Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.An das Trinkglas eines verstorbenen Freundes. Du herrlich Glas, nun stehst du leer! Glas, das er oft mit Lust gehoben! Die Spinne hat rings um dich her Indeß den düstern Flor gewoben. Jetzt sollst du mir gefüllet seyn Mondhell mit Gold der deutschen Reben! In deiner Tiefe heil'gen Schein Schau' ich hinab mit frommem Beben. Was ich erschau' in deinem Grund, Ist nicht Gewöhnlichen zu nennen, Doch wird mir klar zu dieser Stund', Wie nichts den Freund vom Freund kann trennen. Auf diesen Glauben, Glas so hold! Trink' ich dich aus mit hohem Muthe. Klar spiegelt sich der Sterne Gold, Pokal in deinem theuren Blute. Still geht der Mond das Thal entlang, Ernst tönt die mitternächt'ge Stunde, Leer steht das Glas, der heil'ge Klang Tönt nach in dem krystall'nen Grunde. An das Trinkglas eines verſtorbenen Freundes. Du herrlich Glas, nun ſtehſt du leer! Glas, das er oft mit Luſt gehoben! Die Spinne hat rings um dich her Indeß den duͤſtern Flor gewoben. Jetzt ſollſt du mir gefuͤllet ſeyn Mondhell mit Gold der deutſchen Reben! In deiner Tiefe heil'gen Schein Schau' ich hinab mit frommem Beben. Was ich erſchau' in deinem Grund, Iſt nicht Gewoͤhnlichen zu nennen, Doch wird mir klar zu dieſer Stund', Wie nichts den Freund vom Freund kann trennen. Auf dieſen Glauben, Glas ſo hold! Trink' ich dich aus mit hohem Muthe. Klar ſpiegelt ſich der Sterne Gold, Pokal in deinem theuren Blute. Still geht der Mond das Thal entlang, Ernſt toͤnt die mitternaͤcht'ge Stunde, Leer ſteht das Glas, der heil'ge Klang Toͤnt nach in dem kryſtall'nen Grunde. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0153" n="141"/> <lg type="poem"> <head>An das Trinkglas eines verſtorbenen Freundes.</head><lb/> <l> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </l> <lg n="1"> <l>Du herrlich Glas, nun ſtehſt du leer!</l><lb/> <l>Glas, das er oft mit Luſt gehoben!</l><lb/> <l>Die Spinne hat rings um dich her</l><lb/> <l>Indeß den duͤſtern Flor gewoben.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Jetzt ſollſt du mir gefuͤllet ſeyn</l><lb/> <l>Mondhell mit Gold der deutſchen Reben!</l><lb/> <l>In deiner Tiefe heil'gen Schein</l><lb/> <l>Schau' ich hinab mit frommem Beben.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Was ich erſchau' in deinem Grund,</l><lb/> <l>Iſt nicht Gewoͤhnlichen zu nennen,</l><lb/> <l>Doch wird mir klar zu dieſer Stund',</l><lb/> <l>Wie nichts den Freund vom Freund kann trennen.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Auf dieſen Glauben, Glas ſo hold!</l><lb/> <l>Trink' ich dich aus mit hohem Muthe.</l><lb/> <l>Klar ſpiegelt ſich der Sterne Gold,</l><lb/> <l>Pokal in deinem theuren Blute.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Still geht der Mond das Thal entlang,</l><lb/> <l>Ernſt toͤnt die mitternaͤcht'ge Stunde,</l><lb/> <l>Leer ſteht das Glas, der heil'ge Klang</l><lb/> <l>Toͤnt nach in dem kryſtall'nen Grunde.</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [141/0153]
An das Trinkglas eines verſtorbenen Freundes.
Du herrlich Glas, nun ſtehſt du leer!
Glas, das er oft mit Luſt gehoben!
Die Spinne hat rings um dich her
Indeß den duͤſtern Flor gewoben.
Jetzt ſollſt du mir gefuͤllet ſeyn
Mondhell mit Gold der deutſchen Reben!
In deiner Tiefe heil'gen Schein
Schau' ich hinab mit frommem Beben.
Was ich erſchau' in deinem Grund,
Iſt nicht Gewoͤhnlichen zu nennen,
Doch wird mir klar zu dieſer Stund',
Wie nichts den Freund vom Freund kann trennen.
Auf dieſen Glauben, Glas ſo hold!
Trink' ich dich aus mit hohem Muthe.
Klar ſpiegelt ſich der Sterne Gold,
Pokal in deinem theuren Blute.
Still geht der Mond das Thal entlang,
Ernſt toͤnt die mitternaͤcht'ge Stunde,
Leer ſteht das Glas, der heil'ge Klang
Toͤnt nach in dem kryſtall'nen Grunde.
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