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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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Pineiß, und Weib und Geld sollen Euch nicht
entgehen. Dagegen macht Euch bereit, recht
verliebt zu sein, damit Ihr jene Bedingungen
einer unverbrüchlichen Hingebung an die Lieb¬
kosungen Euerer Frau, die schon so gut wie
Euer ist, ja beschwören und erfüllen könnt!
Und hiermit bedanke ich mich des Vorläufigen
für genossene Pflege und Beköstigung und beur¬
laube mich!"

Somit ging Spiegel seines Weges und
freute sich über die Dummheit des Hexenmeisters,
welcher glaubte sich selbst und alle Welt betrü¬
gen zu können, indem er ja die gehoffte Braut
nicht uneigennützig, aus bloßer Liebe zur Schön¬
heit ehelichen wollte, sondern den Umstand mit
den zehntausend Goldgulden vorher wußte. In¬
dessen hatte er schon eine Person im Auge,
welche er dem thörichten Hexenmeister aufzuhalsen
gedachte für seine gebratenen Krametsvögel,
Mäuse und Würstchen.

Dem Hause des Herrn Pineiß gegenüber
war ein anderes Haus, dessen vordere Seite
auf das sauberste geweißt war und dessen Fen¬
ster immer frisch gewaschen glänzten. Die be¬

Pineiß, und Weib und Geld ſollen Euch nicht
entgehen. Dagegen macht Euch bereit, recht
verliebt zu ſein, damit Ihr jene Bedingungen
einer unverbrüchlichen Hingebung an die Lieb¬
koſungen Euerer Frau, die ſchon ſo gut wie
Euer iſt, ja beſchwören und erfüllen könnt!
Und hiermit bedanke ich mich des Vorläufigen
für genoſſene Pflege und Beköſtigung und beur¬
laube mich!«

Somit ging Spiegel ſeines Weges und
freute ſich über die Dummheit des Hexenmeiſters,
welcher glaubte ſich ſelbſt und alle Welt betrü¬
gen zu können, indem er ja die gehoffte Braut
nicht uneigennützig, aus bloßer Liebe zur Schön¬
heit ehelichen wollte, ſondern den Umſtand mit
den zehntauſend Goldgulden vorher wußte. In¬
deſſen hatte er ſchon eine Perſon im Auge,
welche er dem thörichten Hexenmeiſter aufzuhalſen
gedachte für ſeine gebratenen Krametsvögel,
Mäuſe und Würſtchen.

Dem Hauſe des Herrn Pineiß gegenüber
war ein anderes Haus, deſſen vordere Seite
auf das ſauberſte geweißt war und deſſen Fen¬
ſter immer friſch gewaſchen glänzten. Die be¬

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[508/0520] Pineiß, und Weib und Geld ſollen Euch nicht entgehen. Dagegen macht Euch bereit, recht verliebt zu ſein, damit Ihr jene Bedingungen einer unverbrüchlichen Hingebung an die Lieb¬ koſungen Euerer Frau, die ſchon ſo gut wie Euer iſt, ja beſchwören und erfüllen könnt! Und hiermit bedanke ich mich des Vorläufigen für genoſſene Pflege und Beköſtigung und beur¬ laube mich!« Somit ging Spiegel ſeines Weges und freute ſich über die Dummheit des Hexenmeiſters, welcher glaubte ſich ſelbſt und alle Welt betrü¬ gen zu können, indem er ja die gehoffte Braut nicht uneigennützig, aus bloßer Liebe zur Schön¬ heit ehelichen wollte, ſondern den Umſtand mit den zehntauſend Goldgulden vorher wußte. In¬ deſſen hatte er ſchon eine Perſon im Auge, welche er dem thörichten Hexenmeiſter aufzuhalſen gedachte für ſeine gebratenen Krametsvögel, Mäuſe und Würſtchen. Dem Hauſe des Herrn Pineiß gegenüber war ein anderes Haus, deſſen vordere Seite auf das ſauberſte geweißt war und deſſen Fen¬ ſter immer friſch gewaſchen glänzten. Die be¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/520>, abgerufen am 30.04.2024.