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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

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als früher, glaubte fest an das Daseyn dieser Quälgeister
in ihrem Körper und wurde, von jeher fromm und Gott
vertrauend, immer eifriger im Gebet. (Die gute Einwir-
kung magischer und exorcistischer Mittel, da alle gewöhn-
liche Arzeneyen fruchtlos blieben, ist oben beschrieben, auch
wie sie durch solche von zweyen oder drey Quälgeistern,
welche nacheinander aus ihr sprachen und sich zu erken-
nen gaben, befreyt wurde.)

Die Geschichte des Mädchens aus Orlach, welche großes
Aufsehen erregte und deren auf eine bestimmte Zeit vor-
ausgesagte Heilung wirklich erfolgte, kam auch vor die
Ohren des Mannes des kranken Weibes. Er nahm daher
keinen Anstand, sein Weib auch nach Weinsberg zu führen
und den Dr. Kerner zu bitten, sich auch der Cur derselben
zu unterziehen. Diese Bitte wurde ihm gewährt. Der Arzt
nahm die Frau in sein Haus und wendete, nachdem alle
Mittel erfolglos durchversucht waren, den Magnetismus
bey ihr an, der aber nur einen unbedeutenden und keinswegs
heilenden Einfluß auf sie übte. In ihrem dadurch herbey-
geführten schlafwachen Zustande erfuhr er nur so viel von
ihr, daß ihr Schutzgeist ihr die Hoffnung gebe, durch Gebet
und Gottvertrauen von ihrem bösen Geiste befreit zu werden.
Auf dieß bauend wurden auch von nun an, mit Hintan-
setzung fast aller leiblichen Arzneymittel, nur geistige ma-
gische und hauptsächlich Gebet und Beschwörung im Namen
Jesu, angewendet und das besonders gerade am Tage,
wo ich bey meinem Freunde ankam.

Die Kranke war da schon längere Zeit in seinem Hause.
Ich fand die Patientin in ihrem natürlichen Zustande, der
jedoch eine Stunde später bey Anwendung besagter Mittel
schon durch die heftigsten Anfälle unterbrochen wurde, welche
mit geringen Ruhepunkten bis zum andern Morgen 2 Uhr
in einer Weise fortdauerten, daß sie nicht beschrieben werden
können. Ich unterschied bestimmt die verschiedenen Zustände,
in welche sie abwechslungsweise versetzt wurde, nämlich den
natürlichen, den magnetischen und den sogenannten dämoni-

als früher, glaubte feſt an das Daſeyn dieſer Quälgeiſter
in ihrem Körper und wurde, von jeher fromm und Gott
vertrauend, immer eifriger im Gebet. (Die gute Einwir-
kung magiſcher und exorciſtiſcher Mittel, da alle gewöhn-
liche Arzeneyen fruchtlos blieben, iſt oben beſchrieben, auch
wie ſie durch ſolche von zweyen oder drey Quälgeiſtern,
welche nacheinander aus ihr ſprachen und ſich zu erken-
nen gaben, befreyt wurde.)

Die Geſchichte des Mädchens aus Orlach, welche großes
Aufſehen erregte und deren auf eine beſtimmte Zeit vor-
ausgeſagte Heilung wirklich erfolgte, kam auch vor die
Ohren des Mannes des kranken Weibes. Er nahm daher
keinen Anſtand, ſein Weib auch nach Weinsberg zu führen
und den Dr. Kerner zu bitten, ſich auch der Cur derſelben
zu unterziehen. Dieſe Bitte wurde ihm gewährt. Der Arzt
nahm die Frau in ſein Haus und wendete, nachdem alle
Mittel erfolglos durchverſucht waren, den Magnetismus
bey ihr an, der aber nur einen unbedeutenden und keinswegs
heilenden Einfluß auf ſie übte. In ihrem dadurch herbey-
geführten ſchlafwachen Zuſtande erfuhr er nur ſo viel von
ihr, daß ihr Schutzgeiſt ihr die Hoffnung gebe, durch Gebet
und Gottvertrauen von ihrem böſen Geiſte befreit zu werden.
Auf dieß bauend wurden auch von nun an, mit Hintan-
ſetzung faſt aller leiblichen Arzneymittel, nur geiſtige ma-
giſche und hauptſächlich Gebet und Beſchwörung im Namen
Jeſu, angewendet und das beſonders gerade am Tage,
wo ich bey meinem Freunde ankam.

Die Kranke war da ſchon längere Zeit in ſeinem Hauſe.
Ich fand die Patientin in ihrem natürlichen Zuſtande, der
jedoch eine Stunde ſpäter bey Anwendung beſagter Mittel
ſchon durch die heftigſten Anfälle unterbrochen wurde, welche
mit geringen Ruhepunkten bis zum andern Morgen 2 Uhr
in einer Weiſe fortdauerten, daß ſie nicht beſchrieben werden
können. Ich unterſchied beſtimmt die verſchiedenen Zuſtände,
in welche ſie abwechslungsweiſe verſetzt wurde, nämlich den
natürlichen, den magnetiſchen und den ſogenannten dämoni-

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[84/0098] als früher, glaubte feſt an das Daſeyn dieſer Quälgeiſter in ihrem Körper und wurde, von jeher fromm und Gott vertrauend, immer eifriger im Gebet. (Die gute Einwir- kung magiſcher und exorciſtiſcher Mittel, da alle gewöhn- liche Arzeneyen fruchtlos blieben, iſt oben beſchrieben, auch wie ſie durch ſolche von zweyen oder drey Quälgeiſtern, welche nacheinander aus ihr ſprachen und ſich zu erken- nen gaben, befreyt wurde.) Die Geſchichte des Mädchens aus Orlach, welche großes Aufſehen erregte und deren auf eine beſtimmte Zeit vor- ausgeſagte Heilung wirklich erfolgte, kam auch vor die Ohren des Mannes des kranken Weibes. Er nahm daher keinen Anſtand, ſein Weib auch nach Weinsberg zu führen und den Dr. Kerner zu bitten, ſich auch der Cur derſelben zu unterziehen. Dieſe Bitte wurde ihm gewährt. Der Arzt nahm die Frau in ſein Haus und wendete, nachdem alle Mittel erfolglos durchverſucht waren, den Magnetismus bey ihr an, der aber nur einen unbedeutenden und keinswegs heilenden Einfluß auf ſie übte. In ihrem dadurch herbey- geführten ſchlafwachen Zuſtande erfuhr er nur ſo viel von ihr, daß ihr Schutzgeiſt ihr die Hoffnung gebe, durch Gebet und Gottvertrauen von ihrem böſen Geiſte befreit zu werden. Auf dieß bauend wurden auch von nun an, mit Hintan- ſetzung faſt aller leiblichen Arzneymittel, nur geiſtige ma- giſche und hauptſächlich Gebet und Beſchwörung im Namen Jeſu, angewendet und das beſonders gerade am Tage, wo ich bey meinem Freunde ankam. Die Kranke war da ſchon längere Zeit in ſeinem Hauſe. Ich fand die Patientin in ihrem natürlichen Zuſtande, der jedoch eine Stunde ſpäter bey Anwendung beſagter Mittel ſchon durch die heftigſten Anfälle unterbrochen wurde, welche mit geringen Ruhepunkten bis zum andern Morgen 2 Uhr in einer Weiſe fortdauerten, daß ſie nicht beſchrieben werden können. Ich unterſchied beſtimmt die verſchiedenen Zuſtände, in welche ſie abwechslungsweiſe verſetzt wurde, nämlich den natürlichen, den magnetiſchen und den ſogenannten dämoni-

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Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/98>, abgerufen am 28.04.2024.