sinn und pünktliche Pflichterfüllung rathen lassen: denn um einen alten Kopf mit solcher Künstlichkeit täglich auf¬ zustutzen, muß ein armer Teufel, der nicht selbst bedient wird, früh aufstehen und sich an geregeltes Leben ge¬ wöhnen, das allen seinen Verrichtungen zugut kommt. Uebrigens ging die Sage, das knappe Wams des Stall¬ meisters sei aus einer alten Mohrschleppe der Dame ge¬ schnitten.
Was den geistlichen Herrn betrifft, so bot derselbe durchaus nicht den Anblick eines verwöhnten oder herrsch¬ süchtigen Beichtvaters, sondern sah eher einem eingeschüch¬ terten, kurz gehaltenen Hofmeisterlein gleich, und er hielt, während er mit halb niedergeschlagenen Augen die Welt¬ lichkeiten des Schauspiels wahrnahm, mit zagen Händen seinen flach gerollten Hut auf dem Schoße, als ob es eine Schüssel voll Wasser wäre.
Von dem kleinen Pagen guckte nur das weiße spitzige Gesichtchen nebst einem blutrothen Wamsärmel hinter der Stuhllehne hervor, und von der Kammerfrau vollends sah man erst, als sie aufstand, daß sie ebenfalls einen hochrothen Rock, irgend eine rothe Kopftracht und ein Korallenhalsband trug. Die Dame schien sich demnach nur in schwarz und roth zu gefallen.
Während sie so unbeweglich und halb gelangweilt dem Spektakel beiwohnte und selten über etwas lächelte, ging dann und wann irgend ein Cavalier einzeln oder mit andern, die noch Platz suchten, an ihr vorbei und grüßte
ſinn und pünktliche Pflichterfüllung rathen laſſen: denn um einen alten Kopf mit ſolcher Künſtlichkeit täglich auf¬ zuſtutzen, muß ein armer Teufel, der nicht ſelbſt bedient wird, früh aufſtehen und ſich an geregeltes Leben ge¬ wöhnen, das allen ſeinen Verrichtungen zugut kommt. Uebrigens ging die Sage, das knappe Wams des Stall¬ meiſters ſei aus einer alten Mohrſchleppe der Dame ge¬ ſchnitten.
Was den geiſtlichen Herrn betrifft, ſo bot derſelbe durchaus nicht den Anblick eines verwöhnten oder herrſch¬ ſüchtigen Beichtvaters, ſondern ſah eher einem eingeſchüch¬ terten, kurz gehaltenen Hofmeiſterlein gleich, und er hielt, während er mit halb niedergeſchlagenen Augen die Welt¬ lichkeiten des Schauſpiels wahrnahm, mit zagen Händen ſeinen flach gerollten Hut auf dem Schoße, als ob es eine Schüſſel voll Waſſer wäre.
Von dem kleinen Pagen guckte nur das weiße ſpitzige Geſichtchen nebſt einem blutrothen Wamsärmel hinter der Stuhllehne hervor, und von der Kammerfrau vollends ſah man erſt, als ſie aufſtand, daß ſie ebenfalls einen hochrothen Rock, irgend eine rothe Kopftracht und ein Korallenhalsband trug. Die Dame ſchien ſich demnach nur in ſchwarz und roth zu gefallen.
Während ſie ſo unbeweglich und halb gelangweilt dem Spektakel beiwohnte und ſelten über etwas lächelte, ging dann und wann irgend ein Cavalier einzeln oder mit andern, die noch Platz ſuchten, an ihr vorbei und grüßte
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ſinn und pünktliche Pflichterfüllung rathen laſſen: denn
um einen alten Kopf mit ſolcher Künſtlichkeit täglich auf¬
zuſtutzen, muß ein armer Teufel, der nicht ſelbſt bedient
wird, früh aufſtehen und ſich an geregeltes Leben ge¬
wöhnen, das allen ſeinen Verrichtungen zugut kommt.
Uebrigens ging die Sage, das knappe Wams des Stall¬
meiſters ſei aus einer alten Mohrſchleppe der Dame ge¬
ſchnitten.
Was den geiſtlichen Herrn betrifft, ſo bot derſelbe
durchaus nicht den Anblick eines verwöhnten oder herrſch¬
ſüchtigen Beichtvaters, ſondern ſah eher einem eingeſchüch¬
terten, kurz gehaltenen Hofmeiſterlein gleich, und er hielt,
während er mit halb niedergeſchlagenen Augen die Welt¬
lichkeiten des Schauſpiels wahrnahm, mit zagen Händen
ſeinen flach gerollten Hut auf dem Schoße, als ob es
eine Schüſſel voll Waſſer wäre.
Von dem kleinen Pagen guckte nur das weiße ſpitzige
Geſichtchen nebſt einem blutrothen Wamsärmel hinter der
Stuhllehne hervor, und von der Kammerfrau vollends
ſah man erſt, als ſie aufſtand, daß ſie ebenfalls einen
hochrothen Rock, irgend eine rothe Kopftracht und ein
Korallenhalsband trug. Die Dame ſchien ſich demnach
nur in ſchwarz und roth zu gefallen.
Während ſie ſo unbeweglich und halb gelangweilt dem
Spektakel beiwohnte und ſelten über etwas lächelte, ging
dann und wann irgend ein Cavalier einzeln oder mit
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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/280>, abgerufen am 22.11.2024.
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