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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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unwissenden hypochondrischen Gedanken über die
Weiber, welche meinem Verhalten gegen sie zu
Grunde lagen und mit welchen ich meiner Wege
ging, ohne mich um Eine zu bekümmern."

"Als nun die schöne Lydia bei uns anlangte
und ich mich täglich in ihrer Nähe befand, er¬
hielt meine ganze Weisheit einen Stoß und fiel
zusammen. Es war mir gleich von Grund aus
wohl zu Muthe, wenn sie zugegen war, und ich
wußte nicht, was ich hieraus machen sollte.
Höchlich verwundert war ich, weder Groll noch
Verachtung gegen diese zu empfinden, weder Ge¬
ringschätzung, noch jene Lust, doch verstohlen nach
ihr hinzuschielen; vielmehr freute ich mich ganz
unbefangen über ihr Dasein und sah sie ohne
Unbescheidenheit, aber frei und offen an, wenn
ich in ihrer Nähe zu thun hatte. Dies fiel mir
um so leichter, als ich in meiner Stellung als
armer Soldat kein Wort an sie zu richten
brauchte, ohne gefragt zu werden und also kein
anderes Benehmen zu beobachten hatte, als das¬
jenige eines sich aufrecht haltenden ernsthaften
Unterofficiers. Auch war mir das Schweigen,
besonders gegenüber den Weibern, so zur andern

unwiſſenden hypochondriſchen Gedanken über die
Weiber, welche meinem Verhalten gegen ſie zu
Grunde lagen und mit welchen ich meiner Wege
ging, ohne mich um Eine zu bekümmern.«

»Als nun die ſchöne Lydia bei uns anlangte
und ich mich täglich in ihrer Nähe befand, er¬
hielt meine ganze Weisheit einen Stoß und fiel
zuſammen. Es war mir gleich von Grund aus
wohl zu Muthe, wenn ſie zugegen war, und ich
wußte nicht, was ich hieraus machen ſollte.
Höchlich verwundert war ich, weder Groll noch
Verachtung gegen dieſe zu empfinden, weder Ge¬
ringſchätzung, noch jene Luſt, doch verſtohlen nach
ihr hinzuſchielen; vielmehr freute ich mich ganz
unbefangen über ihr Daſein und ſah ſie ohne
Unbeſcheidenheit, aber frei und offen an, wenn
ich in ihrer Nähe zu thun hatte. Dies fiel mir
um ſo leichter, als ich in meiner Stellung als
armer Soldat kein Wort an ſie zu richten
brauchte, ohne gefragt zu werden und alſo kein
anderes Benehmen zu beobachten hatte, als das¬
jenige eines ſich aufrecht haltenden ernſthaften
Unterofficiers. Auch war mir das Schweigen,
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[56/0068] unwiſſenden hypochondriſchen Gedanken über die Weiber, welche meinem Verhalten gegen ſie zu Grunde lagen und mit welchen ich meiner Wege ging, ohne mich um Eine zu bekümmern.« »Als nun die ſchöne Lydia bei uns anlangte und ich mich täglich in ihrer Nähe befand, er¬ hielt meine ganze Weisheit einen Stoß und fiel zuſammen. Es war mir gleich von Grund aus wohl zu Muthe, wenn ſie zugegen war, und ich wußte nicht, was ich hieraus machen ſollte. Höchlich verwundert war ich, weder Groll noch Verachtung gegen dieſe zu empfinden, weder Ge¬ ringſchätzung, noch jene Luſt, doch verſtohlen nach ihr hinzuſchielen; vielmehr freute ich mich ganz unbefangen über ihr Daſein und ſah ſie ohne Unbeſcheidenheit, aber frei und offen an, wenn ich in ihrer Nähe zu thun hatte. Dies fiel mir um ſo leichter, als ich in meiner Stellung als armer Soldat kein Wort an ſie zu richten brauchte, ohne gefragt zu werden und alſo kein anderes Benehmen zu beobachten hatte, als das¬ jenige eines ſich aufrecht haltenden ernſthaften Unterofficiers. Auch war mir das Schweigen, beſonders gegenüber den Weibern, ſo zur andern

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/68>, abgerufen am 25.11.2024.