Thorflügel und starrte dem einsamen Ankömmling in das Gesicht, als ob er den Teufel sähe.
"Geh vor mir her und leuchte!" sagte Don Correa kurz, ohne den Burschen zweimal anzublicken. Derselbe gehorchte freilich diesmal dem Befehl; aber er sprang so behende treppauf, daß Correa nicht auf dem Fuße folgen konnte und im Dunkeln tappen mußte. Oben angelangt, stieß der Knecht eine Thüre auf und rief mit athemloser Kehle in das erhellte Gemach hinein: "der Herr ist da!"
"Wer ist da?" sagte Donna Feniza, die in ihrem Armstuhle am Nachtessen saß.
"Er, der die Ohrfeigen gibt und uns Andere weg¬ gejagt hat oder noch wegjagen wird!"
"O Du Esel!" rief die Frau in all' ihrem Reize und ließ zugleich ein kurzes Gelächter läuten, als sie jetzt dicht hinter dem Burschen den Admiral stehen sah und wie er ihn an der Schulter bei Seite schob.
Dieser nun schaute mit einem völligen Schrecken auf die Scene, wenn bei einem Manne seiner Art das Wort angewendet und nicht eher mit dem Ausdruck äußerstes Erstaunen zu ersetzen ist. Am runden Tische, an welchem er so manche schöne Stunde ihr gegenüber gesessen, waren außer der Herrin noch zu sehen der Stallmeister, die Kammerfrau, der junge Beichtvater, und ihr zunächst ein Unbekannter, ein stämmiger Mensch von halb kriegerischem Anstrich, mit breiten Schultern und einer langen Schmarre über Nase und halbes Gesicht hinweg, so daß auch der
Thorflügel und ſtarrte dem einſamen Ankömmling in das Geſicht, als ob er den Teufel ſähe.
„Geh vor mir her und leuchte!“ ſagte Don Correa kurz, ohne den Burſchen zweimal anzublicken. Derſelbe gehorchte freilich diesmal dem Befehl; aber er ſprang ſo behende treppauf, daß Correa nicht auf dem Fuße folgen konnte und im Dunkeln tappen mußte. Oben angelangt, ſtieß der Knecht eine Thüre auf und rief mit athemloſer Kehle in das erhellte Gemach hinein: „der Herr iſt da!“
„Wer iſt da?“ ſagte Donna Feniza, die in ihrem Armſtuhle am Nachteſſen ſaß.
„Er, der die Ohrfeigen gibt und uns Andere weg¬ gejagt hat oder noch wegjagen wird!“
„O Du Eſel!“ rief die Frau in all' ihrem Reize und ließ zugleich ein kurzes Gelächter läuten, als ſie jetzt dicht hinter dem Burſchen den Admiral ſtehen ſah und wie er ihn an der Schulter bei Seite ſchob.
Dieſer nun ſchaute mit einem völligen Schrecken auf die Scene, wenn bei einem Manne ſeiner Art das Wort angewendet und nicht eher mit dem Ausdruck äußerſtes Erſtaunen zu erſetzen iſt. Am runden Tiſche, an welchem er ſo manche ſchöne Stunde ihr gegenüber geſeſſen, waren außer der Herrin noch zu ſehen der Stallmeiſter, die Kammerfrau, der junge Beichtvater, und ihr zunächſt ein Unbekannter, ein ſtämmiger Menſch von halb kriegeriſchem Anſtrich, mit breiten Schultern und einer langen Schmarre über Naſe und halbes Geſicht hinweg, ſo daß auch der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0297"n="287"/>
Thorflügel und ſtarrte dem einſamen Ankömmling in das<lb/>
Geſicht, als ob er den Teufel ſähe.</p><lb/><p>„Geh vor mir her und leuchte!“ſagte Don Correa<lb/>
kurz, ohne den Burſchen zweimal anzublicken. Derſelbe<lb/>
gehorchte freilich diesmal dem Befehl; aber er ſprang ſo<lb/>
behende treppauf, daß Correa nicht auf dem Fuße folgen<lb/>
konnte und im Dunkeln tappen mußte. Oben angelangt,<lb/>ſtieß der Knecht eine Thüre auf und rief mit athemloſer<lb/>
Kehle in das erhellte Gemach hinein: „der Herr iſt da!“</p><lb/><p>„Wer iſt da?“ſagte Donna Feniza, die in ihrem<lb/>
Armſtuhle am Nachteſſen ſaß.</p><lb/><p>„Er, der die Ohrfeigen gibt und uns Andere weg¬<lb/>
gejagt hat oder noch wegjagen wird!“</p><lb/><p>„O Du Eſel!“ rief die Frau in all' ihrem Reize<lb/>
und ließ zugleich ein kurzes Gelächter läuten, als ſie jetzt<lb/>
dicht hinter dem Burſchen den Admiral ſtehen ſah und<lb/>
wie er ihn an der Schulter bei Seite ſchob.</p><lb/><p>Dieſer nun ſchaute mit einem völligen Schrecken auf<lb/>
die Scene, wenn bei einem Manne ſeiner Art das Wort<lb/>
angewendet und nicht eher mit dem Ausdruck äußerſtes<lb/>
Erſtaunen zu erſetzen iſt. Am runden Tiſche, an welchem<lb/>
er ſo manche ſchöne Stunde ihr gegenüber geſeſſen, waren<lb/>
außer der Herrin noch zu ſehen der Stallmeiſter, die<lb/>
Kammerfrau, der junge Beichtvater, und ihr zunächſt ein<lb/>
Unbekannter, ein ſtämmiger Menſch von halb kriegeriſchem<lb/>
Anſtrich, mit breiten Schultern und einer langen Schmarre<lb/>
über Naſe und halbes Geſicht hinweg, ſo daß auch der<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[287/0297]
Thorflügel und ſtarrte dem einſamen Ankömmling in das
Geſicht, als ob er den Teufel ſähe.
„Geh vor mir her und leuchte!“ ſagte Don Correa
kurz, ohne den Burſchen zweimal anzublicken. Derſelbe
gehorchte freilich diesmal dem Befehl; aber er ſprang ſo
behende treppauf, daß Correa nicht auf dem Fuße folgen
konnte und im Dunkeln tappen mußte. Oben angelangt,
ſtieß der Knecht eine Thüre auf und rief mit athemloſer
Kehle in das erhellte Gemach hinein: „der Herr iſt da!“
„Wer iſt da?“ ſagte Donna Feniza, die in ihrem
Armſtuhle am Nachteſſen ſaß.
„Er, der die Ohrfeigen gibt und uns Andere weg¬
gejagt hat oder noch wegjagen wird!“
„O Du Eſel!“ rief die Frau in all' ihrem Reize
und ließ zugleich ein kurzes Gelächter läuten, als ſie jetzt
dicht hinter dem Burſchen den Admiral ſtehen ſah und
wie er ihn an der Schulter bei Seite ſchob.
Dieſer nun ſchaute mit einem völligen Schrecken auf
die Scene, wenn bei einem Manne ſeiner Art das Wort
angewendet und nicht eher mit dem Ausdruck äußerſtes
Erſtaunen zu erſetzen iſt. Am runden Tiſche, an welchem
er ſo manche ſchöne Stunde ihr gegenüber geſeſſen, waren
außer der Herrin noch zu ſehen der Stallmeiſter, die
Kammerfrau, der junge Beichtvater, und ihr zunächſt ein
Unbekannter, ein ſtämmiger Menſch von halb kriegeriſchem
Anſtrich, mit breiten Schultern und einer langen Schmarre
über Naſe und halbes Geſicht hinweg, ſo daß auch der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/297>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.