Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791.II. Abtheilung. "chen Leben verbunden ist, so daß er ohne dassel-"be nicht Mensch seyn kann. 3. Daß die Spra- "che nicht von ausgebildeten oder mit vorzüglichen "Einsichten und Erkenntnissen begabten Menschen "erfunden worden, sondern von dem einfachen ro- "hen und ganz sinnlichen Sohne der Natur, so "wie er aus den Händen seines Schöpfers kam, "zwar mit Fähigkeit und Anlage zu allem, aber "noch in keinem Stücke mit Ausbildung und Ent- "wickelung versehen, welche ihm selbst überlassen "blieb, und überlassen bleiben mußte, wenn nicht "Wunder auf Wunder gehäufet werden sollen. "Als Thier hatte dieser Sohn der Natur das Ver- "mögen der willkührlichen Bewegung, und auch "ohne klare Begriffe instinktmäßig für seine Nah- "rung zu sorgen; aber noch mehr als Thier hatte "er auch das Vermögen, Sprache zu erfinden, "und dadurch den in ihm liegenden Keim zur "Vernunft thätig zu machen, und zu entwickeln. "Ohne Anlage zur Erkenntniß findet keine Spra- "che, aber ohne Sprache auch keine deutliche Er- "kenntniß Statt. Beyde gehen in gleichen Schrit- "ten nebeneinander und bilden sich wechselweise aus.
II. Abtheilung. „chen Leben verbunden iſt, ſo daß er ohne daſſel-„be nicht Menſch ſeyn kann. 3. Daß die Spra- „che nicht von ausgebildeten oder mit vorzuͤglichen „Einſichten und Erkenntniſſen begabten Menſchen „erfunden worden, ſondern von dem einfachen ro- „hen und ganz ſinnlichen Sohne der Natur, ſo „wie er aus den Haͤnden ſeines Schoͤpfers kam, „zwar mit Faͤhigkeit und Anlage zu allem, aber „noch in keinem Stuͤcke mit Ausbildung und Ent- „wickelung verſehen, welche ihm ſelbſt uͤberlaſſen „blieb, und uͤberlaſſen bleiben mußte, wenn nicht „Wunder auf Wunder gehaͤufet werden ſollen. „Als Thier hatte dieſer Sohn der Natur das Ver- „moͤgen der willkuͤhrlichen Bewegung, und auch „ohne klare Begriffe inſtinktmaͤßig fuͤr ſeine Nah- „rung zu ſorgen; aber noch mehr als Thier hatte „er auch das Vermoͤgen, Sprache zu erfinden, „und dadurch den in ihm liegenden Keim zur „Vernunft thaͤtig zu machen, und zu entwickeln. „Ohne Anlage zur Erkenntniß findet keine Spra- „che, aber ohne Sprache auch keine deutliche Er- „kenntniß Statt. Beyde gehen in gleichen Schrit- „ten nebeneinander und bilden ſich wechſelweiſe aus.
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II. Abtheilung.
„chen Leben verbunden iſt, ſo daß er ohne daſſel-
„be nicht Menſch ſeyn kann. 3. Daß die Spra-
„che nicht von ausgebildeten oder mit vorzuͤglichen
„Einſichten und Erkenntniſſen begabten Menſchen
„erfunden worden, ſondern von dem einfachen ro-
„hen und ganz ſinnlichen Sohne der Natur, ſo
„wie er aus den Haͤnden ſeines Schoͤpfers kam,
„zwar mit Faͤhigkeit und Anlage zu allem, aber
„noch in keinem Stuͤcke mit Ausbildung und Ent-
„wickelung verſehen, welche ihm ſelbſt uͤberlaſſen
„blieb, und uͤberlaſſen bleiben mußte, wenn nicht
„Wunder auf Wunder gehaͤufet werden ſollen.
„Als Thier hatte dieſer Sohn der Natur das Ver-
„moͤgen der willkuͤhrlichen Bewegung, und auch
„ohne klare Begriffe inſtinktmaͤßig fuͤr ſeine Nah-
„rung zu ſorgen; aber noch mehr als Thier hatte
„er auch das Vermoͤgen, Sprache zu erfinden,
„und dadurch den in ihm liegenden Keim zur
„Vernunft thaͤtig zu machen, und zu entwickeln.
„Ohne Anlage zur Erkenntniß findet keine Spra-
„che, aber ohne Sprache auch keine deutliche Er-
„kenntniß Statt. Beyde gehen in gleichen Schrit-
„ten nebeneinander und bilden ſich wechſelweiſe
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Zitationshilfe: | Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/80>, abgerufen am 16.02.2025. |