Beredtsamkeit beflissen, sprachen sie, wenn sie zusammen bei der Arbeit oder in ihrer Schlaf¬ kammer saßen, kaum ein Wort mit einander und legten sich seufzend in ihr gemeinschaft¬ liches Bett, noch immer so still und verträglich wie drei Bleistifte. Ein und derselbe Traum schwebte allnächtlich über dem Kleblatt, bis er einst so lebendig wurde, daß Jobst an der Wand sich herumwarf und den Dietrich anstieß; Die¬ trich fuhr zurück und stieß den Fridolin, und nun brach in den schlummertrunkenen Gesellen ein wilder Groll aus und in dem Bette der schreck¬ barste Kampf, indem sie während drei Minuten sich so heftig mit den Füßen stießen, traten und ausschlugen, daß alle sechs Beine sich in einan¬ der verwickelten und der ganze Knäuel unter furchtbarem Geschrei aus dem Bette purzelte. Sie glaubten, völlig erwachend, der Teufel wolle sie holen, oder es seien Räuber in die Kammer gebrochen; sie sprangen schreiend auf, Jobst stellte sich auf seinen Stein, Fridolin eiligst auf seinen und Dietrich auf denjenigen, unter welchem sich bereits auch seine kleine Ersparniß angesetzt hatte, und indem sie so in einem Dreieck standen, zit¬
Beredtſamkeit befliſſen, ſprachen ſie, wenn ſie zuſammen bei der Arbeit oder in ihrer Schlaf¬ kammer ſaßen, kaum ein Wort mit einander und legten ſich ſeufzend in ihr gemeinſchaft¬ liches Bett, noch immer ſo ſtill und verträglich wie drei Bleiſtifte. Ein und derſelbe Traum ſchwebte allnächtlich über dem Kleblatt, bis er einſt ſo lebendig wurde, daß Jobſt an der Wand ſich herumwarf und den Dietrich anſtieß; Die¬ trich fuhr zurück und ſtieß den Fridolin, und nun brach in den ſchlummertrunkenen Geſellen ein wilder Groll aus und in dem Bette der ſchreck¬ barſte Kampf, indem ſie während drei Minuten ſich ſo heftig mit den Füßen ſtießen, traten und ausſchlugen, daß alle ſechs Beine ſich in einan¬ der verwickelten und der ganze Knäuel unter furchtbarem Geſchrei aus dem Bette purzelte. Sie glaubten, völlig erwachend, der Teufel wolle ſie holen, oder es ſeien Räuber in die Kammer gebrochen; ſie ſprangen ſchreiend auf, Jobſt ſtellte ſich auf ſeinen Stein, Fridolin eiligſt auf ſeinen und Dietrich auf denjenigen, unter welchem ſich bereits auch ſeine kleine Erſparniß angeſetzt hatte, und indem ſie ſo in einem Dreieck ſtanden, zit¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0412"n="400"/>
Beredtſamkeit befliſſen, ſprachen ſie, wenn ſie<lb/>
zuſammen bei der Arbeit oder in ihrer Schlaf¬<lb/>
kammer ſaßen, kaum ein Wort mit einander<lb/>
und legten ſich ſeufzend in ihr gemeinſchaft¬<lb/>
liches Bett, noch immer ſo ſtill und verträglich<lb/>
wie drei Bleiſtifte. Ein und derſelbe Traum<lb/>ſchwebte allnächtlich über dem Kleblatt, bis er<lb/>
einſt ſo lebendig wurde, daß Jobſt an der Wand<lb/>ſich herumwarf und den Dietrich anſtieß; Die¬<lb/>
trich fuhr zurück und ſtieß den Fridolin, und nun<lb/>
brach in den ſchlummertrunkenen Geſellen ein<lb/>
wilder Groll aus und in dem Bette der ſchreck¬<lb/>
barſte Kampf, indem ſie während drei Minuten<lb/>ſich ſo heftig mit den Füßen ſtießen, traten und<lb/>
ausſchlugen, daß alle ſechs Beine ſich in einan¬<lb/>
der verwickelten und der ganze Knäuel unter<lb/>
furchtbarem Geſchrei aus dem Bette purzelte.<lb/>
Sie glaubten, völlig erwachend, der Teufel wolle<lb/>ſie holen, oder es ſeien Räuber in die Kammer<lb/>
gebrochen; ſie ſprangen ſchreiend auf, Jobſt ſtellte<lb/>ſich auf ſeinen Stein, Fridolin eiligſt auf ſeinen<lb/>
und Dietrich auf denjenigen, unter welchem ſich<lb/>
bereits auch ſeine kleine Erſparniß angeſetzt hatte,<lb/>
und indem ſie ſo in einem Dreieck ſtanden, zit¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[400/0412]
Beredtſamkeit befliſſen, ſprachen ſie, wenn ſie
zuſammen bei der Arbeit oder in ihrer Schlaf¬
kammer ſaßen, kaum ein Wort mit einander
und legten ſich ſeufzend in ihr gemeinſchaft¬
liches Bett, noch immer ſo ſtill und verträglich
wie drei Bleiſtifte. Ein und derſelbe Traum
ſchwebte allnächtlich über dem Kleblatt, bis er
einſt ſo lebendig wurde, daß Jobſt an der Wand
ſich herumwarf und den Dietrich anſtieß; Die¬
trich fuhr zurück und ſtieß den Fridolin, und nun
brach in den ſchlummertrunkenen Geſellen ein
wilder Groll aus und in dem Bette der ſchreck¬
barſte Kampf, indem ſie während drei Minuten
ſich ſo heftig mit den Füßen ſtießen, traten und
ausſchlugen, daß alle ſechs Beine ſich in einan¬
der verwickelten und der ganze Knäuel unter
furchtbarem Geſchrei aus dem Bette purzelte.
Sie glaubten, völlig erwachend, der Teufel wolle
ſie holen, oder es ſeien Räuber in die Kammer
gebrochen; ſie ſprangen ſchreiend auf, Jobſt ſtellte
ſich auf ſeinen Stein, Fridolin eiligſt auf ſeinen
und Dietrich auf denjenigen, unter welchem ſich
bereits auch ſeine kleine Erſparniß angeſetzt hatte,
und indem ſie ſo in einem Dreieck ſtanden, zit¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/412>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.