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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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sich bewegte und zu wandeln schien. Erstaunt
fuhr Jobst in die Höhe, als ob er ein blaues
Wunder sähe, und sah, daß es eine Wanze war,
welche er also im vorigen Herbst achtlos mit
der Farbe überstrichen, als sie schon in Erstar¬
rung dagesessen hatte. Jetzt aber war sie von
der Frühlingswärme neu belebt, hatte sich auf¬
gemacht und stieg eben in diesem Augenblicke
mit ihrem blauen Rücken unverdrossen die Wand
hinan. Er blickte ihr gerührt und voll Verwun¬
derung nach; so lange sie im Blauen ging, war
sie kaum von der Wand zu unterscheiden; als
sie aber aus dem gestrichenen Bereich hinaus
trat und die letzten vereinzelten Spritze hinter
sich hatte, wandelte das gute himmelblaue Thier¬
chen weithin sichtbar seine Bahn durch die dunk¬
leren Bezirke. Wehmüthig sank Jobst in den
Pfülmen zurück; so wenig er sich sonst aus der¬
gleichen machte, rührte diese Erscheinung doch
jetzt ein Gefühl in ihm auf, als ob er doch auch
endlich wieder wandern müßte, und es bedünkte
ihm ein gutes Zeichen zu sein, daß er sich in
das Unabänderliche ergeben und sich wenigstens
mit gutem Willen auf den Weg machen solle.

ſich bewegte und zu wandeln ſchien. Erſtaunt
fuhr Jobſt in die Höhe, als ob er ein blaues
Wunder ſähe, und ſah, daß es eine Wanze war,
welche er alſo im vorigen Herbſt achtlos mit
der Farbe überſtrichen, als ſie ſchon in Erſtar¬
rung dageſeſſen hatte. Jetzt aber war ſie von
der Frühlingswärme neu belebt, hatte ſich auf¬
gemacht und ſtieg eben in dieſem Augenblicke
mit ihrem blauen Rücken unverdroſſen die Wand
hinan. Er blickte ihr gerührt und voll Verwun¬
derung nach; ſo lange ſie im Blauen ging, war
ſie kaum von der Wand zu unterſcheiden; als
ſie aber aus dem geſtrichenen Bereich hinaus
trat und die letzten vereinzelten Spritze hinter
ſich hatte, wandelte das gute himmelblaue Thier¬
chen weithin ſichtbar ſeine Bahn durch die dunk¬
leren Bezirke. Wehmüthig ſank Jobſt in den
Pfülmen zurück; ſo wenig er ſich ſonſt aus der¬
gleichen machte, rührte dieſe Erſcheinung doch
jetzt ein Gefühl in ihm auf, als ob er doch auch
endlich wieder wandern müßte, und es bedünkte
ihm ein gutes Zeichen zu ſein, daß er ſich in
das Unabänderliche ergeben und ſich wenigſtens
mit gutem Willen auf den Weg machen ſolle.

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[412/0424] ſich bewegte und zu wandeln ſchien. Erſtaunt fuhr Jobſt in die Höhe, als ob er ein blaues Wunder ſähe, und ſah, daß es eine Wanze war, welche er alſo im vorigen Herbſt achtlos mit der Farbe überſtrichen, als ſie ſchon in Erſtar¬ rung dageſeſſen hatte. Jetzt aber war ſie von der Frühlingswärme neu belebt, hatte ſich auf¬ gemacht und ſtieg eben in dieſem Augenblicke mit ihrem blauen Rücken unverdroſſen die Wand hinan. Er blickte ihr gerührt und voll Verwun¬ derung nach; ſo lange ſie im Blauen ging, war ſie kaum von der Wand zu unterſcheiden; als ſie aber aus dem geſtrichenen Bereich hinaus trat und die letzten vereinzelten Spritze hinter ſich hatte, wandelte das gute himmelblaue Thier¬ chen weithin ſichtbar ſeine Bahn durch die dunk¬ leren Bezirke. Wehmüthig ſank Jobſt in den Pfülmen zurück; ſo wenig er ſich ſonſt aus der¬ gleichen machte, rührte dieſe Erſcheinung doch jetzt ein Gefühl in ihm auf, als ob er doch auch endlich wieder wandern müßte, und es bedünkte ihm ein gutes Zeichen zu ſein, daß er ſich in das Unabänderliche ergeben und ſich wenigſtens mit gutem Willen auf den Weg machen ſolle.

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/424>, abgerufen am 25.11.2024.