Dies rief sie, weil der Oberst, hinter ihr stehend, sie an einer Bandschleife zupfte, als er das Wort vernahm.
"Und was geschieht denn mit Dir, Lux?" sagte er hierauf.
"Mit mir? Ich muß eben das Haus hüten, wie alle armen Haushälterinnen, und für den Abend sorgen!"
"Gut, dann sorge auch für ein rechtschaffenes Ge¬ tränke! denn das Smoliren mit dem jungen Duckmäuser muß einmal stattfinden, daß die Duzerei durchgeführt ist. Du kannst auch gleich mithalten!"
Beide junge Leute, errötheten wie Confirmanden, die erst etwas erleben sollen. Kein Mensch hätte geglaubt, daß sie sich vor einigen Monaten schon alles mögliche Zeug erzählt hatten.
Als die Alten fort waren und jetzt auf einmal eine Stille herrschte, standen die Jungen noch verlegen da und schienen doch zu zögern, die innestehende Wage des Augenblickes zu stören, bis Reinhart den Ausweg fand, Lucien um ein Buch zu bitten, darin er lesen könne. Sie lud ihn ein, selbst nachzusehen, was ihm diene. So gingen sie gemächlich in das Haus hinein, die Treppe hinauf und betraten das bescheidene Museum, in welchem das Fräulein seine Jahre verbrachte. Durch die offenstehenden Fenster wallte die Luft herein, indeß das milde Gold der Septembersonne, von der grünen Seide der Gardinen halb aufgehalten, halb durchgelassen, den Raum mit einem sanften Dämmerschein erfüllte.
Dies rief ſie, weil der Oberſt, hinter ihr ſtehend, ſie an einer Bandſchleife zupfte, als er das Wort vernahm.
„Und was geſchieht denn mit Dir, Lux?“ ſagte er hierauf.
„Mit mir? Ich muß eben das Haus hüten, wie alle armen Haushälterinnen, und für den Abend ſorgen!“
„Gut, dann ſorge auch für ein rechtſchaffenes Ge¬ tränke! denn das Smoliren mit dem jungen Duckmäuſer muß einmal ſtattfinden, daß die Duzerei durchgeführt iſt. Du kannſt auch gleich mithalten!“
Beide junge Leute, errötheten wie Confirmanden, die erſt etwas erleben ſollen. Kein Menſch hätte geglaubt, daß ſie ſich vor einigen Monaten ſchon alles mögliche Zeug erzählt hatten.
Als die Alten fort waren und jetzt auf einmal eine Stille herrſchte, ſtanden die Jungen noch verlegen da und ſchienen doch zu zögern, die inneſtehende Wage des Augenblickes zu ſtören, bis Reinhart den Ausweg fand, Lucien um ein Buch zu bitten, darin er leſen könne. Sie lud ihn ein, ſelbſt nachzuſehen, was ihm diene. So gingen ſie gemächlich in das Haus hinein, die Treppe hinauf und betraten das beſcheidene Muſeum, in welchem das Fräulein ſeine Jahre verbrachte. Durch die offenſtehenden Fenſter wallte die Luft herein, indeß das milde Gold der Septemberſonne, von der grünen Seide der Gardinen halb aufgehalten, halb durchgelaſſen, den Raum mit einem ſanften Dämmerſchein erfüllte.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0384"n="374"/><p>Dies rief ſie, weil der Oberſt, hinter ihr ſtehend, ſie<lb/>
an einer Bandſchleife zupfte, als er das Wort vernahm.</p><lb/><p>„Und was geſchieht denn mit Dir, Lux?“ſagte er<lb/>
hierauf.</p><lb/><p>„Mit mir? Ich muß eben das Haus hüten, wie alle<lb/>
armen Haushälterinnen, und für den Abend ſorgen!“</p><lb/><p>„Gut, dann ſorge auch für ein rechtſchaffenes Ge¬<lb/>
tränke! denn das Smoliren mit dem jungen Duckmäuſer<lb/>
muß einmal ſtattfinden, daß die Duzerei durchgeführt iſt.<lb/>
Du kannſt auch gleich mithalten!“</p><lb/><p>Beide junge Leute, errötheten wie Confirmanden, die<lb/>
erſt etwas erleben ſollen. Kein Menſch hätte geglaubt,<lb/>
daß ſie ſich vor einigen Monaten ſchon alles mögliche<lb/>
Zeug erzählt hatten.</p><lb/><p>Als die Alten fort waren und jetzt auf einmal eine<lb/>
Stille herrſchte, ſtanden die Jungen noch verlegen da<lb/>
und ſchienen doch zu zögern, die inneſtehende Wage des<lb/>
Augenblickes zu ſtören, bis Reinhart den Ausweg fand,<lb/>
Lucien um ein Buch zu bitten, darin er leſen könne. Sie<lb/>
lud ihn ein, ſelbſt nachzuſehen, was ihm diene. So gingen<lb/>ſie gemächlich in das Haus hinein, die Treppe hinauf<lb/>
und betraten das beſcheidene Muſeum, in welchem das<lb/>
Fräulein ſeine Jahre verbrachte. Durch die offenſtehenden<lb/>
Fenſter wallte die Luft herein, indeß das milde Gold der<lb/>
Septemberſonne, von der grünen Seide der Gardinen<lb/>
halb aufgehalten, halb durchgelaſſen, den Raum mit einem<lb/>ſanften Dämmerſchein erfüllte.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[374/0384]
Dies rief ſie, weil der Oberſt, hinter ihr ſtehend, ſie
an einer Bandſchleife zupfte, als er das Wort vernahm.
„Und was geſchieht denn mit Dir, Lux?“ ſagte er
hierauf.
„Mit mir? Ich muß eben das Haus hüten, wie alle
armen Haushälterinnen, und für den Abend ſorgen!“
„Gut, dann ſorge auch für ein rechtſchaffenes Ge¬
tränke! denn das Smoliren mit dem jungen Duckmäuſer
muß einmal ſtattfinden, daß die Duzerei durchgeführt iſt.
Du kannſt auch gleich mithalten!“
Beide junge Leute, errötheten wie Confirmanden, die
erſt etwas erleben ſollen. Kein Menſch hätte geglaubt,
daß ſie ſich vor einigen Monaten ſchon alles mögliche
Zeug erzählt hatten.
Als die Alten fort waren und jetzt auf einmal eine
Stille herrſchte, ſtanden die Jungen noch verlegen da
und ſchienen doch zu zögern, die inneſtehende Wage des
Augenblickes zu ſtören, bis Reinhart den Ausweg fand,
Lucien um ein Buch zu bitten, darin er leſen könne. Sie
lud ihn ein, ſelbſt nachzuſehen, was ihm diene. So gingen
ſie gemächlich in das Haus hinein, die Treppe hinauf
und betraten das beſcheidene Muſeum, in welchem das
Fräulein ſeine Jahre verbrachte. Durch die offenſtehenden
Fenſter wallte die Luft herein, indeß das milde Gold der
Septemberſonne, von der grünen Seide der Gardinen
halb aufgehalten, halb durchgelaſſen, den Raum mit einem
ſanften Dämmerſchein erfüllte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/384>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.