bösen schwarzen Geiste besessen sey, Glauben schenken, wenn gleich wieder andere wenigere nicht läugnen mochten, daß einerseits in den evangelischen Geschichten dergleichen Er- eignisse, welche nur durch eine verkünstelte Exegese umzu- gestalten sind, als sich von selbst verstehende Dinge erzählt werden, und daß sie anderseits die Thatsachen, über deren Wahrhaftigkeit ihnen selbst nicht der mindeste Zweifel blieb, mit ihren Doktrinen schlechthin nicht zu erklären vermöchten. Denn wenn sie gleich, dieselben generalisirend, den Krankheitszustand des Mädchens zu den Nervenkrank- heiten, und sie specialisirend, zu einer Art von Epilepsie zählen zu dürfen glaubten, so schien es ihnen selber doch auch wieder unmöglich, in den Zufällen eine Analogie mit irgend einer bestimmten Art von Epilepsie zu finden und zu rechtfertigen. Denn es ging diesem Zustande auch nicht die mindeste körperliche Störung voran, das Mädchen war in keiner Hinsicht je krank gewesen (litt nicht und hatte nie an Ausschlägen, nie an Menstruationsstörungen u. s. w. gelitten), sie war gleich nach den heftigsten Krämpfen frisch und gesund, kräftig, thätig, heiter. Sie erwachte (wie schon bemerkt) nach den Anfällen, als hätte es ihr von erbaulichen Liedern geträumt, die sie in einer Kirche singen zu hören glaubte, während doch der schwarze Dämon durch ihren Mund mit fremdartiger Stimme die schändlichsten Blas- phemien ausstieß. Die rechte Seite blieb während der to- bendsten Anfälle warm und ruhig, indessen das linke Bein eiskalt vier volle Stunden hindurch ununterbrochen mit un- glaublicher Gewalt auf und niederflog und den Boden schlug, und sich dennoch weder Geifer vor dem Munde, noch ein- geschlagene Daumen an den Händen wahrnehmen ließen; war auch einmal der Daumen der linken Hand eingeschla- gen, so reichte ein Wort hin, um ihn in seine natürliche Lage zu bringen.
Dennoch! die Mehrzahl stimmte immer für Dämonomanie aus körperlich-krankhafter Ursache, für Epilepsie, die in partiellen Wahnsinn übergehe, und der eine wohl bereits schon
böſen ſchwarzen Geiſte beſeſſen ſey, Glauben ſchenken, wenn gleich wieder andere wenigere nicht läugnen mochten, daß einerſeits in den evangeliſchen Geſchichten dergleichen Er- eigniſſe, welche nur durch eine verkünſtelte Exegeſe umzu- geſtalten ſind, als ſich von ſelbſt verſtehende Dinge erzählt werden, und daß ſie anderſeits die Thatſachen, über deren Wahrhaftigkeit ihnen ſelbſt nicht der mindeſte Zweifel blieb, mit ihren Doktrinen ſchlechthin nicht zu erklären vermöchten. Denn wenn ſie gleich, dieſelben generaliſirend, den Krankheitszuſtand des Mädchens zu den Nervenkrank- heiten, und ſie ſpecialiſirend, zu einer Art von Epilepſie zählen zu dürfen glaubten, ſo ſchien es ihnen ſelber doch auch wieder unmöglich, in den Zufällen eine Analogie mit irgend einer beſtimmten Art von Epilepſie zu finden und zu rechtfertigen. Denn es ging dieſem Zuſtande auch nicht die mindeſte körperliche Störung voran, das Mädchen war in keiner Hinſicht je krank geweſen (litt nicht und hatte nie an Ausſchlägen, nie an Menſtruationsſtörungen u. ſ. w. gelitten), ſie war gleich nach den heftigſten Krämpfen friſch und geſund, kräftig, thätig, heiter. Sie erwachte (wie ſchon bemerkt) nach den Anfällen, als hätte es ihr von erbaulichen Liedern geträumt, die ſie in einer Kirche ſingen zu hören glaubte, während doch der ſchwarze Dämon durch ihren Mund mit fremdartiger Stimme die ſchändlichſten Blas- phemien ausſtieß. Die rechte Seite blieb während der to- bendſten Anfälle warm und ruhig, indeſſen das linke Bein eiskalt vier volle Stunden hindurch ununterbrochen mit un- glaublicher Gewalt auf und niederflog und den Boden ſchlug, und ſich dennoch weder Geifer vor dem Munde, noch ein- geſchlagene Daumen an den Händen wahrnehmen ließen; war auch einmal der Daumen der linken Hand eingeſchla- gen, ſo reichte ein Wort hin, um ihn in ſeine natürliche Lage zu bringen.
Dennoch! die Mehrzahl ſtimmte immer für Dämonomanie aus körperlich-krankhafter Urſache, für Epilepſie, die in partiellen Wahnſinn übergehe, und der eine wohl bereits ſchon
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böſen ſchwarzen Geiſte beſeſſen ſey, Glauben ſchenken, wenn
gleich wieder andere wenigere nicht läugnen mochten, daß
einerſeits in den evangeliſchen Geſchichten dergleichen Er-
eigniſſe, welche nur durch eine verkünſtelte Exegeſe umzu-
geſtalten ſind, als ſich von ſelbſt verſtehende Dinge erzählt
werden, und daß ſie anderſeits die Thatſachen, über deren
Wahrhaftigkeit ihnen ſelbſt nicht der mindeſte Zweifel
blieb, mit ihren Doktrinen ſchlechthin nicht zu erklären
vermöchten. Denn wenn ſie gleich, dieſelben generaliſirend,
den Krankheitszuſtand des Mädchens zu den Nervenkrank-
heiten, und ſie ſpecialiſirend, zu einer Art von Epilepſie
zählen zu dürfen glaubten, ſo ſchien es ihnen ſelber doch
auch wieder unmöglich, in den Zufällen eine Analogie
mit irgend einer beſtimmten Art von Epilepſie zu finden
und zu rechtfertigen. Denn es ging dieſem Zuſtande auch
nicht die mindeſte körperliche Störung voran, das Mädchen
war in keiner Hinſicht je krank geweſen (litt nicht und hatte
nie an Ausſchlägen, nie an Menſtruationsſtörungen u. ſ. w.
gelitten), ſie war gleich nach den heftigſten Krämpfen friſch
und geſund, kräftig, thätig, heiter. Sie erwachte (wie ſchon
bemerkt) nach den Anfällen, als hätte es ihr von erbaulichen
Liedern geträumt, die ſie in einer Kirche ſingen zu hören
glaubte, während doch der ſchwarze Dämon durch ihren
Mund mit fremdartiger Stimme die ſchändlichſten Blas-
phemien ausſtieß. Die rechte Seite blieb während der to-
bendſten Anfälle warm und ruhig, indeſſen das linke Bein
eiskalt vier volle Stunden hindurch ununterbrochen mit un-
glaublicher Gewalt auf und niederflog und den Boden ſchlug,
und ſich dennoch weder Geifer vor dem Munde, noch ein-
geſchlagene Daumen an den Händen wahrnehmen ließen;
war auch einmal der Daumen der linken Hand eingeſchla-
gen, ſo reichte ein Wort hin, um ihn in ſeine natürliche
Lage zu bringen.
Dennoch! die Mehrzahl ſtimmte immer für Dämonomanie
aus körperlich-krankhafter Urſache, für Epilepſie, die in
partiellen Wahnſinn übergehe, und der eine wohl bereits ſchon
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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/52>, abgerufen am 16.07.2024.
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