werde ich mir damit helfen!" erwiderte sie ausweichend, und Reinhart bereute sein unbedachtes Wort; wenn eine feine Seele auf nachtwandlerischem Pfade einer neuen Bestimmung zuschreitet und aus sich selbst freundlich ist, so darf man sie nicht mit zutäppischen Anmuthungen auf¬ schrecken.
Der heitere Glanz ihres Gesichtes war zum Theil erloschen, als die kleine Gesellschaft sich jetzt erhob. Reinhart sprach von seiner Abreise, sowol aus Schicklich¬ keit als in einer Anwandlung von Kleinmuth, und erbat sich Urlaub, um die nöthigen Anstalten zu treffen. Der alte Herr widersetzte sich.
"Sie müssen wenigstens noch einen Tag bleiben!" rief er; "an den par Stunden, die ich mit Ihnen zugebracht, habe ich vorläufig nicht genug, und über das Zukünftige sprechen wir noch weiter. Das unverhoffte Vergnügen, an meine jungen Tage wieder anzuknüpfen, lasse ich mir nicht so leicht vereiteln!"
"So Plötzlich wird Herr Reinhart nicht gehen können", sagte jetzt Lucie; "denn sein Pferd ist in der Frühe mit unseren Pferden auf die Weide hinauf gelaufen und soll dort drollige Sprünge machen. Es kann also heute Niemand weder fahren noch reiten bei uns, es müßte denn strenger Befehl ergehen, die Thiere heimzuholen."
"Nichts da!" versetzte der Oberst; "dem armen Leih¬ pferd ist es auch zu gönnen, wenn es einen guten Tag hat. Jetzt will ich mich für eine Stunde zurückziehen
werde ich mir damit helfen!“ erwiderte ſie ausweichend, und Reinhart bereute ſein unbedachtes Wort; wenn eine feine Seele auf nachtwandleriſchem Pfade einer neuen Beſtimmung zuſchreitet und aus ſich ſelbſt freundlich iſt, ſo darf man ſie nicht mit zutäppiſchen Anmuthungen auf¬ ſchrecken.
Der heitere Glanz ihres Geſichtes war zum Theil erloſchen, als die kleine Geſellſchaft ſich jetzt erhob. Reinhart ſprach von ſeiner Abreiſe, ſowol aus Schicklich¬ keit als in einer Anwandlung von Kleinmuth, und erbat ſich Urlaub, um die nöthigen Anſtalten zu treffen. Der alte Herr widerſetzte ſich.
„Sie müſſen wenigſtens noch einen Tag bleiben!“ rief er; „an den par Stunden, die ich mit Ihnen zugebracht, habe ich vorläufig nicht genug, und über das Zukünftige ſprechen wir noch weiter. Das unverhoffte Vergnügen, an meine jungen Tage wieder anzuknüpfen, laſſe ich mir nicht ſo leicht vereiteln!“
„So Plötzlich wird Herr Reinhart nicht gehen können“, ſagte jetzt Lucie; „denn ſein Pferd iſt in der Frühe mit unſeren Pferden auf die Weide hinauf gelaufen und ſoll dort drollige Sprünge machen. Es kann alſo heute Niemand weder fahren noch reiten bei uns, es müßte denn ſtrenger Befehl ergehen, die Thiere heimzuholen.“
„Nichts da!“ verſetzte der Oberſt; „dem armen Leih¬ pferd iſt es auch zu gönnen, wenn es einen guten Tag hat. Jetzt will ich mich für eine Stunde zurückziehen
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werde ich mir damit helfen!“ erwiderte ſie ausweichend,
und Reinhart bereute ſein unbedachtes Wort; wenn eine
feine Seele auf nachtwandleriſchem Pfade einer neuen
Beſtimmung zuſchreitet und aus ſich ſelbſt freundlich iſt,
ſo darf man ſie nicht mit zutäppiſchen Anmuthungen auf¬
ſchrecken.
Der heitere Glanz ihres Geſichtes war zum Theil
erloſchen, als die kleine Geſellſchaft ſich jetzt erhob.
Reinhart ſprach von ſeiner Abreiſe, ſowol aus Schicklich¬
keit als in einer Anwandlung von Kleinmuth, und erbat
ſich Urlaub, um die nöthigen Anſtalten zu treffen. Der
alte Herr widerſetzte ſich.
„Sie müſſen wenigſtens noch einen Tag bleiben!“ rief
er; „an den par Stunden, die ich mit Ihnen zugebracht,
habe ich vorläufig nicht genug, und über das Zukünftige
ſprechen wir noch weiter. Das unverhoffte Vergnügen,
an meine jungen Tage wieder anzuknüpfen, laſſe ich mir
nicht ſo leicht vereiteln!“
„So Plötzlich wird Herr Reinhart nicht gehen können“,
ſagte jetzt Lucie; „denn ſein Pferd iſt in der Frühe mit
unſeren Pferden auf die Weide hinauf gelaufen und ſoll
dort drollige Sprünge machen. Es kann alſo heute
Niemand weder fahren noch reiten bei uns, es müßte
denn ſtrenger Befehl ergehen, die Thiere heimzuholen.“
„Nichts da!“ verſetzte der Oberſt; „dem armen Leih¬
pferd iſt es auch zu gönnen, wenn es einen guten Tag
hat. Jetzt will ich mich für eine Stunde zurückziehen
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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/270>, abgerufen am 22.11.2024.
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