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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

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und die Frau war und blieb ruhig, schmerzlos und still heiter.
Man ließ sie eine schwache Fleischbrühe nehmen, und auch
diese ertrug sie, was sonst nie der Fall war. Sie ging nun
ins Freie und bestieg einen Hügel, um dort einsam zu
beten, kehrte gestärkt und voll Vertrauen zurück. Ihre Ge-
sichtzüge waren beruhigt, die Augen heller geworden, und
aus ihren Antworten leuchtete eine stille Heiterkeit hervor.
Für ihren Dauk gegen Dr. Kerner und seine Familie konnte
sie nicht herzliche Worte genug finden. Als die Familie und
deren Gäste Abends traulich bei Tische saßen und auch einige
scherzhafte Geschichten erzählt wurden, hörte man die Frau,
die in einiger Entfernung am Ofen saß und dem Gespräche
mit Theilnahme zuhörte, zum erstenmal, seit sie im Hause
des Arztes war, herzlich lachen.

Es sind nun noch die Aussagen und Bekenntnisse des dämo-
nischen Wesens in einem kurzen Inbegriff nachzuholen, mit
Hinweglassung der Fragen und Wiederholungen; sie lau-
ten so:

"Ich hieß im Leben Caspar B...r und wurde im Jahr
"1783 geboren. Ich ging zwar in die Schule, lernte
"aber nichts. Es ging nichts in mich hinein, und auch
"bey der Confirmation hatte ich weder Einsehens noch
"Glauben. Es fehlte an der Hauptsache im Hause, an
"der Kinderzucht. Mein Vater war manchmal sehr streng,
"die Mutter aber immer zu gut. Sie glaubte Alles,
"was ich sagte, und ich betrog sie stets. Dem Vater
"läugnete ich ab, was er ganz gewiß wußte. Wenn
"er dann zornig darüber wurde, versündigte ich mich
"vielfach an ihm, so wie an der Mutter. Einmal schüt-
"telte und würgte ich den Vater im Zorne. Ich lernte
"das Müller-Handwerk, that aber niemals gut, ich
"trank gerne und verging mich oft mit Weibspersonen.
"Eine davon wurde von mir schwanger, ich läugnete
"hartnäckig, daß ich Vater zum Kinde sey. Ich sagte
"früher, daß ich mich losgeschworen hätte, aber dieß
"ist nicht wahr, wahr aber ist, daß ich das Mädchen

und die Frau war und blieb ruhig, ſchmerzlos und ſtill heiter.
Man ließ ſie eine ſchwache Fleiſchbrühe nehmen, und auch
dieſe ertrug ſie, was ſonſt nie der Fall war. Sie ging nun
ins Freie und beſtieg einen Hügel, um dort einſam zu
beten, kehrte geſtärkt und voll Vertrauen zurück. Ihre Ge-
ſichtzüge waren beruhigt, die Augen heller geworden, und
aus ihren Antworten leuchtete eine ſtille Heiterkeit hervor.
Für ihren Dauk gegen Dr. Kerner und ſeine Familie konnte
ſie nicht herzliche Worte genug finden. Als die Familie und
deren Gäſte Abends traulich bei Tiſche ſaßen und auch einige
ſcherzhafte Geſchichten erzählt wurden, hörte man die Frau,
die in einiger Entfernung am Ofen ſaß und dem Geſpräche
mit Theilnahme zuhörte, zum erſtenmal, ſeit ſie im Hauſe
des Arztes war, herzlich lachen.

Es ſind nun noch die Ausſagen und Bekenntniſſe des dämo-
niſchen Weſens in einem kurzen Inbegriff nachzuholen, mit
Hinweglaſſung der Fragen und Wiederholungen; ſie lau-
ten ſo:

„Ich hieß im Leben Caſpar B…r und wurde im Jahr
„1783 geboren. Ich ging zwar in die Schule, lernte
„aber nichts. Es ging nichts in mich hinein, und auch
„bey der Confirmation hatte ich weder Einſehens noch
„Glauben. Es fehlte an der Hauptſache im Hauſe, an
„der Kinderzucht. Mein Vater war manchmal ſehr ſtreng,
„die Mutter aber immer zu gut. Sie glaubte Alles,
„was ich ſagte, und ich betrog ſie ſtets. Dem Vater
„läugnete ich ab, was er ganz gewiß wußte. Wenn
„er dann zornig darüber wurde, verſündigte ich mich
„vielfach an ihm, ſo wie an der Mutter. Einmal ſchüt-
„telte und würgte ich den Vater im Zorne. Ich lernte
„das Müller-Handwerk, that aber niemals gut, ich
„trank gerne und verging mich oft mit Weibsperſonen.
„Eine davon wurde von mir ſchwanger, ich läugnete
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[90/0104] und die Frau war und blieb ruhig, ſchmerzlos und ſtill heiter. Man ließ ſie eine ſchwache Fleiſchbrühe nehmen, und auch dieſe ertrug ſie, was ſonſt nie der Fall war. Sie ging nun ins Freie und beſtieg einen Hügel, um dort einſam zu beten, kehrte geſtärkt und voll Vertrauen zurück. Ihre Ge- ſichtzüge waren beruhigt, die Augen heller geworden, und aus ihren Antworten leuchtete eine ſtille Heiterkeit hervor. Für ihren Dauk gegen Dr. Kerner und ſeine Familie konnte ſie nicht herzliche Worte genug finden. Als die Familie und deren Gäſte Abends traulich bei Tiſche ſaßen und auch einige ſcherzhafte Geſchichten erzählt wurden, hörte man die Frau, die in einiger Entfernung am Ofen ſaß und dem Geſpräche mit Theilnahme zuhörte, zum erſtenmal, ſeit ſie im Hauſe des Arztes war, herzlich lachen. Es ſind nun noch die Ausſagen und Bekenntniſſe des dämo- niſchen Weſens in einem kurzen Inbegriff nachzuholen, mit Hinweglaſſung der Fragen und Wiederholungen; ſie lau- ten ſo: „Ich hieß im Leben Caſpar B…r und wurde im Jahr „1783 geboren. Ich ging zwar in die Schule, lernte „aber nichts. Es ging nichts in mich hinein, und auch „bey der Confirmation hatte ich weder Einſehens noch „Glauben. Es fehlte an der Hauptſache im Hauſe, an „der Kinderzucht. Mein Vater war manchmal ſehr ſtreng, „die Mutter aber immer zu gut. Sie glaubte Alles, „was ich ſagte, und ich betrog ſie ſtets. Dem Vater „läugnete ich ab, was er ganz gewiß wußte. Wenn „er dann zornig darüber wurde, verſündigte ich mich „vielfach an ihm, ſo wie an der Mutter. Einmal ſchüt- „telte und würgte ich den Vater im Zorne. Ich lernte „das Müller-Handwerk, that aber niemals gut, ich „trank gerne und verging mich oft mit Weibsperſonen. „Eine davon wurde von mir ſchwanger, ich läugnete „hartnäckig, daß ich Vater zum Kinde ſey. Ich ſagte „früher, daß ich mich losgeſchworen hätte, aber dieß „iſt nicht wahr, wahr aber iſt, daß ich das Mädchen

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Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/104>, abgerufen am 21.11.2024.