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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

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Die beste Methode würde allerdings die seyn, welche die
beyden Geistlichen in Döffingen und Gärtringen be-
folgten, nämlich den Exorcismus nach dem Gottesdienst
bei versammelter Gemeinde und unter Mitwirkung ihres
Gebets in der Kirche vorzunehmen. Bey den Katholiken
gehört dieß Alles nicht blos unter die erlaubten, sondern
selbst unter die verordneten Gebräuche, wie überhaupt in
der katholischen Kirche der Exorcismus unter einen ganz
andern Gesichtspunkt gestellt wird, als in der protestanti-
schen. Allein, wo finden wir eine solche Gemeinde, die
an einem solchen Akt nicht Anstoß und Aergerniß nehmen
und mit herzlicher innerer Beystimmung den Geistlichen un-
terstützen würde, so daß, wie Pfarrer Hartmann von
seiner Gemeinde in Döffingen erzählt, eine mächtige Be-
wegung, Angst, Furcht, Zittern, Weinen, Bangigkeit die
Gemüther der Gemeinde ergriffe? Nicht überall trifft man
solche Gemeinden an, wie die Gemeinde Bonnet im fran-
zösischen Maasdepartement ist, welche, um Verrückte zu
heilen, durch ihre Mitwirkung eine schon lange daselbst
gebräuchliche Heilmethode unterstützt, die darin besteht, daß
der Verrückte in Begleitung der frommen Inwohner und
Kinder in Form einer Prozession zu einer dem Schutzpatron
der Irren geweihten Quelle, von da in die Kirche geführt
und nach Abhaltung einer feyerlichen Messe in eine Zelle
gebracht wird, wo er unter Aufsicht freundlicher Wärter
steht. Diese Heilmethode dauert neun Tage und wird da-
her Neufaine genannt. Das Tagebuch dieses Orts gibt
eine Menge geheilter Kranken an.

Eine gleiche Anstalt würde ohne Zweifel auch bey Ener-
gumenen von großem Erfolg seyn, aber es fehlt an der
Hauptsache, nämlich an dem frommen Sinn solcher Ge-
meinden.

In Ermanglung dessen bleibt nichts übrig, als daß sich
eine kleine Anzahl frommer Männer zu diesem Zwecke ver-
sammelt, durch Gesang und Gebet die glaubige Stimmung
hervorruft und auf diese Weise den förmlichen Austreibungs-

Die beſte Methode würde allerdings die ſeyn, welche die
beyden Geiſtlichen in Döffingen und Gärtringen be-
folgten, nämlich den Exorcismus nach dem Gottesdienſt
bei verſammelter Gemeinde und unter Mitwirkung ihres
Gebets in der Kirche vorzunehmen. Bey den Katholiken
gehört dieß Alles nicht blos unter die erlaubten, ſondern
ſelbſt unter die verordneten Gebräuche, wie überhaupt in
der katholiſchen Kirche der Exorcismus unter einen ganz
andern Geſichtspunkt geſtellt wird, als in der proteſtanti-
ſchen. Allein, wo finden wir eine ſolche Gemeinde, die
an einem ſolchen Akt nicht Anſtoß und Aergerniß nehmen
und mit herzlicher innerer Beyſtimmung den Geiſtlichen un-
terſtützen würde, ſo daß, wie Pfarrer Hartmann von
ſeiner Gemeinde in Döffingen erzählt, eine mächtige Be-
wegung, Angſt, Furcht, Zittern, Weinen, Bangigkeit die
Gemüther der Gemeinde ergriffe? Nicht überall trifft man
ſolche Gemeinden an, wie die Gemeinde Bonnet im fran-
zöſiſchen Maasdepartement iſt, welche, um Verrückte zu
heilen, durch ihre Mitwirkung eine ſchon lange daſelbſt
gebräuchliche Heilmethode unterſtützt, die darin beſteht, daß
der Verrückte in Begleitung der frommen Inwohner und
Kinder in Form einer Prozeſſion zu einer dem Schutzpatron
der Irren geweihten Quelle, von da in die Kirche geführt
und nach Abhaltung einer feyerlichen Meſſe in eine Zelle
gebracht wird, wo er unter Aufſicht freundlicher Wärter
ſteht. Dieſe Heilmethode dauert neun Tage und wird da-
her Neufaine genannt. Das Tagebuch dieſes Orts gibt
eine Menge geheilter Kranken an.

Eine gleiche Anſtalt würde ohne Zweifel auch bey Ener-
gumenen von großem Erfolg ſeyn, aber es fehlt an der
Hauptſache, nämlich an dem frommen Sinn ſolcher Ge-
meinden.

In Ermanglung deſſen bleibt nichts übrig, als daß ſich
eine kleine Anzahl frommer Männer zu dieſem Zwecke ver-
ſammelt, durch Geſang und Gebet die glaubige Stimmung
hervorruft und auf dieſe Weiſe den förmlichen Austreibungs-

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[159/0173] Die beſte Methode würde allerdings die ſeyn, welche die beyden Geiſtlichen in Döffingen und Gärtringen be- folgten, nämlich den Exorcismus nach dem Gottesdienſt bei verſammelter Gemeinde und unter Mitwirkung ihres Gebets in der Kirche vorzunehmen. Bey den Katholiken gehört dieß Alles nicht blos unter die erlaubten, ſondern ſelbſt unter die verordneten Gebräuche, wie überhaupt in der katholiſchen Kirche der Exorcismus unter einen ganz andern Geſichtspunkt geſtellt wird, als in der proteſtanti- ſchen. Allein, wo finden wir eine ſolche Gemeinde, die an einem ſolchen Akt nicht Anſtoß und Aergerniß nehmen und mit herzlicher innerer Beyſtimmung den Geiſtlichen un- terſtützen würde, ſo daß, wie Pfarrer Hartmann von ſeiner Gemeinde in Döffingen erzählt, eine mächtige Be- wegung, Angſt, Furcht, Zittern, Weinen, Bangigkeit die Gemüther der Gemeinde ergriffe? Nicht überall trifft man ſolche Gemeinden an, wie die Gemeinde Bonnet im fran- zöſiſchen Maasdepartement iſt, welche, um Verrückte zu heilen, durch ihre Mitwirkung eine ſchon lange daſelbſt gebräuchliche Heilmethode unterſtützt, die darin beſteht, daß der Verrückte in Begleitung der frommen Inwohner und Kinder in Form einer Prozeſſion zu einer dem Schutzpatron der Irren geweihten Quelle, von da in die Kirche geführt und nach Abhaltung einer feyerlichen Meſſe in eine Zelle gebracht wird, wo er unter Aufſicht freundlicher Wärter ſteht. Dieſe Heilmethode dauert neun Tage und wird da- her Neufaine genannt. Das Tagebuch dieſes Orts gibt eine Menge geheilter Kranken an. Eine gleiche Anſtalt würde ohne Zweifel auch bey Ener- gumenen von großem Erfolg ſeyn, aber es fehlt an der Hauptſache, nämlich an dem frommen Sinn ſolcher Ge- meinden. In Ermanglung deſſen bleibt nichts übrig, als daß ſich eine kleine Anzahl frommer Männer zu dieſem Zwecke ver- ſammelt, durch Geſang und Gebet die glaubige Stimmung hervorruft und auf dieſe Weiſe den förmlichen Austreibungs-

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Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/173>, abgerufen am 23.11.2024.