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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

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Reden dieses Dämons sprachen immer teuflische Bosheit
und Entgegenstreben allem Heiligen aus. Gegen Gebet
und religiöse Reden richtete er Spott und Schimpf und
fing furchtbar zu toben, die Frau hin und her zu wer-
fen und mit ihren eigenen Fäusten so zu schlagen an, daß
davon oft bedaurungswürdige Spuren an ihr zurückblieben.
Stets gieng, während man betete, aus dem Munde des
Weibes teuflischer Spott, Geplapper oder thierisches Gebrüll,
aus dem Munde, der, wenn sie zu sich kam, sich so gerne
zum Gebet öffnete, was ihr aber der Dämon nur schwer
zuließ: denn mitten unter dem Gebet tauchte er wieder in
ihr auf, reckte ihr die Zunge unbegreiflich lang aus dem
Munde, verzerrte ihr alle Gesichtsmuskeln und ließ sie die
furchtbarsten Flüche und teuflische Reden gegen Gott, den
Erlöser, die heilige Schrift und gegen das Weib selbst
ausstoßen. Eine völlig reine und wahre Beobachtung ist:
daß, wenn man an den Dämon in ihren Anfällen mit fe-
stem Willen Befehle in lateinischer Sprache richtete, sie von
ihm (that das eine Person, die auf ihn exorcistisch einzuwir-
ken fähig war und geschah es im Namen Jesu) eben so gut
befolgt werden mußten, als wenn diese Befehle in deutscher
Sprache geschahen. So bewegte sie z. E., wurde von einem
solchen zu ihr gesprochen: "Agitetur caput!" das Haupt.
Sprach er: "Agitetur brachium dextrum!" so geschah es.
Sprach er: "Surget e sella!" stund sie auf. Als er ein-
mal sagte: "Moveatur persona ad tristitiam!" so fing
der Dämon aus ihr nach spöttischem Gelächter zu pfeifen
und dann zu singen an. Dieß sind reine Thatsachen, die
von gewichtigen Zeugen bestätiget werden könnten.

Wenn sie mit zusammengelegten Händen betete und dann
der Dämon während des Gebetes zornig in ihr aufstieß,
so war er doch nicht, trotz aller Anstrengung, im Stande
ihr die gefalteten Hände von einander zu lösen. Eben so
wenig war er im Stande, die ihr in die Hände gelegte
Bibel wegzuwerfen. Darüber wurde er immer sehr ergrimmt
und brach in unmächtige Wuth aus. Wenn man von dem

Reden dieſes Dämons ſprachen immer teufliſche Bosheit
und Entgegenſtreben allem Heiligen aus. Gegen Gebet
und religiöſe Reden richtete er Spott und Schimpf und
fing furchtbar zu toben, die Frau hin und her zu wer-
fen und mit ihren eigenen Fäuſten ſo zu ſchlagen an, daß
davon oft bedaurungswürdige Spuren an ihr zurückblieben.
Stets gieng, während man betete, aus dem Munde des
Weibes teufliſcher Spott, Geplapper oder thieriſches Gebrüll,
aus dem Munde, der, wenn ſie zu ſich kam, ſich ſo gerne
zum Gebet öffnete, was ihr aber der Dämon nur ſchwer
zuließ: denn mitten unter dem Gebet tauchte er wieder in
ihr auf, reckte ihr die Zunge unbegreiflich lang aus dem
Munde, verzerrte ihr alle Geſichtsmuskeln und ließ ſie die
furchtbarſten Flüche und teufliſche Reden gegen Gott, den
Erlöſer, die heilige Schrift und gegen das Weib ſelbſt
ausſtoßen. Eine völlig reine und wahre Beobachtung iſt:
daß, wenn man an den Dämon in ihren Anfällen mit fe-
ſtem Willen Befehle in lateiniſcher Sprache richtete, ſie von
ihm (that das eine Perſon, die auf ihn exorciſtiſch einzuwir-
ken fähig war und geſchah es im Namen Jeſu) eben ſo gut
befolgt werden mußten, als wenn dieſe Befehle in deutſcher
Sprache geſchahen. So bewegte ſie z. E., wurde von einem
ſolchen zu ihr geſprochen: „Agitetur caput!“ das Haupt.
Sprach er: „Agitetur brachium dextrum!“ ſo geſchah es.
Sprach er: „Surget e sella!“ ſtund ſie auf. Als er ein-
mal ſagte: „Moveatur persona ad tristitiam!“ ſo fing
der Dämon aus ihr nach ſpöttiſchem Gelächter zu pfeifen
und dann zu ſingen an. Dieß ſind reine Thatſachen, die
von gewichtigen Zeugen beſtätiget werden könnten.

Wenn ſie mit zuſammengelegten Händen betete und dann
der Dämon während des Gebetes zornig in ihr aufſtieß,
ſo war er doch nicht, trotz aller Anſtrengung, im Stande
ihr die gefalteten Hände von einander zu löſen. Eben ſo
wenig war er im Stande, die ihr in die Hände gelegte
Bibel wegzuwerfen. Darüber wurde er immer ſehr ergrimmt
und brach in unmächtige Wuth aus. Wenn man von dem

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[78/0092] Reden dieſes Dämons ſprachen immer teufliſche Bosheit und Entgegenſtreben allem Heiligen aus. Gegen Gebet und religiöſe Reden richtete er Spott und Schimpf und fing furchtbar zu toben, die Frau hin und her zu wer- fen und mit ihren eigenen Fäuſten ſo zu ſchlagen an, daß davon oft bedaurungswürdige Spuren an ihr zurückblieben. Stets gieng, während man betete, aus dem Munde des Weibes teufliſcher Spott, Geplapper oder thieriſches Gebrüll, aus dem Munde, der, wenn ſie zu ſich kam, ſich ſo gerne zum Gebet öffnete, was ihr aber der Dämon nur ſchwer zuließ: denn mitten unter dem Gebet tauchte er wieder in ihr auf, reckte ihr die Zunge unbegreiflich lang aus dem Munde, verzerrte ihr alle Geſichtsmuskeln und ließ ſie die furchtbarſten Flüche und teufliſche Reden gegen Gott, den Erlöſer, die heilige Schrift und gegen das Weib ſelbſt ausſtoßen. Eine völlig reine und wahre Beobachtung iſt: daß, wenn man an den Dämon in ihren Anfällen mit fe- ſtem Willen Befehle in lateiniſcher Sprache richtete, ſie von ihm (that das eine Perſon, die auf ihn exorciſtiſch einzuwir- ken fähig war und geſchah es im Namen Jeſu) eben ſo gut befolgt werden mußten, als wenn dieſe Befehle in deutſcher Sprache geſchahen. So bewegte ſie z. E., wurde von einem ſolchen zu ihr geſprochen: „Agitetur caput!“ das Haupt. Sprach er: „Agitetur brachium dextrum!“ ſo geſchah es. Sprach er: „Surget e sella!“ ſtund ſie auf. Als er ein- mal ſagte: „Moveatur persona ad tristitiam!“ ſo fing der Dämon aus ihr nach ſpöttiſchem Gelächter zu pfeifen und dann zu ſingen an. Dieß ſind reine Thatſachen, die von gewichtigen Zeugen beſtätiget werden könnten. Wenn ſie mit zuſammengelegten Händen betete und dann der Dämon während des Gebetes zornig in ihr aufſtieß, ſo war er doch nicht, trotz aller Anſtrengung, im Stande ihr die gefalteten Hände von einander zu löſen. Eben ſo wenig war er im Stande, die ihr in die Hände gelegte Bibel wegzuwerfen. Darüber wurde er immer ſehr ergrimmt und brach in unmächtige Wuth aus. Wenn man von dem

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Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/92>, abgerufen am 28.04.2024.