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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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denn dies Capital hergenommen, und er erwiederte,
er habe es auf seinen guten Namen geliehen
und würde es, da seine Geschäfte sich glücklich
wendeten, ohne Unbequemlichkeit zurückerstatten
können. Sie sah ihm deutlich an, daß er log
und daß es sein einziges Vermögen und ganze
Hoffnung war, welche er ihrem Glücke opferte;
doch stellte sie sich, als glaubte sie seinen Worten.
Sie ließ ihren freudigen Empfindungen freien
Lauf und that grausamer Weise, als ob diese
dem Glücke gälten, nun doch ihren Erwählten
retten und heirathen zu dürfen, und sie konnte
nicht Worte finden, ihre Dankbarkeit auszudrücken.
Doch plötzlich besann sie sich und erklärte, nur
unter Einer Bedingung die großmüthige That
annehmen zu können, da sonst Alles Zureden
unnütz wäre. Befragt, worin diese Bedingung
bestehe, verlangte sie das heilige Versprechen,
daß er an einem bestimmten Tage sich bei ihr
einfinden wolle, um ihrer Hochzeit beizuwohnen
und der beste Freund und Gönner ihres zu¬
künftigen Ehegemahls zu werden, sowie der
treuste Freund, Schützer und Berather ihrer
selbst. Erröthend bat er sie, von diesem Be¬

denn dies Capital hergenommen, und er erwiederte,
er habe es auf ſeinen guten Namen geliehen
und würde es, da ſeine Geſchäfte ſich glücklich
wendeten, ohne Unbequemlichkeit zurückerſtatten
können. Sie ſah ihm deutlich an, daß er log
und daß es ſein einziges Vermögen und ganze
Hoffnung war, welche er ihrem Glücke opferte;
doch ſtellte ſie ſich, als glaubte ſie ſeinen Worten.
Sie ließ ihren freudigen Empfindungen freien
Lauf und that grauſamer Weiſe, als ob dieſe
dem Glücke gälten, nun doch ihren Erwählten
retten und heirathen zu dürfen, und ſie konnte
nicht Worte finden, ihre Dankbarkeit auszudrücken.
Doch plötzlich beſann ſie ſich und erklärte, nur
unter Einer Bedingung die großmüthige That
annehmen zu können, da ſonſt Alles Zureden
unnütz wäre. Befragt, worin dieſe Bedingung
beſtehe, verlangte ſie das heilige Verſprechen,
daß er an einem beſtimmten Tage ſich bei ihr
einfinden wolle, um ihrer Hochzeit beizuwohnen
und der beſte Freund und Gönner ihres zu¬
künftigen Ehegemahls zu werden, ſowie der
treuſte Freund, Schützer und Berather ihrer
ſelbſt. Erröthend bat er ſie, von dieſem Be¬

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[492/0504] denn dies Capital hergenommen, und er erwiederte, er habe es auf ſeinen guten Namen geliehen und würde es, da ſeine Geſchäfte ſich glücklich wendeten, ohne Unbequemlichkeit zurückerſtatten können. Sie ſah ihm deutlich an, daß er log und daß es ſein einziges Vermögen und ganze Hoffnung war, welche er ihrem Glücke opferte; doch ſtellte ſie ſich, als glaubte ſie ſeinen Worten. Sie ließ ihren freudigen Empfindungen freien Lauf und that grauſamer Weiſe, als ob dieſe dem Glücke gälten, nun doch ihren Erwählten retten und heirathen zu dürfen, und ſie konnte nicht Worte finden, ihre Dankbarkeit auszudrücken. Doch plötzlich beſann ſie ſich und erklärte, nur unter Einer Bedingung die großmüthige That annehmen zu können, da ſonſt Alles Zureden unnütz wäre. Befragt, worin dieſe Bedingung beſtehe, verlangte ſie das heilige Verſprechen, daß er an einem beſtimmten Tage ſich bei ihr einfinden wolle, um ihrer Hochzeit beizuwohnen und der beſte Freund und Gönner ihres zu¬ künftigen Ehegemahls zu werden, ſowie der treuſte Freund, Schützer und Berather ihrer ſelbſt. Erröthend bat er ſie, von dieſem Be¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/504>, abgerufen am 30.04.2024.