"Es war ein sehr lieber Stich; denn er ist die Ursache unserer guten Freundschaft und ohne ihn würde ich kaum je Ihr Zimmerherr geworden sein," antwortete Brandolf, "weil ich kam, um Sie dafür zu strafen."
"Sie haben freilich Kohlen auf mein Haupt gesammelt," sagte sie traurig, "indem Sie wahrscheinlich mein Leben gerettet haben. Aber Sie griffen zugleich in dies gerettete Leben ein, weil ich es nun ändern muß. Ich erfahre, daß ich nicht auf die bisherige selbständige Weise bestehen kann, und will versuchen, irgendwo als Wirthschafterin oder so was unterzukommen. Ich habe mir von der Wärterin und der Hausfrau so weit möglich die Ausgaben zusammentragen lassen, und um die Rechnung zu bereinigen und die nöthigen Mittel für die nächste Zukunft zu gewinnen, gedenke ich nun, meinen Hausrath, das letzte was ich besitze, zu veräußern, sobald ich vollständig hergestellt bin. Ich muß Ihnen also die Wohnung kündigen und bitte Sie, mir das nicht ungut aufzunehmen. Sie thun es aber nicht, denn Sie sind der erste gute Mann, der mir vor¬ gekommen ist, und es thut mir leid, Sie so bald verlieren zu müssen!"
"Dieser Verlust wird Ihnen nicht so leicht gelingen!" rief Brandolf fröhlich und ergriff ihre Hand, die er fest hielt. "Denn Ihr Vorsatz trifft auf das Beste mit dem Plane zusammen, den ich für Sie entworfen habe! Glauben, Sie denn, wir werden Sie ohne Weiteres wieder so allein in die Einöde hinauslaufen lassen?"
„Es war ein ſehr lieber Stich; denn er iſt die Urſache unſerer guten Freundſchaft und ohne ihn würde ich kaum je Ihr Zimmerherr geworden ſein,“ antwortete Brandolf, „weil ich kam, um Sie dafür zu ſtrafen.“
„Sie haben freilich Kohlen auf mein Haupt geſammelt,“ ſagte ſie traurig, „indem Sie wahrſcheinlich mein Leben gerettet haben. Aber Sie griffen zugleich in dies gerettete Leben ein, weil ich es nun ändern muß. Ich erfahre, daß ich nicht auf die bisherige ſelbſtändige Weiſe beſtehen kann, und will verſuchen, irgendwo als Wirthſchafterin oder ſo was unterzukommen. Ich habe mir von der Wärterin und der Hausfrau ſo weit möglich die Ausgaben zuſammentragen laſſen, und um die Rechnung zu bereinigen und die nöthigen Mittel für die nächſte Zukunft zu gewinnen, gedenke ich nun, meinen Hausrath, das letzte was ich beſitze, zu veräußern, ſobald ich vollſtändig hergeſtellt bin. Ich muß Ihnen alſo die Wohnung kündigen und bitte Sie, mir das nicht ungut aufzunehmen. Sie thun es aber nicht, denn Sie ſind der erſte gute Mann, der mir vor¬ gekommen iſt, und es thut mir leid, Sie ſo bald verlieren zu müſſen!“
„Dieſer Verluſt wird Ihnen nicht ſo leicht gelingen!“ rief Brandolf fröhlich und ergriff ihre Hand, die er feſt hielt. „Denn Ihr Vorſatz trifft auf das Beſte mit dem Plane zuſammen, den ich für Sie entworfen habe! Glauben, Sie denn, wir werden Sie ohne Weiteres wieder ſo allein in die Einöde hinauslaufen laſſen?“
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„Es war ein ſehr lieber Stich; denn er iſt die Urſache
unſerer guten Freundſchaft und ohne ihn würde ich kaum
je Ihr Zimmerherr geworden ſein,“ antwortete Brandolf,
„weil ich kam, um Sie dafür zu ſtrafen.“
„Sie haben freilich Kohlen auf mein Haupt geſammelt,“
ſagte ſie traurig, „indem Sie wahrſcheinlich mein Leben
gerettet haben. Aber Sie griffen zugleich in dies gerettete
Leben ein, weil ich es nun ändern muß. Ich erfahre,
daß ich nicht auf die bisherige ſelbſtändige Weiſe beſtehen
kann, und will verſuchen, irgendwo als Wirthſchafterin
oder ſo was unterzukommen. Ich habe mir von der
Wärterin und der Hausfrau ſo weit möglich die Ausgaben
zuſammentragen laſſen, und um die Rechnung zu bereinigen
und die nöthigen Mittel für die nächſte Zukunft zu gewinnen,
gedenke ich nun, meinen Hausrath, das letzte was ich beſitze,
zu veräußern, ſobald ich vollſtändig hergeſtellt bin. Ich
muß Ihnen alſo die Wohnung kündigen und bitte Sie,
mir das nicht ungut aufzunehmen. Sie thun es aber
nicht, denn Sie ſind der erſte gute Mann, der mir vor¬
gekommen iſt, und es thut mir leid, Sie ſo bald verlieren
zu müſſen!“
„Dieſer Verluſt wird Ihnen nicht ſo leicht gelingen!“
rief Brandolf fröhlich und ergriff ihre Hand, die er feſt
hielt. „Denn Ihr Vorſatz trifft auf das Beſte mit dem
Plane zuſammen, den ich für Sie entworfen habe! Glauben,
Sie denn, wir werden Sie ohne Weiteres wieder ſo allein
in die Einöde hinauslaufen laſſen?“
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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/199>, abgerufen am 22.11.2024.
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