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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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Jetzt wurde aber Züs eifersüchtig und sagte
etwas heftig: "Bei mir wollen alle Thiere gern
bleiben! Einen Vogel hab' ich acht Jahre ge¬
habt und er ist sehr ungern von mir wegge¬
storben; unsere Katze streicht mir nach, wo ich
geh' und stehe, und des Nachbars Tauben drän¬
gen und zanken sich vor meinem Fenster, wenn
ich ihnen Brosamen streue! Wunderbare Eigen¬
schaften haben die Thiere je nach ihrer Art!
Der Löwe folgt gern den Königen nach und den
Helden, und der Elephant begleitet den Fürsten
und den tapfern Krieger; das Kameel trägt den
Kaufmann durch die Wüste und bewahrt ihm
frisches Wasser in seinem Bauch, und der Hund
begleitet seinen Herrn durch alle Gefahren und
stürzt sich für ihn in das Meer! Der Delphin
liebet die Musik und folgt den Schiffen, und
der Adler den Kriegsheeren. Der Affe ist ein
menschenähnliches Wesen und thut Alles, was
er die Menschen thun sieht, und der Papagey
versteht unsere Sprache und plaudert mit uns,
wie ein Alter! Selbst die Schlangen lassen sich
zähmen und tanzen auf der Spitze ihres Schwan¬
zes; das Krokodill weint menschliche Thränen

Jetzt wurde aber Züs eiferſüchtig und ſagte
etwas heftig: »Bei mir wollen alle Thiere gern
bleiben! Einen Vogel hab' ich acht Jahre ge¬
habt und er iſt ſehr ungern von mir wegge¬
ſtorben; unſere Katze ſtreicht mir nach, wo ich
geh' und ſtehe, und des Nachbars Tauben drän¬
gen und zanken ſich vor meinem Fenſter, wenn
ich ihnen Broſamen ſtreue! Wunderbare Eigen¬
ſchaften haben die Thiere je nach ihrer Art!
Der Löwe folgt gern den Königen nach und den
Helden, und der Elephant begleitet den Fürſten
und den tapfern Krieger; das Kameel trägt den
Kaufmann durch die Wüſte und bewahrt ihm
friſches Waſſer in ſeinem Bauch, und der Hund
begleitet ſeinen Herrn durch alle Gefahren und
ſtürzt ſich für ihn in das Meer! Der Delphin
liebet die Muſik und folgt den Schiffen, und
der Adler den Kriegsheeren. Der Affe iſt ein
menſchenähnliches Weſen und thut Alles, was
er die Menſchen thun ſieht, und der Papagey
verſteht unſere Sprache und plaudert mit uns,
wie ein Alter! Selbſt die Schlangen laſſen ſich
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[426/0438] Jetzt wurde aber Züs eiferſüchtig und ſagte etwas heftig: »Bei mir wollen alle Thiere gern bleiben! Einen Vogel hab' ich acht Jahre ge¬ habt und er iſt ſehr ungern von mir wegge¬ ſtorben; unſere Katze ſtreicht mir nach, wo ich geh' und ſtehe, und des Nachbars Tauben drän¬ gen und zanken ſich vor meinem Fenſter, wenn ich ihnen Broſamen ſtreue! Wunderbare Eigen¬ ſchaften haben die Thiere je nach ihrer Art! Der Löwe folgt gern den Königen nach und den Helden, und der Elephant begleitet den Fürſten und den tapfern Krieger; das Kameel trägt den Kaufmann durch die Wüſte und bewahrt ihm friſches Waſſer in ſeinem Bauch, und der Hund begleitet ſeinen Herrn durch alle Gefahren und ſtürzt ſich für ihn in das Meer! Der Delphin liebet die Muſik und folgt den Schiffen, und der Adler den Kriegsheeren. Der Affe iſt ein menſchenähnliches Weſen und thut Alles, was er die Menſchen thun ſieht, und der Papagey verſteht unſere Sprache und plaudert mit uns, wie ein Alter! Selbſt die Schlangen laſſen ſich zähmen und tanzen auf der Spitze ihres Schwan¬ zes; das Krokodill weint menſchliche Thränen

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/438>, abgerufen am 12.05.2024.