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Kentz, Paul: Güldener Handwercksboden. Leipzig, 1629.

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der Meistergesänge.
zu bringen. Denn was also seine gewisse Zahl oder Reimen/
vnd gute derbe vnd bündige Wort hat/ ist besser zu behalten/
vnd wird mit grösserm lust gelesen. Darumb hat Moses
der eltiste Poet oder Meistersinger/ am roten Meer/ die
treffliche Thaten des Sohns Gottes/ in ein herrlich Lied
gefasset/ vnd am Vfer des Meers/ dem ewigen Erlöser zu
ehren singen lassen. Wie hernach alle grosse Lehrer vnnd
Propheten/ vnd sonderlich der liebliche Tichter vnd Harffe-
nist in Israel/ David der König/ die Wunderthaten vnnd
Summarien jhrer lehre auch in Kirchen lieder gefasset ha-
ben. Vnd also haben hernach die Gottseligen im newen
Testament den HErrn JEsum angesungen/ als Zacharias,
Simcon, Maria,
vnd andere/ (welches sie auch von den H.
Engeln gelernet: Luc. 2.) vnd viel grosse geheimnis in klei-
ne vnd kurtze Gesänglein geschlossen/ wie denn mehr derglei-
chen in Gottes Wort gefunden werden.

Die Niederländer/ (Als welche von altershero auffEmanuel von
Metern, lib. 1.
seiner Niderl.
Histor.

vielerley löbliche Instituta geneigt) haben auch dergleichen
Exercitium/ sonderlich vnter jhren Handwerckern im ge-
brauch gehabt/ nemlich je zu Zeiten jhren regierenden Printzen
zu gefallen vnd Ehren/ oder sich vnter einander zu vben (auff
eine Zeit/ welche sie den Land jubel nennen) eine solche sing-
oder rede Kunst (bey jhnen die Cameren von der Rhetorick
genandt) in prosodia oder poeterey, das ist/ Reimen-
weise/ vnd in selbigen vnterschiedliche fragen/ oder Rätzeln/
fürzubringen/ vnd zu aufflösung oder beantwortung dersel-
bigen/ etliche jhrer benachbarten frcundtlich außzufordern
oder zu laden/ darauff die andern mit jhrer Resolution er-
schienen/ vnd die auffgegebene fragen in gleichen Reimen be-
antwortet. Vnd welche dann nach des Außschusses judi-
cio
vnd erkentnis die beste vnd richtigste Antwort gab/ die

hatte
J i iij

der Meiſtergeſaͤnge.
zu bringen. Denn was alſo ſeine gewiſſe Zahl oder Reimẽ/
vnd gute derbe vnd buͤndige Wort hat/ iſt beſſer zu behalten/
vnd wird mit groͤſſerm luſt geleſen. Darumb hat Moſes
der eltiſte Poet oder Meiſterſinger/ am roten Meer/ die
treffliche Thaten des Sohns Gottes/ in ein herrlich Lied
gefaſſet/ vnd am Vfer des Meers/ dem ewigen Erloͤſer zu
ehren ſingen laſſen. Wie hernach alle groſſe Lehrer vnnd
Propheten/ vnd ſonderlich der liebliche Tichter vnd Harffe-
niſt in Iſrael/ David der Koͤnig/ die Wunderthaten vnnd
Summarien jhrer lehre auch in Kirchen lieder gefaſſet ha-
ben. Vnd alſo haben hernach die Gottſeligen im newen
Teſtament den HErrn JEſum angeſungen/ als Zacharias,
Simcon, Maria,
vnd andere/ (welches ſie auch von den H.
Engeln gelernet: Luc. 2.) vnd viel groſſe geheimnis in klei-
ne vnd kurtze Geſaͤnglein geſchloſſen/ wie denn mehr derglei-
chen in Gottes Wort gefunden werden.

Die Niederlaͤnder/ (Als welche von altershero auffEmanuel von
Metern, lib. 1.
ſeiner Niderl.
Hiſtor.

vielerley loͤbliche Inſtituta geneigt) haben auch dergleichen
Exercitium/ ſonderlich vnter jhren Handwerckern im ge-
brauch gehabt/ nemlich je zu Zeiten jhren regierenden Printzẽ
zu gefallen vnd Ehren/ oder ſich vnter einander zu vben (auff
eine Zeit/ welche ſie den Land jubel nennen) eine ſolche ſing-
oder rede Kunſt (bey jhnen die Cameren von der Rhetorick
genandt) in proſodia oder poeterey, das iſt/ Reimen-
weiſe/ vnd in ſelbigen vnterſchiedliche fragen/ oder Raͤtzeln/
fuͤrzubringen/ vnd zu auffloͤſung oder beantwortung derſel-
bigen/ etliche jhrer benachbarten frcundtlich außzufordern
oder zu laden/ darauff die andern mit jhrer Reſolution er-
ſchienen/ vnd die auffgegebene fragen in gleichen Reimen be-
antwortet. Vnd welche dann nach des Außſchuſſes judi-
cio
vnd erkentnis die beſte vnd richtigſte Antwort gab/ die

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[253/0265] der Meiſtergeſaͤnge. zu bringen. Denn was alſo ſeine gewiſſe Zahl oder Reimẽ/ vnd gute derbe vnd buͤndige Wort hat/ iſt beſſer zu behalten/ vnd wird mit groͤſſerm luſt geleſen. Darumb hat Moſes der eltiſte Poet oder Meiſterſinger/ am roten Meer/ die treffliche Thaten des Sohns Gottes/ in ein herrlich Lied gefaſſet/ vnd am Vfer des Meers/ dem ewigen Erloͤſer zu ehren ſingen laſſen. Wie hernach alle groſſe Lehrer vnnd Propheten/ vnd ſonderlich der liebliche Tichter vnd Harffe- niſt in Iſrael/ David der Koͤnig/ die Wunderthaten vnnd Summarien jhrer lehre auch in Kirchen lieder gefaſſet ha- ben. Vnd alſo haben hernach die Gottſeligen im newen Teſtament den HErrn JEſum angeſungen/ als Zacharias, Simcon, Maria, vnd andere/ (welches ſie auch von den H. Engeln gelernet: Luc. 2.) vnd viel groſſe geheimnis in klei- ne vnd kurtze Geſaͤnglein geſchloſſen/ wie denn mehr derglei- chen in Gottes Wort gefunden werden. Die Niederlaͤnder/ (Als welche von altershero auff vielerley loͤbliche Inſtituta geneigt) haben auch dergleichen Exercitium/ ſonderlich vnter jhren Handwerckern im ge- brauch gehabt/ nemlich je zu Zeiten jhren regierenden Printzẽ zu gefallen vnd Ehren/ oder ſich vnter einander zu vben (auff eine Zeit/ welche ſie den Land jubel nennen) eine ſolche ſing- oder rede Kunſt (bey jhnen die Cameren von der Rhetorick genandt) in proſodia oder poeterey, das iſt/ Reimen- weiſe/ vnd in ſelbigen vnterſchiedliche fragen/ oder Raͤtzeln/ fuͤrzubringen/ vnd zu auffloͤſung oder beantwortung derſel- bigen/ etliche jhrer benachbarten frcundtlich außzufordern oder zu laden/ darauff die andern mit jhrer Reſolution er- ſchienen/ vnd die auffgegebene fragen in gleichen Reimen be- antwortet. Vnd welche dann nach des Außſchuſſes judi- cio vnd erkentnis die beſte vnd richtigſte Antwort gab/ die hatte Emanuel von Metern, lib. 1. ſeiner Niderl. Hiſtor. J i iij

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Zitationshilfe: Kentz, Paul: Güldener Handwercksboden. Leipzig, 1629, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kentz_handwerksboden_1629/265>, abgerufen am 30.04.2024.