geringen Orts, machte sich der Uebergang aus dem spielenden Dasein in das, was nachher kam, sichtbar. Als die Heeresabtheilung, bei der er stand, an irgend einen breiten Fluß vorrückte, auf dessen anderem Ufer ein größerer Indianerstamm lagerte, entflammte er mit den anderen Franzosen in Enthusiasmus, nun der wahren Natur und freien Menschlichkeit so unmittelbar gegenüber¬ zustehen; denn Jeder von Ihnen trug sein Stück Jean Jacques Rousseau im Leibe. Es handelte sich darum, mit den Indianern in Verkehr zu treten, sie entweder in Güte als Freunde zu gewinnen oder sie wenigstens zu einem neutralen Verhalten zu veranlassen, und zu diesem Ende hin wurden die Oberbefehlshaber erwartet, indessen auch am anderen Ufer, bei den Indianern, noch eine Anzahl wichtiger Häuptlinge zu einer Conferenz ein¬ treffen sollten.
Die französischen Militärs aber mochten den Tag nicht erwarten, ihre Neugierde und die Lust an den idealen Naturzuständen zu befriedigen; sie lockten schon vorher die wilden Rothhäute über das Wasser und schifften auch zu ihnen hinüber, und jeder suchte in seinem Gepäcke nach Gegenständen, welche er verschenken oder an Merkwürdig¬ keiten vertauschen konnte. Thibaut war unter den Ersten, die über den Strom setzten, und that es bald täglich nicht nur ein, sondern zwei Mal, und war in den Wigwams zu Hause. Nämlich eines der indianischen Mädchen zog ihn unwiderstehlich hinüber, daß er seine ganze siegreiche
geringen Orts, machte ſich der Uebergang aus dem ſpielenden Daſein in das, was nachher kam, ſichtbar. Als die Heeresabtheilung, bei der er ſtand, an irgend einen breiten Fluß vorrückte, auf deſſen anderem Ufer ein größerer Indianerſtamm lagerte, entflammte er mit den anderen Franzoſen in Enthuſiasmus, nun der wahren Natur und freien Menſchlichkeit ſo unmittelbar gegenüber¬ zuſtehen; denn Jeder von Ihnen trug ſein Stück Jean Jacques Rouſſeau im Leibe. Es handelte ſich darum, mit den Indianern in Verkehr zu treten, ſie entweder in Güte als Freunde zu gewinnen oder ſie wenigſtens zu einem neutralen Verhalten zu veranlaſſen, und zu dieſem Ende hin wurden die Oberbefehlshaber erwartet, indeſſen auch am anderen Ufer, bei den Indianern, noch eine Anzahl wichtiger Häuptlinge zu einer Conferenz ein¬ treffen ſollten.
Die franzöſiſchen Militärs aber mochten den Tag nicht erwarten, ihre Neugierde und die Luſt an den idealen Naturzuſtänden zu befriedigen; ſie lockten ſchon vorher die wilden Rothhäute über das Waſſer und ſchifften auch zu ihnen hinüber, und jeder ſuchte in ſeinem Gepäcke nach Gegenſtänden, welche er verſchenken oder an Merkwürdig¬ keiten vertauſchen konnte. Thibaut war unter den Erſten, die über den Strom ſetzten, und that es bald täglich nicht nur ein, ſondern zwei Mal, und war in den Wigwams zu Hauſe. Nämlich eines der indianiſchen Mädchen zog ihn unwiderſtehlich hinüber, daß er ſeine ganze ſiegreiche
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0368"n="358"/>
geringen Orts, machte ſich der Uebergang aus dem<lb/>ſpielenden Daſein in das, was nachher kam, ſichtbar.<lb/>
Als die Heeresabtheilung, bei der er ſtand, an irgend<lb/>
einen breiten Fluß vorrückte, auf deſſen anderem Ufer<lb/>
ein größerer Indianerſtamm lagerte, entflammte er mit<lb/>
den anderen Franzoſen in Enthuſiasmus, nun der wahren<lb/>
Natur und freien Menſchlichkeit ſo unmittelbar gegenüber¬<lb/>
zuſtehen; denn Jeder von Ihnen trug ſein Stück Jean<lb/>
Jacques Rouſſeau im Leibe. Es handelte ſich darum,<lb/>
mit den Indianern in Verkehr zu treten, ſie entweder<lb/>
in Güte als Freunde zu gewinnen oder ſie wenigſtens<lb/>
zu einem neutralen Verhalten zu veranlaſſen, und zu<lb/>
dieſem Ende hin wurden die Oberbefehlshaber erwartet,<lb/>
indeſſen auch am anderen Ufer, bei den Indianern, noch<lb/>
eine Anzahl wichtiger Häuptlinge zu einer Conferenz ein¬<lb/>
treffen ſollten.</p><lb/><p>Die franzöſiſchen Militärs aber mochten den Tag nicht<lb/>
erwarten, ihre Neugierde und die Luſt an den idealen<lb/>
Naturzuſtänden zu befriedigen; ſie lockten ſchon vorher<lb/>
die wilden Rothhäute über das Waſſer und ſchifften auch<lb/>
zu ihnen hinüber, und jeder ſuchte in ſeinem Gepäcke nach<lb/>
Gegenſtänden, welche er verſchenken oder an Merkwürdig¬<lb/>
keiten vertauſchen konnte. Thibaut war unter den Erſten,<lb/>
die über den Strom ſetzten, und that es bald täglich nicht<lb/>
nur ein, ſondern zwei Mal, und war in den Wigwams<lb/>
zu Hauſe. Nämlich eines der indianiſchen Mädchen zog<lb/>
ihn unwiderſtehlich hinüber, daß er ſeine ganze ſiegreiche<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[358/0368]
geringen Orts, machte ſich der Uebergang aus dem
ſpielenden Daſein in das, was nachher kam, ſichtbar.
Als die Heeresabtheilung, bei der er ſtand, an irgend
einen breiten Fluß vorrückte, auf deſſen anderem Ufer
ein größerer Indianerſtamm lagerte, entflammte er mit
den anderen Franzoſen in Enthuſiasmus, nun der wahren
Natur und freien Menſchlichkeit ſo unmittelbar gegenüber¬
zuſtehen; denn Jeder von Ihnen trug ſein Stück Jean
Jacques Rouſſeau im Leibe. Es handelte ſich darum,
mit den Indianern in Verkehr zu treten, ſie entweder
in Güte als Freunde zu gewinnen oder ſie wenigſtens
zu einem neutralen Verhalten zu veranlaſſen, und zu
dieſem Ende hin wurden die Oberbefehlshaber erwartet,
indeſſen auch am anderen Ufer, bei den Indianern, noch
eine Anzahl wichtiger Häuptlinge zu einer Conferenz ein¬
treffen ſollten.
Die franzöſiſchen Militärs aber mochten den Tag nicht
erwarten, ihre Neugierde und die Luſt an den idealen
Naturzuſtänden zu befriedigen; ſie lockten ſchon vorher
die wilden Rothhäute über das Waſſer und ſchifften auch
zu ihnen hinüber, und jeder ſuchte in ſeinem Gepäcke nach
Gegenſtänden, welche er verſchenken oder an Merkwürdig¬
keiten vertauſchen konnte. Thibaut war unter den Erſten,
die über den Strom ſetzten, und that es bald täglich nicht
nur ein, ſondern zwei Mal, und war in den Wigwams
zu Hauſe. Nämlich eines der indianiſchen Mädchen zog
ihn unwiderſtehlich hinüber, daß er ſeine ganze ſiegreiche
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/368>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.