſo ein Kind gern an das wunde Herz.

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Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826/231>, abgerufen am 28.11.2024.