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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

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Das positive Extrem beugt um in die Verklärung himmli-
scher Wesen, wo eine höhere Kraft den Menschen beseelt,
welche wohlthätig, heilend und im Segen wirkt, den Men-
schen zur Wohlfarth dient und Gott wohlgefällig ist. Das
negative Extrem hingegen beugt um in die Scheusale dä-
monischer Wesen, wo eine unnatürliche Kraft den Men-
schen beseelt, welche verderblich, zerstörend und im Fluche
wirkt, den Menschen zum Schaden dient und von Gott
verdammt ist. In der Mitte aber zwischen den Extremen
steht der Mensch frey, und diese Freyheit ist die Gabe Got-
tes, welche den Menschen zur Selbstbestimmung befähigt
und ihn zum Schöpfer seiner Thaten und Werke macht.

Der Mensch kann sich nun zum Fluch oder Segen wen-
den. Jenes ist seine Schuld, dieses sein Verdienst. So
lange er innerhalb der Gränzen stehen bleibt, in welchen
das Böse zwar seine verschiedenen Wurzeln treibt, aber
doch das religiöse christliche Princip nicht verläugnet wird,
so lange mögen zwar alle Richtungen des Bösen, vom Ele-
ment der Eigenliebe an durch Laster und Verbrechen bis
zur abgefeimten Bosheit, sich in ihm ausbilden, aber er
hat doch noch seinen Stützpunkt am christlichen Prinzip nicht
verloren, und kann sich an ihm wieder aufrichten.

Geht der Mensch aber in das negative Extrem selbst
über, wo die Natur umbeugt in die Unnatur, dann wird
er ein Eigenthum des Satans. Er übergibt sich ihm in
einem förmlichen Bunde, schwört das christliche Princip
förmlich ab, und sein ganzes Leben wird Scheusal und
Fluch. Aber dann wirken auch die Kräfte der Unnatur in
ihm und durch ihn auf eine Weise, welche dem naturge-
mäßen Wirken nicht mehr analog ist.

Dieß ist dann die Magie der dem Zauber er-
gebenen Personen, welche aus eigener Lust sich
zu Werkzeugen des Satans gebrauchen lassen
.

Es scheint überhaupt, daß der Satan, ein so gewalti-
ger Feind der Menschen er auch ist, dennoch keine Macht

Das poſitive Extrem beugt um in die Verklärung himmli-
ſcher Weſen, wo eine höhere Kraft den Menſchen beſeelt,
welche wohlthätig, heilend und im Segen wirkt, den Men-
ſchen zur Wohlfarth dient und Gott wohlgefällig iſt. Das
negative Extrem hingegen beugt um in die Scheuſale dä-
moniſcher Weſen, wo eine unnatürliche Kraft den Men-
ſchen beſeelt, welche verderblich, zerſtörend und im Fluche
wirkt, den Menſchen zum Schaden dient und von Gott
verdammt iſt. In der Mitte aber zwiſchen den Extremen
ſteht der Menſch frey, und dieſe Freyheit iſt die Gabe Got-
tes, welche den Menſchen zur Selbſtbeſtimmung befähigt
und ihn zum Schöpfer ſeiner Thaten und Werke macht.

Der Menſch kann ſich nun zum Fluch oder Segen wen-
den. Jenes iſt ſeine Schuld, dieſes ſein Verdienſt. So
lange er innerhalb der Gränzen ſtehen bleibt, in welchen
das Böſe zwar ſeine verſchiedenen Wurzeln treibt, aber
doch das religiöſe chriſtliche Princip nicht verläugnet wird,
ſo lange mögen zwar alle Richtungen des Böſen, vom Ele-
ment der Eigenliebe an durch Laſter und Verbrechen bis
zur abgefeimten Bosheit, ſich in ihm ausbilden, aber er
hat doch noch ſeinen Stützpunkt am chriſtlichen Prinzip nicht
verloren, und kann ſich an ihm wieder aufrichten.

Geht der Menſch aber in das negative Extrem ſelbſt
über, wo die Natur umbeugt in die Unnatur, dann wird
er ein Eigenthum des Satans. Er übergibt ſich ihm in
einem förmlichen Bunde, ſchwört das chriſtliche Princip
förmlich ab, und ſein ganzes Leben wird Scheuſal und
Fluch. Aber dann wirken auch die Kräfte der Unnatur in
ihm und durch ihn auf eine Weiſe, welche dem naturge-
mäßen Wirken nicht mehr analog iſt.

Dieß iſt dann die Magie der dem Zauber er-
gebenen Perſonen, welche aus eigener Luſt ſich
zu Werkzeugen des Satans gebrauchen laſſen
.

Es ſcheint überhaupt, daß der Satan, ein ſo gewalti-
ger Feind der Menſchen er auch iſt, dennoch keine Macht

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[165/0179] Das poſitive Extrem beugt um in die Verklärung himmli- ſcher Weſen, wo eine höhere Kraft den Menſchen beſeelt, welche wohlthätig, heilend und im Segen wirkt, den Men- ſchen zur Wohlfarth dient und Gott wohlgefällig iſt. Das negative Extrem hingegen beugt um in die Scheuſale dä- moniſcher Weſen, wo eine unnatürliche Kraft den Men- ſchen beſeelt, welche verderblich, zerſtörend und im Fluche wirkt, den Menſchen zum Schaden dient und von Gott verdammt iſt. In der Mitte aber zwiſchen den Extremen ſteht der Menſch frey, und dieſe Freyheit iſt die Gabe Got- tes, welche den Menſchen zur Selbſtbeſtimmung befähigt und ihn zum Schöpfer ſeiner Thaten und Werke macht. Der Menſch kann ſich nun zum Fluch oder Segen wen- den. Jenes iſt ſeine Schuld, dieſes ſein Verdienſt. So lange er innerhalb der Gränzen ſtehen bleibt, in welchen das Böſe zwar ſeine verſchiedenen Wurzeln treibt, aber doch das religiöſe chriſtliche Princip nicht verläugnet wird, ſo lange mögen zwar alle Richtungen des Böſen, vom Ele- ment der Eigenliebe an durch Laſter und Verbrechen bis zur abgefeimten Bosheit, ſich in ihm ausbilden, aber er hat doch noch ſeinen Stützpunkt am chriſtlichen Prinzip nicht verloren, und kann ſich an ihm wieder aufrichten. Geht der Menſch aber in das negative Extrem ſelbſt über, wo die Natur umbeugt in die Unnatur, dann wird er ein Eigenthum des Satans. Er übergibt ſich ihm in einem förmlichen Bunde, ſchwört das chriſtliche Princip förmlich ab, und ſein ganzes Leben wird Scheuſal und Fluch. Aber dann wirken auch die Kräfte der Unnatur in ihm und durch ihn auf eine Weiſe, welche dem naturge- mäßen Wirken nicht mehr analog iſt. Dieß iſt dann die Magie der dem Zauber er- gebenen Perſonen, welche aus eigener Luſt ſich zu Werkzeugen des Satans gebrauchen laſſen. Es ſcheint überhaupt, daß der Satan, ein ſo gewalti- ger Feind der Menſchen er auch iſt, dennoch keine Macht

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Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/179>, abgerufen am 27.11.2024.