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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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hen, daß sie aus einem Untergange zusammen¬
gesucht sind! Nun ist es aber Zeit, daß ich
fortkomme, nicht ein Blümchen mehr im Garten
und das Haus auch leer!" Sali sah sich um
und bemerkte erst jetzt, daß alle Fahrhabe, die
noch da gewesen, weggebracht war. "Du armes
Vreeli!" sagte er, "haben sie Dir schon Alles
genommen?" "Gestern," erwiederte es, "haben
sie's weggeholt, was sich von der Stelle bewegen
ließ und mir kaum mehr mein Bett gelassen.
Ich hab's aber auch gleich verkauft und hab'
jetzt auch Geld, sieh!" Es holte einige neu
glänzende Thalerstücke aus der Tasche seines
Kleides und zeigte sie ihm. "Damit," fuhr es
fort, "sagte der Waisenvogt, der auch hier war,
solle ich mir einen Dienst suchen in einer Stadt
und ich solle mich heute gleich auf den Weg
machen!" "Da ist aber auch gar nichts mehr
vorhanden," sagte Sali, nachdem er in die Küche
geguckt hatte, "ich sehe kein Hölzchen, kein Pfänn¬
chen, kein Messer! Hast Du denn auch nicht zu
Morgen gegessen?" "Nichts!" sagte Vrenchen,
"ich hätte mir etwas holen können, aber ich
dachte, ich wolle lieber hungrig bleiben, damit

hen, daß ſie aus einem Untergange zuſammen¬
geſucht ſind! Nun iſt es aber Zeit, daß ich
fortkomme, nicht ein Blümchen mehr im Garten
und das Haus auch leer!« Sali ſah ſich um
und bemerkte erſt jetzt, daß alle Fahrhabe, die
noch da geweſen, weggebracht war. »Du armes
Vreeli!« ſagte er, »haben ſie Dir ſchon Alles
genommen?« »Geſtern,« erwiederte es, »haben
ſie's weggeholt, was ſich von der Stelle bewegen
ließ und mir kaum mehr mein Bett gelaſſen.
Ich hab's aber auch gleich verkauft und hab'
jetzt auch Geld, ſieh!« Es holte einige neu
glänzende Thalerſtücke aus der Taſche ſeines
Kleides und zeigte ſie ihm. »Damit,« fuhr es
fort, »ſagte der Waiſenvogt, der auch hier war,
ſolle ich mir einen Dienſt ſuchen in einer Stadt
und ich ſolle mich heute gleich auf den Weg
machen!« »Da iſt aber auch gar nichts mehr
vorhanden,« ſagte Sali, nachdem er in die Küche
geguckt hatte, »ich ſehe kein Hölzchen, kein Pfänn¬
chen, kein Meſſer! Haſt Du denn auch nicht zu
Morgen gegeſſen?« »Nichts!« ſagte Vrenchen,
»ich hätte mir etwas holen können, aber ich
dachte, ich wolle lieber hungrig bleiben, damit

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[307/0319] hen, daß ſie aus einem Untergange zuſammen¬ geſucht ſind! Nun iſt es aber Zeit, daß ich fortkomme, nicht ein Blümchen mehr im Garten und das Haus auch leer!« Sali ſah ſich um und bemerkte erſt jetzt, daß alle Fahrhabe, die noch da geweſen, weggebracht war. »Du armes Vreeli!« ſagte er, »haben ſie Dir ſchon Alles genommen?« »Geſtern,« erwiederte es, »haben ſie's weggeholt, was ſich von der Stelle bewegen ließ und mir kaum mehr mein Bett gelaſſen. Ich hab's aber auch gleich verkauft und hab' jetzt auch Geld, ſieh!« Es holte einige neu glänzende Thalerſtücke aus der Taſche ſeines Kleides und zeigte ſie ihm. »Damit,« fuhr es fort, »ſagte der Waiſenvogt, der auch hier war, ſolle ich mir einen Dienſt ſuchen in einer Stadt und ich ſolle mich heute gleich auf den Weg machen!« »Da iſt aber auch gar nichts mehr vorhanden,« ſagte Sali, nachdem er in die Küche geguckt hatte, »ich ſehe kein Hölzchen, kein Pfänn¬ chen, kein Meſſer! Haſt Du denn auch nicht zu Morgen gegeſſen?« »Nichts!« ſagte Vrenchen, »ich hätte mir etwas holen können, aber ich dachte, ich wolle lieber hungrig bleiben, damit

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/319>, abgerufen am 12.05.2024.