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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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"Nun ja, rief Pineiß ungeduldig, sprachest
Du nicht eben erst davon?"

"Nein, antwortete Jener, das ist eine an¬
dere Sache! Die liegen vergraben an einem
Orte!"

"Und was thun sie da, wem gehören sie?"
schrie Pineiß.

"Niemand gehören sie, das ist eben meine
Gewissensbürde, doch ich hätte sie unterbringen
sollen! Eigentlich gehören sie Jenem, der eine
solche Person heirathet, wie ich eben beschrieben
habe. Aber wie soll man drei solche Dinge zu¬
sammenbringen in dieser gottlosen Stadt. Zehn¬
tausend Goldgülden, eine weiße, feine und gute
Hausfrau, und einen weisen rechtschaffenen Mann?
Daher ist eigentlich meine Sünde nicht allzugroß,
denn der Auftrag war zu schwer für eine arme
Katze!"

"Wenn Du jetzt, rief Pineiß, nicht bei der
Sache bleibst, und sie verständlich der Ordnung
nach darthust, so schneide ich Dir vorläufig den
Schwanz und beide Ohren ab! Jetzt fang an!"

"Da Ihr es befehlt, so muß ich die Sache
wohl erzählen," sagte Spiegel und setzte sich ge¬

»Nun ja, rief Pineiß ungeduldig, ſpracheſt
Du nicht eben erſt davon?«

»Nein, antwortete Jener, das iſt eine an¬
dere Sache! Die liegen vergraben an einem
Orte!«

»Und was thun ſie da, wem gehören ſie?«
ſchrie Pineiß.

»Niemand gehören ſie, das iſt eben meine
Gewiſſensbürde, doch ich hätte ſie unterbringen
ſollen! Eigentlich gehören ſie Jenem, der eine
ſolche Perſon heirathet, wie ich eben beſchrieben
habe. Aber wie ſoll man drei ſolche Dinge zu¬
ſammenbringen in dieſer gottloſen Stadt. Zehn¬
tauſend Goldgülden, eine weiße, feine und gute
Hausfrau, und einen weiſen rechtſchaffenen Mann?
Daher iſt eigentlich meine Sünde nicht allzugroß,
denn der Auftrag war zu ſchwer für eine arme
Katze!«

»Wenn Du jetzt, rief Pineiß, nicht bei der
Sache bleibſt, und ſie verſtändlich der Ordnung
nach darthuſt, ſo ſchneide ich Dir vorläufig den
Schwanz und beide Ohren ab! Jetzt fang an!«

»Da Ihr es befehlt, ſo muß ich die Sache
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[477/0489] »Nun ja, rief Pineiß ungeduldig, ſpracheſt Du nicht eben erſt davon?« »Nein, antwortete Jener, das iſt eine an¬ dere Sache! Die liegen vergraben an einem Orte!« »Und was thun ſie da, wem gehören ſie?« ſchrie Pineiß. »Niemand gehören ſie, das iſt eben meine Gewiſſensbürde, doch ich hätte ſie unterbringen ſollen! Eigentlich gehören ſie Jenem, der eine ſolche Perſon heirathet, wie ich eben beſchrieben habe. Aber wie ſoll man drei ſolche Dinge zu¬ ſammenbringen in dieſer gottloſen Stadt. Zehn¬ tauſend Goldgülden, eine weiße, feine und gute Hausfrau, und einen weiſen rechtſchaffenen Mann? Daher iſt eigentlich meine Sünde nicht allzugroß, denn der Auftrag war zu ſchwer für eine arme Katze!« »Wenn Du jetzt, rief Pineiß, nicht bei der Sache bleibſt, und ſie verſtändlich der Ordnung nach darthuſt, ſo ſchneide ich Dir vorläufig den Schwanz und beide Ohren ab! Jetzt fang an!« »Da Ihr es befehlt, ſo muß ich die Sache wohl erzählen,« ſagte Spiegel und ſetzte ſich ge¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/489>, abgerufen am 17.05.2024.