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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

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wo eine Seele in einem fremden Leibe wohnt, und die wahre
Inwohnerin beherrscht, kann im Guten wie im Bösen, und
sogar noch bei Leibesleben des Gastes, wie viel mehr nach
dessen leiblichem Tode Statt haben, und ist längst unter dem
Namen Ibbur bekannt. Man sehe darüber Kerners Ge-
schichte zweier Somnambulen nebst andern Denkwürdigkeiten
aus dem Gebiete der magischen Heilkunde, und v. Meyers
Blätter für höhere Wahrheit 9. Samml. S. 272.

Deutlich redet die heilige Schrift davon allerdings nicht,
und das vornehmlich deswegen, weil sie ihre weisen Ursachen
hat, den Zustand der Verstorbenen überhaupt zu verschleiern,
besonders die, daß Niemand seine Buße auf das Leben nach
dem Tode verschieben möge. Sie macht gleichwohl manche
wichtige Andeutung davon, mit welcher die Erfahrungen neue-
rer Zeit übereinstimmen, und es scheint, daß in unsern Tagen
auch jene Wahrheit von der Influenz der Abgeschiedenen auf
die Lebenden und von ihren Besitzungen offenbar werden soll.
Der Zweck dieser nähern Entdeckung möchte mannigfach seyn
und ist in allem Betracht zu unserm Heil gemeint. Auch können
wir nicht wissen, ob nicht unter dem allgemeinen Namen der
Dämonischen im neuen Testamente (will man auch nicht mit
Farmer annehmen, daß unter dem Wort Dämon in der Bibel
nie ein Teufel, sondern immer die abgeschiedene Seele eines
bösen Menschen verstanden werde) wirklich solche begriffen sind,
die nicht von Teufeln, sondern von andern Menschenseelen be-
sessen waren: denn da dieses der wenigere Theil seyn mochte,
so gingen sie mit unter der Benennung der vorherrschenden
Gattung hin."

Die oben erwähnte, hieher gehörende Stelle aus v. Meyers
Blätter für höhere Wahrheit ist folgende:

"Die Rabbinen, besonders die kabalistischen behaupten,
daß die Seele eines Verstorbenen auf einen Lebendigen
geheimen Einfluß haben, ihn inspiriren, ja bewohnen und be-
sitzen könne, ohne für immer an ihn gebunden zu seyn, und
ohne Aufhebung der beyderseitigen Persönlichkeit, obgleich

Kerner, über Besessenseyn. 2

wo eine Seele in einem fremden Leibe wohnt, und die wahre
Inwohnerin beherrſcht, kann im Guten wie im Böſen, und
ſogar noch bei Leibesleben des Gaſtes, wie viel mehr nach
deſſen leiblichem Tode Statt haben, und iſt längſt unter dem
Namen Ibbur bekannt. Man ſehe darüber Kerners Ge-
ſchichte zweier Somnambulen nebſt andern Denkwürdigkeiten
aus dem Gebiete der magiſchen Heilkunde, und v. Meyers
Blätter für höhere Wahrheit 9. Samml. S. 272.

Deutlich redet die heilige Schrift davon allerdings nicht,
und das vornehmlich deswegen, weil ſie ihre weiſen Urſachen
hat, den Zuſtand der Verſtorbenen überhaupt zu verſchleiern,
beſonders die, daß Niemand ſeine Buße auf das Leben nach
dem Tode verſchieben möge. Sie macht gleichwohl manche
wichtige Andeutung davon, mit welcher die Erfahrungen neue-
rer Zeit übereinſtimmen, und es ſcheint, daß in unſern Tagen
auch jene Wahrheit von der Influenz der Abgeſchiedenen auf
die Lebenden und von ihren Beſitzungen offenbar werden ſoll.
Der Zweck dieſer nähern Entdeckung möchte mannigfach ſeyn
und iſt in allem Betracht zu unſerm Heil gemeint. Auch können
wir nicht wiſſen, ob nicht unter dem allgemeinen Namen der
Dämoniſchen im neuen Teſtamente (will man auch nicht mit
Farmer annehmen, daß unter dem Wort Dämon in der Bibel
nie ein Teufel, ſondern immer die abgeſchiedene Seele eines
böſen Menſchen verſtanden werde) wirklich ſolche begriffen ſind,
die nicht von Teufeln, ſondern von andern Menſchenſeelen be-
ſeſſen waren: denn da dieſes der wenigere Theil ſeyn mochte,
ſo gingen ſie mit unter der Benennung der vorherrſchenden
Gattung hin.“

Die oben erwähnte, hieher gehörende Stelle aus v. Meyers
Blätter für höhere Wahrheit iſt folgende:

„Die Rabbinen, beſonders die kabaliſtiſchen behaupten,
daß die Seele eines Verſtorbenen auf einen Lebendigen
geheimen Einfluß haben, ihn inſpiriren, ja bewohnen und be-
ſitzen könne, ohne für immer an ihn gebunden zu ſeyn, und
ohne Aufhebung der beyderſeitigen Perſönlichkeit, obgleich

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[17/0031] wo eine Seele in einem fremden Leibe wohnt, und die wahre Inwohnerin beherrſcht, kann im Guten wie im Böſen, und ſogar noch bei Leibesleben des Gaſtes, wie viel mehr nach deſſen leiblichem Tode Statt haben, und iſt längſt unter dem Namen Ibbur bekannt. Man ſehe darüber Kerners Ge- ſchichte zweier Somnambulen nebſt andern Denkwürdigkeiten aus dem Gebiete der magiſchen Heilkunde, und v. Meyers Blätter für höhere Wahrheit 9. Samml. S. 272. Deutlich redet die heilige Schrift davon allerdings nicht, und das vornehmlich deswegen, weil ſie ihre weiſen Urſachen hat, den Zuſtand der Verſtorbenen überhaupt zu verſchleiern, beſonders die, daß Niemand ſeine Buße auf das Leben nach dem Tode verſchieben möge. Sie macht gleichwohl manche wichtige Andeutung davon, mit welcher die Erfahrungen neue- rer Zeit übereinſtimmen, und es ſcheint, daß in unſern Tagen auch jene Wahrheit von der Influenz der Abgeſchiedenen auf die Lebenden und von ihren Beſitzungen offenbar werden ſoll. Der Zweck dieſer nähern Entdeckung möchte mannigfach ſeyn und iſt in allem Betracht zu unſerm Heil gemeint. Auch können wir nicht wiſſen, ob nicht unter dem allgemeinen Namen der Dämoniſchen im neuen Teſtamente (will man auch nicht mit Farmer annehmen, daß unter dem Wort Dämon in der Bibel nie ein Teufel, ſondern immer die abgeſchiedene Seele eines böſen Menſchen verſtanden werde) wirklich ſolche begriffen ſind, die nicht von Teufeln, ſondern von andern Menſchenſeelen be- ſeſſen waren: denn da dieſes der wenigere Theil ſeyn mochte, ſo gingen ſie mit unter der Benennung der vorherrſchenden Gattung hin.“ Die oben erwähnte, hieher gehörende Stelle aus v. Meyers Blätter für höhere Wahrheit iſt folgende: „Die Rabbinen, beſonders die kabaliſtiſchen behaupten, daß die Seele eines Verſtorbenen auf einen Lebendigen geheimen Einfluß haben, ihn inſpiriren, ja bewohnen und be- ſitzen könne, ohne für immer an ihn gebunden zu ſeyn, und ohne Aufhebung der beyderſeitigen Perſönlichkeit, obgleich Kerner, über Beſeſſenſeyn. 2

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Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/31>, abgerufen am 21.11.2024.