Dämon etwas beantwortet oder sonst haben wollte, das nicht in seinem Sinne war und es mit Ungestüm forderte, so daß er auf den Punkt gebracht worden war, Folge lei- sten zu müssen, so sagte er: "So lass' ich das Luder wieder gescheid werden" und damit erwachte sie und blieb wach, bis der Dämon sah, daß man von der Forderung abgestan- den, dann tauchte er wieder in ihr auf und sie schloß die Augen und er sprach.
Auch außer dem Paroxismus, im natürlichen, ganz wa- chen Zustande, machte ihr der Dämon oft die furchtbarsten Schmerzen im Leib, in den Gliedern, im Kopf, in den Zähnen, daß diese Theile oft sichtbar aufschwollen.
Die magnetische Manipulation war bey ihr (und so scheint es bey allen Dämonischen zu seyn) nur dann von Wirkung, wenn die Striche verkehrt, das heißt von unten nach oben (vom entgegengesetzten Pol) gemacht wurden, da man im Gegentheil bey gewöhnlich Magnetischen sie von oben nach unten machen muß. Schon beym dritten Striche kam sie dann meistens in einen halbwachen Zustand, in dem sie eine Stimme, wie die eines Schutzgeistes, sie tröstend und ihr baldige Befreyung versprechend, hörte. Sie sagte in diesem halbwachen Zustande: durch dieses Magnetisiren werde in ihr ihr Schutzgeist immer mehr herbeygerufen und der Dämon in ihr geschwächt. Aber oft tauchte wäh- rend des Magnetisirens und gemeiniglich am Anfang des- selben, der Dämon unversehens in ihr auf, schrie, er lasse sich nicht vertreiben, und stieß Schimpfreden aus. Am Ende eines solchen Anfalles hörte sie auch gemeiniglich in sich eine Stimme, die des Schutzgeistes, die dem Dämon zu weichen befahl. Es gab ihr dann Stöße von unten herauf und sie erwachte. Gegen diesen Schutzgeist wüthete der Dämon sehr oft und nannte ihn nur mit Schimpfreden. Fragte man den Dämon, während er in ihr war, wo jetzt der Geist des Weibes seye, so sagte er: "Er ist mit jenem Lumpen (worunter er den Schutzgeist verstand) fort." *)
*) Man sieht das Gleiche in der Geschichte des Mädchens von Orlach.
Dämon etwas beantwortet oder ſonſt haben wollte, das nicht in ſeinem Sinne war und es mit Ungeſtüm forderte, ſo daß er auf den Punkt gebracht worden war, Folge lei- ſten zu müſſen, ſo ſagte er: „So laſſ’ ich das Luder wieder geſcheid werden“ und damit erwachte ſie und blieb wach, bis der Dämon ſah, daß man von der Forderung abgeſtan- den, dann tauchte er wieder in ihr auf und ſie ſchloß die Augen und er ſprach.
Auch außer dem Paroxismus, im natürlichen, ganz wa- chen Zuſtande, machte ihr der Dämon oft die furchtbarſten Schmerzen im Leib, in den Gliedern, im Kopf, in den Zähnen, daß dieſe Theile oft ſichtbar aufſchwollen.
Die magnetiſche Manipulation war bey ihr (und ſo ſcheint es bey allen Dämoniſchen zu ſeyn) nur dann von Wirkung, wenn die Striche verkehrt, das heißt von unten nach oben (vom entgegengeſetzten Pol) gemacht wurden, da man im Gegentheil bey gewöhnlich Magnetiſchen ſie von oben nach unten machen muß. Schon beym dritten Striche kam ſie dann meiſtens in einen halbwachen Zuſtand, in dem ſie eine Stimme, wie die eines Schutzgeiſtes, ſie tröſtend und ihr baldige Befreyung verſprechend, hörte. Sie ſagte in dieſem halbwachen Zuſtande: durch dieſes Magnetiſiren werde in ihr ihr Schutzgeiſt immer mehr herbeygerufen und der Dämon in ihr geſchwächt. Aber oft tauchte wäh- rend des Magnetiſirens und gemeiniglich am Anfang deſ- ſelben, der Dämon unverſehens in ihr auf, ſchrie, er laſſe ſich nicht vertreiben, und ſtieß Schimpfreden aus. Am Ende eines ſolchen Anfalles hörte ſie auch gemeiniglich in ſich eine Stimme, die des Schutzgeiſtes, die dem Dämon zu weichen befahl. Es gab ihr dann Stöße von unten herauf und ſie erwachte. Gegen dieſen Schutzgeiſt wüthete der Dämon ſehr oft und nannte ihn nur mit Schimpfreden. Fragte man den Dämon, während er in ihr war, wo jetzt der Geiſt des Weibes ſeye, ſo ſagte er: „Er iſt mit jenem Lumpen (worunter er den Schutzgeiſt verſtand) fort.“ *)
*) Man ſieht das Gleiche in der Geſchichte des Mädchens von Orlach.
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Dämon etwas beantwortet oder ſonſt haben wollte, das nicht
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geſcheid werden“ und damit erwachte ſie und blieb wach,
bis der Dämon ſah, daß man von der Forderung abgeſtan-
den, dann tauchte er wieder in ihr auf und ſie ſchloß die
Augen und er ſprach.
Auch außer dem Paroxismus, im natürlichen, ganz wa-
chen Zuſtande, machte ihr der Dämon oft die furchtbarſten
Schmerzen im Leib, in den Gliedern, im Kopf, in den
Zähnen, daß dieſe Theile oft ſichtbar aufſchwollen.
Die magnetiſche Manipulation war bey ihr (und ſo ſcheint
es bey allen Dämoniſchen zu ſeyn) nur dann von Wirkung,
wenn die Striche verkehrt, das heißt von unten nach oben
(vom entgegengeſetzten Pol) gemacht wurden, da man im
Gegentheil bey gewöhnlich Magnetiſchen ſie von oben
nach unten machen muß. Schon beym dritten Striche
kam ſie dann meiſtens in einen halbwachen Zuſtand, in dem
ſie eine Stimme, wie die eines Schutzgeiſtes, ſie tröſtend
und ihr baldige Befreyung verſprechend, hörte. Sie ſagte
in dieſem halbwachen Zuſtande: durch dieſes Magnetiſiren
werde in ihr ihr Schutzgeiſt immer mehr herbeygerufen
und der Dämon in ihr geſchwächt. Aber oft tauchte wäh-
rend des Magnetiſirens und gemeiniglich am Anfang deſ-
ſelben, der Dämon unverſehens in ihr auf, ſchrie, er laſſe
ſich nicht vertreiben, und ſtieß Schimpfreden aus. Am
Ende eines ſolchen Anfalles hörte ſie auch gemeiniglich in
ſich eine Stimme, die des Schutzgeiſtes, die dem Dämon
zu weichen befahl. Es gab ihr dann Stöße von unten
herauf und ſie erwachte. Gegen dieſen Schutzgeiſt wüthete
der Dämon ſehr oft und nannte ihn nur mit Schimpfreden.
Fragte man den Dämon, während er in ihr war, wo jetzt
der Geiſt des Weibes ſeye, ſo ſagte er: „Er iſt mit jenem
Lumpen (worunter er den Schutzgeiſt verſtand) fort.“ *)
*) Man ſieht das Gleiche in der Geſchichte des Mädchens von Orlach.
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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/93>, abgerufen am 07.07.2024.
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