mit rothen Rosen durchflochtenen Myrthenkranze geschmückt, wodurch das helldunkle Gesicht und der von goldenem Kettchen umgebene Hals eine Wirkung von ungewöhnlichem Reize machten.
Don Correa, der ihr gegenüber saß, mußte sich etwas zusammennehmen, sie nicht zu oft anzusehen, nicht nur der anwesenden Frauen, sondern auch des Geistlichen wegen, der sie getauft hatte und ebenfalls zugegen war. Obgleich die braune Marie schon einigermaßen an das abendländische Tischgeräthe gewöhnt war, vermochte sie doch nicht zu essen; denn der Wechsel der Eindrücke, die sie so rasch nach ein¬ ander empfangen, bedrückte ihr Herz. Sie glaubte sich wol der Gefahr entzogen und fühlte auch, obschon sie nicht ein Wort der Tischgespräche verstand, man rede freundlich von ihr; doch ihre neue Lage, Umgebung und Zukunft erschienen ihr so gänzlich fremd und un¬ bekannt, daß die Reglosigkeit ihrer Seele eher zu- als abnahm. Erst als Don Correa eigenhändig einen Teller mit süßen Früchten und portugiesischem Backwerke füllte und ihr denselben hinüberreichte, fing sie gehorsam und ehrfürchtig an zu naschen und aß den Teller tröstlich leer. "Ei seht," sagten die Frauen, "wie gut sie dem gütigen Herren zu gehorchen versteht! Wahrhaftig, seine Gnaden haben eine Eroberung gemacht!"
Als nun Alles über den unversehens leer gewordenen Teller lachte, schaute Maria verwundert um sich und lachte auch. Noch Niemand hatte sie lachen sehen und
mit rothen Roſen durchflochtenen Myrthenkranze geſchmückt, wodurch das helldunkle Geſicht und der von goldenem Kettchen umgebene Hals eine Wirkung von ungewöhnlichem Reize machten.
Don Correa, der ihr gegenüber ſaß, mußte ſich etwas zuſammennehmen, ſie nicht zu oft anzuſehen, nicht nur der anweſenden Frauen, ſondern auch des Geiſtlichen wegen, der ſie getauft hatte und ebenfalls zugegen war. Obgleich die braune Marie ſchon einigermaßen an das abendländiſche Tiſchgeräthe gewöhnt war, vermochte ſie doch nicht zu eſſen; denn der Wechſel der Eindrücke, die ſie ſo raſch nach ein¬ ander empfangen, bedrückte ihr Herz. Sie glaubte ſich wol der Gefahr entzogen und fühlte auch, obſchon ſie nicht ein Wort der Tiſchgeſpräche verſtand, man rede freundlich von ihr; doch ihre neue Lage, Umgebung und Zukunft erſchienen ihr ſo gänzlich fremd und un¬ bekannt, daß die Regloſigkeit ihrer Seele eher zu- als abnahm. Erſt als Don Correa eigenhändig einen Teller mit ſüßen Früchten und portugieſiſchem Backwerke füllte und ihr denſelben hinüberreichte, fing ſie gehorſam und ehrfürchtig an zu naſchen und aß den Teller tröſtlich leer. „Ei ſeht,“ ſagten die Frauen, „wie gut ſie dem gütigen Herren zu gehorchen verſteht! Wahrhaftig, ſeine Gnaden haben eine Eroberung gemacht!“
Als nun Alles über den unverſehens leer gewordenen Teller lachte, ſchaute Maria verwundert um ſich und lachte auch. Noch Niemand hatte ſie lachen ſehen und
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mit rothen Roſen durchflochtenen Myrthenkranze geſchmückt,
wodurch das helldunkle Geſicht und der von goldenem
Kettchen umgebene Hals eine Wirkung von ungewöhnlichem
Reize machten.
Don Correa, der ihr gegenüber ſaß, mußte ſich etwas
zuſammennehmen, ſie nicht zu oft anzuſehen, nicht nur
der anweſenden Frauen, ſondern auch des Geiſtlichen wegen,
der ſie getauft hatte und ebenfalls zugegen war. Obgleich
die braune Marie ſchon einigermaßen an das abendländiſche
Tiſchgeräthe gewöhnt war, vermochte ſie doch nicht zu eſſen;
denn der Wechſel der Eindrücke, die ſie ſo raſch nach ein¬
ander empfangen, bedrückte ihr Herz. Sie glaubte ſich
wol der Gefahr entzogen und fühlte auch, obſchon ſie
nicht ein Wort der Tiſchgeſpräche verſtand, man rede
freundlich von ihr; doch ihre neue Lage, Umgebung
und Zukunft erſchienen ihr ſo gänzlich fremd und un¬
bekannt, daß die Regloſigkeit ihrer Seele eher zu- als
abnahm. Erſt als Don Correa eigenhändig einen Teller
mit ſüßen Früchten und portugieſiſchem Backwerke füllte
und ihr denſelben hinüberreichte, fing ſie gehorſam und
ehrfürchtig an zu naſchen und aß den Teller tröſtlich leer.
„Ei ſeht,“ ſagten die Frauen, „wie gut ſie dem gütigen
Herren zu gehorchen verſteht! Wahrhaftig, ſeine Gnaden
haben eine Eroberung gemacht!“
Als nun Alles über den unverſehens leer gewordenen
Teller lachte, ſchaute Maria verwundert um ſich und
lachte auch. Noch Niemand hatte ſie lachen ſehen und
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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/329>, abgerufen am 25.11.2024.
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